Kenne deine Feinde so gut wie deine Freunde

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POV Hayley & Valentine

Rosalie Wendle, Valentines älteste, damalige Freundin. Was tat sie hier?

"Was machst du hier, Rose?", fragte Valentine erstaunt und wird von Hayley sofort gegen den Knöchel getreten. "Euch helfen." Rosalie lächelte und machte eine einladende handliche Geste. "Wir wollen deine Hilfe aber nicht, Rosalie!", murrte Hayley, zog an ihren Fesseln und kochte auf 180. Rosalie schüttelte mit jetzt gleichgültiger Miene den Kopf.

"Von WOLLEN erreichst du nichts, Hayley. Das weißt du genauso gut wie ich. Man erreicht nur durch KÖNNEN etwas im Leben!", schrie sie fast und betonte die Worte "wollen" und "können" scharf.

Das blonde Mädchen kam näher auf die gefesselten Geiseln zu. Sie hatte ein Messer in der Hand mit dem sie zuvor einen Apfel geschnitten hatte, wie Hayley auf dem Tisch sah. Ein blutroter Apfel. Die Klinge glänzte im Sonnenlicht und ließ es gefährlich scharf blitzen. Rosalie nahm Valentines gefesselte Hände in ihre und schnitt die Stricke in der Mitte durch, welche kraftlos zu Boden fielen.

Valentine und Rosalie sahen sich einen Moment lang tief in die Augen und hätten es wahrscheinlich noch länger getan, wäre nicht jemand ins Zelt spaziert. Es war Soraya. Die Rothaarige trug eine Ledertasche mit einer Machete auf dem Rücken und hielt ihr Gewehr schussbereit in den Händen.

"Was gibt's Soraya?", fragte Rosalie genervt und wandte ihre Aufmerksamkeit Soraya zu. "Dämonen, sie sind in der Nähe auf dem Weg zu uns", entgegnete die junge Frau steif und verließ so schnell das Zelt wie sie gekommen war. Rosalie nickte und drehte das Messer in ihren Händen. Sie hatte wieder den blutroten Apfel in der Hand und biss genüsslich hinein.

"Hast du nicht vor uns vielleicht loszumachen anstatt zu essen, Blondchen?", fragte Cleo mit hochgezogenen Augenbrauen und  machte zwei Schritte vorwärts auf Rosalie zu, die aber keinen einzigen Schritt zurücktrat und auch sonst nicht aufhörte ihren Apfel zu kauen. Sie starrte Cleo einfach nur mit großen unschuldigen Augen an.

Hayley entfuhr ein Kichern. "Scheinbar nicht. Sie ist sich zu fein dafür, immer an die Regeln halten. Egal was andere sagen." Nun veränderte sich Rosalies Miene und sie warf den halbgegessenen Apfel hinfort, außerhalb ihrer Reichweite. "Es ist viel Zeit vergangen, Hayley. Du hast dich geändert. Genauso wie du, Valentine."

Sie legte ihm eine Hand auf die Brust, direkt an die Stelle, wo sein Herz drunter schlug. Valentine trat ein Schritt zurück und brachte Distanz zwischen ihm und seiner damaligen Freundin. Sie sah ihn beinahe verletzt an. "Ich habe mich ebenfalls geändert."

Nun drehte sich Rosalie zu Cleo um, welche durch zugekniffene Augen das blonde Mädchen musterte. Rosalie zog leicht die Mundwinkel hoch. "Soraya hat viel von dir erzählt, Cleo. Ich wollte schon die ganze Zeit über wissen, seitdem ich von dir erfahren habe, was es mit dir auf sich hatte." Rose wollte Cleo eine ihr im Gesicht stehende Haarsträhne aus dem Gesicht streichen, aber Cleo spuckte sie geradewegs an.

Diese strauchelte vor Überraschung zurück und ließ das kleine Messer klirrend fallen. Valentine nutzte die Chance und holte das Messer vom Boden, ehe Rosalie danach greifen konnte und schnitt die Stricke der beiden Mädchen in einer schnellen Bewegung durch.

Als Cleos Stricke zu Boden fielen, hatten diese tiefe rote Ringe auf ihrer Haut hinterlassen. Sie sahen aus wie Brandwunden und mussten dem Aussehen zu urteilen ziemlich schmerzhaft sein.  Cleo bemerkte Valentines Blicke und schüttelte  bloß den Kopf und rieb mit ihren Fingern über die Wunden. Ein Zischen glitt über ihre Lippen. "Nichts Tragisches. Ich bin das gewöhnt."

Mit diesen Worten rannten Cleo, Valentine und Hayley aus dem Zelt und sahen schon Dämonen über die Menschen herfallen. Sie machten zwar Chaos, aber sie töteten niemanden. Die Dämonen suchten etwas Bestimmtes oder jemand Bestimmtes.

Nun kam auch Rosalie aus dem Zelt gerannt. Ihre Wangen waren gerötet und sie sah scheinbar wütend aus. Dann ergriff sie das Wort in der Menge und schrie über den Platz: "Wir haben euch gebracht, was ihr begehrt. Sagt eurer Herrin, euer Vögelchen hat ihr Versprechen gehalten!"

Tatsächlich! Rosalie hatte sie verraten. Verkauft für etwas, was ihr versprochen wurde. Was war aus der alten Rosalie Wendle geworden? Dem Mädchen, mit dem Valentine quasi zusammen groß geworden war. Dem Mädchen dem er sein Leben in die Hand geben  und blind vertrauen konnte.

"Wie ich schon gesagt habe: Ich habe mich auch geändert", sagte Rosalie, ohne eine Spur Reue in der Stimme. Sie hörte sich einfach nur hohl an. Ohne jegliches Gefühl und Klang. "Warum tust du das?", fragte Valentine erzürnt und versuchte zu dem blonden Mädchen zu gelangen, aber ihm wurde der Weg versperrt.

"Ich tu das, was getan werden muss. Egal was oder wen es kostet, Val. Du würdest für deine Familie alles tun und ich würde alles für das Recht in der Welt tun. Versteh es doch, so ist es einzig und allein recht für alle", versuchte Rose mit eindringlicher Stimme auf ihn einzureden und sah ihn an. Valentine konnte nichts in ihren Augen sehen, was ihn von ihrer Meinung überzeugen konnte.

"Was haben sie dir versprochen Rose, was so wichtig für dich ist, sodass du deine eigenen Leute hintergehst und zum Feind überläufst? Sag's mir Rose, sei ehrlich!", schrie er ihr entgegen, doch nun wurde er von einem Dämon festgehalten. Rosalie sah ihn wieder gleichgültig an.

"Etwas mir sehr kostbares. Du wirst nicht verstehen können, worum es mir geht. Aber das ist es mir  allemal wert." Rosalies Blick war endgültig mit ihrer Entscheidung besiegelt worden. Sie war nicht mehr auf der Seite der Lounge, die für das Gute kämpfte, sondern bei den Bösen.

Im Haus der Schöpfer hatten sie uns oft bei Lektionen einen bestimmten Satz eingetrichtert:

"Kenne deine Feinde so gut wie deine Freunde"

Und sie hatten recht behalten.

Blut des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt