Kapitel 14: Charlie Weasley

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Sie waren das perfekte Quartett und die Dorfelfe war viel mutiger mit ihnen. Wenn die Nereide ihr mal wieder einen neuen Plan vorschlug, der fiesen Dryade eins auszuwischen, die Chamäleonfrau erneut etwas vergas, aber immer optimistisch blieb, oder die Waldelfe vorsichtig ihren Arm berührte und ihr etwas, das nur die Dorfelfe hören sollte zuflüsterte, wurde ihr immer wieder bewusst, wie viel Glück sie doch hatte.

Über unseren Streich wurde noch einige Tage geredet, doch es gelang den Lehrern nicht, die Verantwortlichen zu finden, also wurde die gesamte Klasse zum Reinigungsdienst in der großen Halle verdonnert. Niemand was sauer, denn diese Schneeballschlacht war es allen wert gewesen.
Langsam vergingen die Monate in denen wir uns auf die Schule konzentrierten und neue Streiche ausheckten. Mit dem März schmolz langsam der Schnee dahin und die Sonne tauchte nach Monaten wieder auf. Die Schüler begannen wieder, sich draußen aufzuhalten und dort zu lernen. Der Frühling schuf eine fast schon erfrischende Stimmung im Schloss.

In Kräuterkunde befanden wir uns die meiste Zeit in einem der drei Gewächshäuser und behandelten verschiedene Pflanzen. Professor Sprout hatte gerade angekündigt, dass wir mit einem neuen Thema anfangen würden.

„Bevor Sie mit ihrem Buch Tausend Zauberkräuter und -pilze arbeiten werden, gehen Sie bitte in Paaren zusammen.", rief sie und sofort ging das Stimmengewirr los. Ich gestattete Harper, mit Wendy zu arbeiten und blickte mich nach einem anderen Ravenclaw ohne Partner um. Leider schienen die Ravenclaws alle bereits jemanden zu haben, weshalb ich widerwillig in die Richtung der Gryffindors ging. Abigail, die bemerkt hatte, dass ich noch niemanden hatte, gackerte. Ich machte einem großen Bogen um sie und landete schließlich bei einem rothaarigen Jungen. Er war kaum größer als ich und sein breites, freundliches Gesicht war mit Sommersprossen übersät. Ich hatte noch nie mit ihm ein Wort gewechselt.

„Hey, ähm, wollen wir zusammen arbeiten?", fragte ich, woraufhin er von seinem Buch aufsah und lächelte.

„Sehr gerne", antwortete er und reichte mir die Hand.
„Charlie Weasley."
Ich schüttelte sie und antwortete:
„Ellen Bennett."

Als ich meinen Namen nannte stutzte er.

„Hast du eine Schwester?"
Ich nickte.
„Mein Bruder, Bill, war mal mit ihr zusammen."

„Oh, ich erinnere mich!Ich wusste garnicht, dass er einen Bruder hat."
Jetzt lachte er und ich musterte ihn mit einem leicht verwirrten Lächeln.

„Nicht nur einen.Ich habe sechs Geschwister!"

„Sechs?Wow, und ich dachte Maeve allein wäre schon anstrengend."

Die nächste halbe Stunde stutzten wir die Blätter einer äußerst starken Heilpflanze mithilfe der Anleitung unseres Buches und unterhielten uns ausgiebig. Charlies Familienleben schien vollkommen konträr zu meinem, alles war laut, chaotisch und aufgeweckt. Ich verschwieg, dass es bei mir zu Hause manchmal so still war, dass ich einfach nur schreien wollte, um wenigstens irgendetwas hören zu können. Besonders wenn meine Mutter arbeitete und Maeve sich in ihrem Zimmer verschanzte. Gleichzeitig konnte ich mir vorstellen, dass es bei ihm auch nicht immer einfach war.

„Aber bei sechs Geschwistern geht man doch manchmal echt unter, oder?"

Charlie neigte nachdenklich den Kopf zur Seite während er vorsichtig mit einer kleinen Schaufel zusätzliche Erde in den Blumentopf füllte.

„Ich schätze schon.Man gewöhnt sich halt dran."

Ich sah etwas in seinem Gesicht, dass mir stumm mitteilte, nicht weiterzufragen. Ich fragte ihn, ob er im Buch noch einmal nachlesen konnte, wie oft unsere Heilpflanze gegossen werden musste und wechselte das Thema. Die Stunde war recht bald vorbei und nachdem ich unsere Pflanze in einem geeigneten Regal platziert hatte, verließen wir zusammen das Klassenzimmer.

„Wir sollten uns einen Namen für unsere Pflanze überlegen.", warf ich ein. Charlie stimmte mir zu.

„Was hältst du von-"

„Ellen!Da bist du ja!", unterbrach Ava ihn. Sie hatte vor dem Kassenzimmer gewartet. Ihr blondes Haar war in zwei lockere Zöpfe geflochten und in ihren Augen war etwas, was ich selten sah. Irgendwie wirkte sie ungeduldig. Ich war mir nicht sicher, wie ich es benennen sollte. Mit ein paar Schritten war sie bei uns.

„Wir müssen zu Zaubertränke, wo ist Harper?"Sie sah mich eindringlich an und ignorierte Charlies Anwesenheit.

„Sie kommt gleich.Charlie, darf ich vorstellen?Ava."
Charlie reichte ihr ebenfalls wie mir vorher die Hand.
„Hey, Ava."
Ava nahm sie an, sah aber weiterhin zu mir. Ich lächelte, um meine Verwirrung zu verbergen. Auf einmal hellte sich ihr Gesichtsausdruck wieder auf und sie rief:
„Da kommt sie ja.Tschüss, Charlie!"

Sie packte mich und Harper, die gerade erst dazu gestoßen war und nun leicht überrumpelt hinter uns herum taumelte, am Arm und zerrte uns davon.

„Bis später!", rief ich Charlie eilig über die Schulter zu. Er stand im Schülergetummel und winkte mir locker zu.

„Was war das denn?", fragte Harper außer Atem, während wir uns durch die Flure kämpften. Ava hatte unsere Arme wieder losgelassen und lief vor uns her.

„Eure Rettung davor, bei Snape zu spät zukommen!"

Als wir beim Klassenzimmer ankamen und Harper sich mit Tonks unterhielt, beugte ich mich zu Ava und flüsterte leise:
„Du musst noch Charlies erste Worte aufschreiben."

Ava sah aus dem Augenwinkel zu mir herüber und lächelte.

☀︎︎☀︎︎☀︎︎

Am Nachmittag zwang Harper mich mal wieder dazu, unserer Hausmannschaft beim Training zuzusehen. Während sie mir also jeden einzelnen Spielzeug genau erklärte und benannte, las ich das dritte Herr-der-Ringe Buch, welches in meinem Schoß lag. Ich war mir ziemlich sicher, dass Harper mich nur mitnahm, damit niemand dachte, sie würde Selbstgespräche führen. Es störte sie nämlich kein bisschen, dass ich ihr nicht zuhörte.

„Sag mal, was findest du an Quidditch denn so toll?", unterbrach ich ihren Vortrag über den Wronksi-Bluff. Harper verstummte und blinzelte mich zerstreut an. Dann presste sie die Lippen aufeinander und dachte nach. Ihr rotes Haar wehte im Frühlingswind und ihre blauen Augen hatten die Farbe des blassen Märzhimmels.

„Es hat mich durch schwere Zeiten begleitet. Ich habe jahrelang im Waisenhaus gelebt und immer, wenn ich traurig war, habe ich in diesem Buch über die Holyhead Harpies gelesen und die Züge studiert. Immer und immer wieder. Einer der Heimarbeiter hatte es mir geschenkt. Und als ich dann adoptiert wurde und zum ersten Mal spielen konnte...das war, als wäre mein sehnlichster Wunsch endlich in Erfüllung gegangen. Seit meiner Adoption ist alles so toll geworden." Harper blickte starr auf das Spielfeld, sie hatte sich mir noch nie so sehr geöffnet. Mir war nie klar gewesen, was sie alles erlebt hatte, wie es sein musste, jahrelang ohne Familie aufzuwachsen und jetzt war sie hier. Harpers defensive, freche Art ließ mich oft vergessen, dass sie auch nur ein Mensch war.

„Danke, dass du mir das anvertraut hast.", sagte ich sanft.

„Wehe, du erzählst wem davon.", schoss sie zurück.

Da war sie wieder. Ich schwieg und wir beide beobachteten die Spieler, die wie kobaltblaue Raketen durch die Luft rauschten.

„Und willst du nächstes Jahr der Mannschaft beitreten?", fragte ich.

„Ich würde gerne, aber mein Pa denkt, ich sei zu jung. Er und Dad haben Ewigkeiten diskutiert und jetzt darf ich erst in meinem fünften Jahr.", antwortete Harper verbittert.

„Das ist blöd.", sagte ich.

„Das ist scheiße.", erwiderte Harper.

„Ja. Das ist es."

These Are the Days of Our LivesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt