Kapitel 26: Ältere Frauen und Heuler

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„Okay, mit welchem Lehrer würdest du am ehesten rummachen?"

„Ih, Charlie!Das sind zu viele ungewollte Bilder in meinem Kopf!"

„Jetzt sag schon!"

„Sag du zuerst."

„McGonnagall.", antwortete er wie aus der Pistole geschossen. Ich warf ihm einen angeekelten Blick zu. Es beunruhigte mich, wie schnell diese Antwort gekommen war.

„Was denn?Ich mag ältere Frauen!"Fassungslos starrte ich ihn an.
Wir saßen auf der Treppe vor dem Eingangstor in der Mittagssonne und beobachteten, wie die ersten Schneeflocken vom Himmel fielen. Es war Mitte Dezember und in einer Woche begannen die Winterferien. Ich hatte mich nach wie vor nicht mit Ava ausgesöhnt, welche immer wieder das Gespräch mit mir suchte. Harper war bei Streitigkeiten zum Glück nicht so dramatisch wie ich und schien unseren Konflikt bereits vergessen zu haben.

„Also, mit wem würdest du am ehesten?", beharrte Charlie weiter. Daraufhin schüttelte ich den Kopf, denn ich würde mich nicht darauf einlassen.

„Ach komm, ich hab's dir auch gesagt!"

„Und mich damit auf ewig traumatisiert!", entgegnete ich empört.

„Saaaaag schon!"Er würde nicht lockerlassen und langsam fing es an, zu nerven.

„Benítez.", rutschte es mir raus. Charlie musterte mich skeptisch.

„Was denn?Sie ist sehr hübsch.", sagte ich. Charlie zuckte mit den Schultern.

„Stimmt wohl."

Charlie war ein simpler Typ. Er wusste, dass ich mich die letzten Wochen von allem isoliert und mich bloß in Schularbeit gestürzt hatte, doch er sprach mich nicht darauf an. Er hatte zwar überrascht gewirkt, als ich an diesem Sonntag auf einmal mit ihm abhängen wollte, doch er hatte es einfach hingenommen. Charlie war nun mal unkompliziert und vielleicht war unkompliziert gerade genau das, was ich brauchte. Es tat gut, draußen zu sitzen und zu reden, denn es wurde immer anstrengender mit mir und meinen Gedanken alleine zu sein. Mein Vater tauchte regelmäßig wieder auf und auch die Frage, ob er überhaupt noch am Leben war. Wenn ja, wo hielt er sich auf? Und was wollte Professor Benítez mir für Informationen geben? Sollte ich sie nochmal darauf ansprechen?
Dann war da noch Ava. Ich hatte nicht gewusst, dass man eine Person so sehr vermissen konnte, gleichzeitig jedoch so weit weg wie möglich von ihr sein wollte. All diese Gefühle, die ich empfand, wenn ich an sie und Josh dachte, erdrückten mich. Ava war meine beste Freundin und es tat weh, zu sehen, wie Josh meinen Platz einnahm. Ich wusste, dass es kindisch war. Ich wusste, dass Ava und ich nicht für immer so enge Freunde sein würden, wie wir es die letzten Jahre gewesen waren. Trotzdem fühlte es sich jetzt, wo der Zeitpunkt gekommen war, unerträglich an. Ernsthaft, es gab Momente in denen ich diese Gefühle einfach nicht ertragen konnte. In diesen Momenten hatte ich mich entweder in mehr Schularbeit gestürzt, oder besagte Gefühle aufs Papier gebracht. Das war das einzig Gute, was mir das Fiasko mit Ava gebracht hatte. Ich schrieb endlich wieder.

„Oh mein Gott, seid ihr süß!", riss mich eine quirlige Stimme aus meinem inneren Monolog. Charlie, der auch immer wieder gerne abdriftete, schien ebenfalls verwirrt zu sein. Vor uns stand eine rothaarige Drittklässlerin aus Hufflepuff. Während sie grinste wurde ihre Zahnspange sichtbar und sie hüpfte leicht auf und ab. Ich war mir nicht sicher, ob sie das wegen der Kälte tat oder einfach wirklich aufgedreht war.

Als die Charlies und meinen Blick bemerkte, fügte sie hinzu:
„Als Paar, mein ich, seid ihr sehr süß.Ich wünsche mir auch so einen Freund."
In diesem Moment tauschten Charlie und ich einen ungläubigen Blick aus und fingen beide an zu lachen. Nun starrte das Mädchen uns verwirrt an.

These Are the Days of Our LivesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt