Kapitel 11: Rette mein Herz

90 8 1
                                    

Seit einer Woche hatte er Yoongi nun nicht mehr gesehen. Es war schon ein komisches Gefühl. Mittlerweile kam er fast tagtäglich bei ihm vorbei. Eigentlich war der Musikraum für jeden frei zugänglich. Trotzdem fühlte es sich an wie ihr kleiner gemeinsamer Unterschlupf, in dem sie ihre Leidenschaft miteinander teilen konnten.

Jetzt fühlte sich Jimin irgendwie so inkomplett... Seine Motivation siechte dahin. Dabei müsste er stetig für weiter auf den Wettbewerb hintrainieren. Jedoch plagten ihn weiter diese nie enden wollenden Sorgen. Er hatte kaum ein Wort von Yoongi gehört. Nicht einmal über Telefon.

Ja. Tatsächlich hatten sie es endlich mal auf die Reihe bekommen, ihre Nummern miteinander auszutauschen. Wahrscheinlich war es schon längst überfällig gewesen. Doch wenn man sich fast jeden Tag sah, erschien die Notwendigkeit wohl nicht so groß.

Jimin musste zugeben, dass er die langen abendlichen Telefonate liebte, auch wenn sie nur alle paar Tage stattfanden. Vor allem am Wochenende nutzte er eher noch die Chance dazu. Schließlich musste er sonst bis zum Montag warten, damit er wieder Yoongis Stimme zu hören bekam. Seine fehlende Anwesenheit setzte ihn so ziemlich auf Entzug. Als hätte man den Schalter für seine Glücksgefühle einfach umgelegt.

Selbst Namjoon konnte ihm nichts Genaueres sagen, obwohl dieser wohl noch eine Vermutung zu haben schien, was mit Yoongi sein könnte. Zuerst konnte Jimin ihm keine Informationen herauslocken, bis er dann nach einigem Drängen nachgab. Immerhin kannte Jimin Yoongi schon für eine ganze Weile.

„Haus 3, 5.... 9", murmelte Jimin vor sich her, während er schnellen Schrittes an den verschiedenen Bauten vorbeiging. Zugegebenermaßen war die Umgebung nicht sonderlich schön. Ziemlich gräulich und vielleicht sogar ein wenig heruntergekommen. Es wunderte ihn nicht... Ihm tat nur Yoongi leid, der sich vollkommen allein durch sein Leben kämpfen musste.

„Da ist es", sagte er zu sich selbst. Ein trostloser grauer Block, dessen Eingangstür schon so aussah, als würde sie bald einfallen. Nur die einzelnen Fensterdekorationen verrieten ihm, dass dort wahrscheinlich auch Familien lebten.

Ein Gefühl der Scham übermannte ihn. Er wusste, er würde nichts an dem Unglück seiner Mitmenschen ändern können, trotzdem fühlte er sich schlecht, dass es ihm vergönnt war mit einem silbernen Löffel im Mund aufgewachsen zu sein. Ihm war viel Leid erspart geblieben und er konnte wohl ewig dankbar dafür sein.

Mit spitzen Fingern drückte er die Tür auf, die mehr in den Angeln hing, als dass sie einem jeglichen Schutz diente. Im Eingangsbereich wurde er von einem kümmerlichen Kinderwagen und zwei rostigen Fahrrädern begrüßt. Ein saurer Gestank stieg ihm in die Nase und er musste sich ein Würgen unterdrücken.

Schnell eilte er die Treppen nach oben. Das Geländer traute er sich gar nicht anzufassen, so beschmiert wie dieses aussah. Dank Namjoons ausführlicher Beschreibung konnte er letztendlich auch seinen Zielort ausfindig machen. An den Türen standen leider keine Namen.

Zögerlich hob er die Hand und betätigte die Klingel. Ein lautes Surren klang dumpf aus dem Inneren der Wohnung. Für eine Weile wartete er stumm vor der Tür. Es schien sich jedoch nichts zu regen. Ein erneutes Klingeln... Wieder nichts.

Jimin klopfte an die Tür und sagte mit erhobener Stimme: „Ich bin es Yoongi... Bitte lass mich rein." Unruhig tippte er mit der Schuhspitze auf dem Boden. Seine Gedanken waren so wirr... Er wollte ihn einfach sehen. Wissen wie es ihm ging. „Nun mach schon", murmelte er zu sich selber.

Er zuckte zusammen, als der Lautsprecher seines Handys das Intro seiner Lieblingsserie durch den Flur plärrte. „Hallo?" Ein leises Rascheln, dann die raue tiefe Stimme, die er die letzten Tage so schmerzlich vermisst hatte. „Da ist ein Schlüssel unter der Fußmatte..."

Da Capo al Fine - Yoonmin (Sidestory zu Perfectly Imperfect)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt