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Ríque schlug die Autotür hinter sich zu, schnallte sich an und fuhr los. Seine Hände umklammerten den Griff seines Lenkers fest.

"Er schien mir ganz nett", sagte ich in die Stille hinein und musste nicht erst Marcels Namen nennen, damit Ríque wusste, wen ich meinte.

"Ja, dass sehen die anderen auch so", knurrte er mit mahlenem Kiefer, was mich schwer seufzend ließ.

"Er scheint dich als Freund zu...", noch ehe ich den Satz beenden konnte, schlug Ríque wütend auf sein Lenkrad.

"Sind wir aber nicht! Ich bin nur freundlich ihm gegenüber, weil er der Freund meiner Freunde ist, aber ich habe ihn nie einen Freund genannt, mit ihm geschrieben oder mich mit ihm getroffen, wie es Freunde tun würden."

Auf meiner Lippe kauend musterte ich meinen Bruder von der Seite. "Vielleicht solltest du ihm eine Chance geben. Dann legt sich vielleicht auch dein Hass", hilflos zuckte ich mit den Schultern, "Ich meine, es muss ja einen Grund haben, dass deine Freunde ihn mögen."

"Denkst du, das habe ich nicht schon versucht? Doch immer wenn es besser wird, überkommt mich wieder dieses Gefühl ihn umzubringen. Du bist genau so, wie Luca, John und Micaél. Ich weiß, dass er nett ist und dass er nichts böses will und so, aber das ändert nun einmal nichts daran, was ich fühle", regte Ríque sich auf und begann sich richtig in Rage zu reden.

"Und ich kann darüber mit denen noch nicht einmal reden, weil ich ganz genau weiß, dass sie es nicht verstehen würden! Weil sie nicht ich sind. Vermutlich würden die drei mir auch noch Vorträge darüber halten, wie toll Marcel doch ist und dass ich das ganze nur falsch auffasse. Und weiß du, was das Schlimme wäre, wenn sie das sagen?!"

Ich antwortete nicht, da ich vermutete, dass Ríque diese Frage eher rethorisch gemeint hatte.

"Sie könnten noch nicht einmal akzeptieren, dass ich Marcel hasse, alles so stehen lassen und einfach Verständnis dafür zeigen, wenn ich mich in seiner Gegenwart einfach etwas distanzierte verhalte. Gott, wenn es um diesen Typen geht fange ich immer an, die Welt zu hassen - mein Leben zu hassen."

Scharf zog ich die Luft ein und legte meine Hand beruhigend auf seine.

"Bitte lass nicht zu, dass ich dich wegen Marcel auch noch im Bad einsperren muss. Einer zehrt schon genug an meinen Nerven", murmelte ich besorgt, da es schon schwer genug war, in Leóndres Zimmer nach Drogenverstecken zu suchen und dort die Hälfte seiner Rationen zu klauen, damit er sich keine Überdosis geben konnte.

"Keine Sorge, ich muss ja noch auf euch alle aufpassen. Wer soll denn sonst verhindern, dass ihr alle entführt werdet", witzelte er mit einem traurigen Lächeln, während er dabei war, die Tränen aus seinen Augen wegzublinzeln.

"Ríque...", begann ich und lächelte ihn tröstend an, "das sind deine Freunde. Und Freunde haben Verständnis und sind für einander da."

"Aber sie sind auch Marcels Freunde!", warf mein Bruder aufgebrachte ein und umgriff das Lenkrad fester, während seine Stimme zu brechen drohte.

"Würdest du sie zwingen sich zwischen ihm und dir zu entscheiden?", hackte ich sanft nach, woraufhin Ríque sofort seinen Kopf schüttelte. "Das wäre nicht fair", krächzte er und es erfüllte mich mit bedauern ihn so zu sehen, während seine Freunde keine Ahnung hatten, wie es ihm wirklich ging.

Ich nickte vielsagend. "Dann werden sie sich auch nicht gegen einen von euch wenden. Du willst, dass sie verstehen, was du fühlst und das werden sie auch. Vermutlich werden John und Micaél weiterhin mit Marcel befreundet sein, genau so, wie mit dir, aber sie werden auch verstehen, was los ist", ich grinste Ríque schelmisch an. "Und Luca wird vermutlich sofort immer an deiner Seite sein und dich aufmuntern, wenn Marcel da ist."

Er lachte leise und verzweifelt auf. "Nur, weil er auf dich steht."

"Er steht auf mich, weil ich ihn nicht leiden kann", kicherte ich, woraufhin Ríques Gesicht sofort zu mir schoss.
"Sag mir nicht, du hast mich meinem Kumpel geflirtet!"

Ich grinste meinen Bruder wissend an. "Sagen wollte ich überhaupt nichts in dieser Richtung."

———————

"Enríque und Marisiérra! Kommt sofort in die Küche!", schrie Papás Stimme, kaum dass wir die Tür hinter uns geschlossen hatten, woraufhin Ríque und ich uns mit großen Augen ansahen.

"Ist es zu spät, jetzt noch abzuhauen?", flüsterte ich panisch, während er mich mit vor Schreck geweiteten Augen ansah.

"Wir wohnen hier", gab Ríque – dieses kleine Genie – zu bedanken, wobei er es auch nicht wagte laute es zu sprechen, als ich es getan hatte.

"Mies", fluchte ich, ehe wir beide langsam Richtung Küche gingen und dort einen, fest in einer dicken Decke eingewickelten Leóndre fanden, der eine leidende Minde verzog, als er uns sah.

"Äh, hey", murmelte ich, einfach, um irgendwas zu sagen, und sah verwirrt zu Ríque, der ebenfalls nicht zu wissen schien, was los war.

"Könntet ihr mir vielleicht erklären, wieso das Innere unseres Kühlschranks", er öffnete diesen, um uns die Leere zu zeigen, die sich darin verbarg, "in der Dusche befindet, während er", Papá zeigte wütend auf Leóndre, "im Kühlschrank geschlafen hat?!"

Mir klappte der Mund auf, bevor ich ihn schnell wieder schloss und einfach sprachlos zwischen dem Kühlschrank und meinem Zwilligsbruder hin uns her sah.

"Als wir weggefahren sind, war er noch nicht darin", versuchte Ríque uns lahm zu rechtfertigen, woraufhin Leóndre seine Stirn auf den Tisch fallen ließ.

"Ich nehme an, ihr wolltet einen neuen Ofen kaufen, nachdem ihr unseren jetzigen geschüttet habt", mutmaßen Mamá, die gerade in dem Moment in die Küche kam und im Gegensatz zu Papá die Ruhe in Person zu sein schien.

"Eigentlich war ich das gar nicht", erklärte ich achselzuckend, woraufhin Ríque mich wütend ansah.

"Snitch", murmelte er, während ich ihn nur entschuldigend anlächelte, als mich Papás erhobene Stimme plötzlich aufschrecken ließ. "Hiergeblieben, Maleóndre!"

Mein Zwilling verzog missmutig sein Gesicht, während er sich wieder an seinen Platz setzte, da er sich einfach aus dem Staub hatte machen wollen.

Dieser Schlingel.

"Wieso muss ich eigentlich hier sein?", hackte ich verwirrt nach, als mir auffiel, dass ich doch hier die gute Tochter war.
"Ich habe weder im Kühlschrank gepennt, noch den Ofen abgebrannt."

Papá seufzte gestresst aus und nickte mir zu, als Zeichen, dass ich aus dem Schneider war, während Mamá stolz grinste. "Wenigstens weiß eine von ihnen, wie man seine Spuren richtig verwischt."

Auch auf meinen Lippen begann sich ein breites Lächeln auszubreiten.

With just you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt