Kapitel 3: Ein Knacks in der Schale

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Müde schlurfte Yoongi in Richtung des Musikraumes. Zwischen seinen Fingern baumelte der zugehörige Schlüssel, dem ihn die Universität unter strengen Auflagen anvertraut hatte. Der Nachmittag war schon eingeleitet und die stressigen Vorlesungen hatten seinen Kopf mit allerlei Sachen zugedröhnt. Nur mit Musik und produktiver Arbeit konnte er diesen vielleicht noch frei bekommen.

Verwundert drückte er die Klinke zum Zimmer auf. Anscheinend war jemand bereits hier gewesen. Er tappte zum Klavier herüber und legte die Schlüssel auf das kleine Tischchen daneben. Ein wenig verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen, als er auf die Klappe blickte, die die Tasten vor Staub und allerlei anderen Schäden schützte.

Mit spitzen Fingern griff er nach dem ihm allzu bekannten USB-Stick. „Hatte ich nicht..." Ihm fiel der weiße Zettel auf, der wohl zu Boden gefallen war. Er kniete sich hin, um nach diesem zu greifen. „Nochmal Dankeschön, aber ich werde mir etwas anderes suchen", las er leise vor. Seufzend stand er wieder auf und kratzte sich unschlüssig am Nacken.

„Ich denke, ich habe überreagiert." Zu dem Schluss war er auch schon am Vortag gekommen. Selten hatte er sich so schlecht gefühlt wie in dem Moment, als er sah wie die warmen Augen anfingen, gefährlich zu glänzen und neugierige Funkeln darin erstarb.

„Ich sollte mich entschuldigen." Aber sollen und wollen waren zwei komplett unterschiedliche Dinge. Obwohl... er konnte auch nicht sagen, dass er nicht wollte, bloß ihm lagen Entschuldigungen überhaupt nicht. Die Worte blieben meistens in seinem Hals stecken und oft sah es so aus, als würde es ihm nicht im Geringsten interessieren, auch wenn sein Innerstes ein ganz anderes Bild zeigte.

Unsicher starrte er auf den USB-Stick und dann zur Tür. „Wie soll ich ihn überhaupt finden?", schoss es ihm durch den Kopf. Wäre es nicht nur unnötig aufwendig? Er könnte einfach auch Gras über die Sache wachsen lassen... Schließlich müsste er ihn nie wieder sehen, wogegen er nicht grundsätzlich etwas dagegen hatte. Schnell schüttelte er den Kopf. „Nein. Du willst es dir schon wieder einfach machen, Min Yoongi."

Er atmete tief durch, als er spürte, dass seine Finger anfingen zu zittern. „Du musst das durchziehen und du kannst auch nichts dran ändern, wenn er sauer auf dich ist", redete er innerlich auf sich selbst ein, „Das ist vollkommen okay. Du bist dadurch keine schlechte Person."

Aber war er nicht genau das? Eine schlechte Person. Wenn er genervt war, konnte er sehr gemeine Dinge sagen und für diesen Jimin mussten sie brutal gewirkt haben. Seufzend ließ er die Schultern hängen. „Jedes Mal, wenn du den Mund öffnest, kommt nur Mist heraus." Ein Grund mehr, warum er es vorzog zu schweigen. Ihn ließen die meisten Leute in Ruhe und er gab sich genauso wenig mit ihnen ab. Er war zufrieden mit seinem Schattendasein... selbst wenn es manchmal etwas einsam sein konnte.

Ziemlich planlos ließ er sich auf dem Hocker vor dem Klavier nieder. Vorsichtig hob er die Klappe von den Tasten. Normalerweise würde es keine zwei Minuten dauern und die Inspiration würde ihn wie im Sturm packen, doch in seinem Kopf herrschte eine gähnende Leere.

Für eine Weile starrte er das Klavier stumm an, bevor er nach seinem Handy griff. Sein Daumen kreiste über dem Chat mit dem Jungen, welchen er insoweit als seinen besten Freund betitelte. Eigentlich hatten sie sich bisher noch nie persönlich getroffen, doch sie verstanden einander. Wenn er es hochrechnete, gab es auch nur zwei Leute in seinem Leben, die er überhaupt als Freunde bezeichnen würde.

„Ich kann ihn damit nicht auch noch belasten", murmelte er. Der Junge – oder auch Jungkook – war gerade dabei, sein Leben wieder halbwegs in den Begriff zu bekommen. Soweit Yoongi wusste, hatte seine Universität ihm wohl auch jemanden zur Seite gestellt. Zumindest sagten sie es so, aber Jungkook meinte, es war weder ein Wunsch von ihm noch von dem anderen. Bei ihrem letzten Gespräch schien er so gestresst und unsicher, da er nicht wusste, ob er dem Jungen Vertrauen schenken konnte. Yoongi hatte versucht ihn aufzubauen. Doch er konnte gut Reden haben. Er stieß jeden von sich weg, der ihm auch nur ein Stück zu nah kam.

Da Capo al Fine - Yoonmin (Sidestory zu Perfectly Imperfect)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt