Kapitel 34: Ryan und Miranda Walsh

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„Ava?"

Eine vollkommen durchnässte und zitternde Ava blickte mir von der anderen Seite der Tür entgegen. Sie schien spontan hierher gekommen zu sein, denn unter ihrem knielangen Regenmantel trug sie eine bunt karierte Schlafanzughose und sie hatte lediglich einen kleinen Rucksack dabei, der nicht mal richtig verschlossen war. Als ich in ihre Augen sah, wirkte sie zerbrechlich. Sie schien mit der undurchsichtigen Dunkelheit hinter ihr zu verschmelzen.

„Ich wusste nicht, wohin.Zu Hause wär' ich durchgedreht."

Zu perplex, um irgendwas zu sagen, legte ich meine Hände auf ihre Schultern und zog sie in eine Umarmung. Innerhalb von Sekunden waren meine Klamotten genauso durchnässt wie ihre. Ava wirkte steif, sie weinte nicht, hielt sich jedoch fast schon verzweifelt an mir fest. Ich konnte mich nicht dran erinnern, wann wir uns überhaupt schon mal so umarmt hatten.

„Ava?"

Meine Mutter stand im Wohnzimmer, fertig mit ihrem Telefonat und mit zwei Teetassen in den Händen. Ich ließ sie los und ließ meine Mutter ihr Mutter-Ding machen.

„Oh Liebes, komm rein!Da draußen holst du dir ja noch den Tod!"

Minuten später saß Ava mit alten Klamotten von Maeve, einer Decke und dem Tee, den wir vorher gemacht hatten auf dem Sofa. Ich saß links neben ihr und sah aus dem Augenwinkel, wie sie starr ins Kaminfeuer gegenüber blickte. Sie zitterte immer noch, nicht mehr so stark wie vorher, aber ich hätte trotzdem am liebsten ihre Hände genommen und sie gewärmt. Mir blieb keine Zeit dazu, mich zu fragen, warum ich diesen Impuls verspürte, denn meine Mutter tauchte im Türrahmen zur Küche auf.

„Rede mit ihr!", formte sie stumm mit den Lippen. Dann ging sie zurück in die Küche und ich hörte, wie sie den Kühlschrank öffnete. Wahrscheinlich bereitete sie jetzt ein Festmahl für Ava zu, obwohl diese mehrfach erwähnt hatte, dass sie nicht hungrig war.

„Also, ich glaube, du musst mir erklären, warum du mitten in der Nacht unangekündigt vor meiner Haustür standest."

Ava seufzte, wandte sich vom Feuer ab und sah mich an. Ihre Augen fixierten mich, mein Herz
schlug so schnell, dass es beinahe aus meiner Brust raussprang.

„Meine Eltern."

Ich erinnerte mich an Harper's beunruhigende Andeutung vor ein paar Monaten und an das Bild, das ich von Avas Eltern, besonders von ihrer Mutter hatte. Miranda Walsh, eine kalte Frau, die nur selten etwas sagte. Wenn sie Ava am Bahnsteig in King's Cross abholte, umarmte sie sie nicht. Ava hatte in unserem ersten Jahr mal gesagt, ihre Mutter sei „so gut wie weg". So wirkte sie auch, nie wirklich präsent im Moment und auch nicht willentlich, daran etwas zu ändern. Ihr Vater, Ryan, ähnelte Ava sehr. Ava schien alle Merkmale von ihm zu haben, von den blonden Haaren und den olivgrünen Augen bis auf ihrer aufgeweckten, extrovertierten Art. Nur die Locken hatte sie von ihrer Mutter, welche aber schwarzes Haar hatte. Ryan und Miranda hatten nie wirklich wie ein glückliches Paar gewirkt und Ava hatte dieses Thema immer gemieden.

„Was ist passiert?"

Ava fing an zu erzählen und wir wurde klar wie wenig ich über ihr Leben außerhalb von Hogwarts gewusst hatte. Anscheinend stritten ihre Eltern sich schon ihr ganzes Leben lang immer wieder, doch die letzten Monate war es schlimmer geworden. Miranda hatte Ava regelmäßig Briefe nach Hogwarts geschickt und ihr indirekt die Schuld für alles gegeben. Ihrer Ansicht nach waren sie und Ryan immer glücklich gewesen, bis sie auf einmal mit zwanzig mit Ava schwanger geworden war. Ryan war zwar eher gegen das Baby gewesen, hielt jedoch trotzdem zu Miranda und lernte Ava sofort nach ihrer Geburt lieben. Doch die Ehe litt immer mehr und Miranda gab jedem außer sich selbst die Schuld. An diesem besagten Abend war das Ganze eskaliert, als Ryan Miranda eine Scheidung vorgeschlagen hatte. Sie hatte begonnen, mit Tellern zu werfen und Ryan maßlos zu beleidigen.

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