Kapitel 9: Meine Muse

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Leise Töne einer sanften Melodie klangen durch den kleinen Raum. Es steckte ein Stück Verträumtheit in den klaren Noten. Der Spieler fokussierte sich auch gar nicht auf sein eigenes Werk. Stattdessen galt seine ganze Aufmerksamkeit der Gestalt am Fenster, während seine Finger die warmen Gedanken in eine Symphonie der Emotionen verwandelte.

Yoongi konnte seinen Blick nicht so recht von dem Jungen abwenden. Sonnenstrahlen fielen auf sein Gesicht und legten einen zarten Glanz darauf. Neugierige Augen hefteten auf den Dingen, die außerhalb dieses Raumes passierten. Er fragte sich ein wenig, welche Geschichten er sich in seinem Kopf zusammenspannte.

Jimin wandte seinen Blick von der Außenwelt ab und sah direkt zu ihm. Ein liebliches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Yoongi mochte es wie sich gleichzeitig dieses Funkeln in seine dunklen Iriden schlich. Jede kleinste Gefühlsregung konnte er anhand seines Ausdrucks ablesen und das machte seinen Charme aus... Es zeigte seine Ehrlichkeit.

„Yoongi... Du starrst", sagte Jimin ruhig. Ein belustigter Unterton lag in seiner Stimme. Das klare Klavierspiel verstummte. Der Jüngere bereute es schon fast, seinen Mund geöffnet zu haben. „Tue ich nicht", erwiderte Yoongi monoton, drehte den Kopf jedoch zu keiner Sekunde weg. „Überhaupt nicht", meinte Jimin und trat näher zu dem Flügel. Mit einem leichten Schmunzeln stützte er sich mit dem Ellenbogen auf dem geschlossenen Deckel ab.

„Woher die plötzliche Inspiration?", fragte er schließlich. Yoongi zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Es gibt bei mir nur die zwei Extreme. Ideen oder komplette Leere." Er würde es sicherlich nicht laut aussprechen, dass er der Auslöser für seinen neu erweckten Geist war.

Letztlich musste er doch den Kopf abwenden, da er spürte wie seine Wangen sich erwärmten. Er wusste noch nicht so recht mit all diesen neuen Gefühlen umzugehen. Für eine lange Zeit hatte er versucht, solchen Empfindungen zu entfliehen. Das Scheitern seiner ersten wirklichen Beziehung hatte ihn geprägt, doch auch die Jahre darauf taten nichts dafür, seinen Verstand zu stärken.

Er dachte, es sei ihm nicht erlaubt zu lieben. Wer konnte auch mehr in einer gebrochenen Person wie ihn sehen? Viel zu oft quälte er sich mit den Gedanken, dass er keinen Partner an seiner Seite verdiente. Aber er wusste auch, dass er es keinen antun wollte. Seine Probleme... sein Leid. All das hatte ihn geformt.

Er hatte Angst, dass sich jemand seinen Schmerz zu eigen macht. Seine Augen wanderten wieder zu Jimin, dessen Blick noch immer auf ihm fixiert war. Er wollte nicht, dass sich jemand so sehr in ihn hineinversetzen würde und selbst daran zugrunde geht. Das war etwas, was er allein tragen musste. Doch manchmal wünschte er sich jemanden, auf den er sich stützen konnte. Es war ermüdend so alleine zu sein.

„Yoongi..." Zarte Finger berührten seine Wange und hielten heiße Wasserperlen davon ab, dass blasse Gesicht zu benässen. „Wieso weinst du?" Yoongi zuckte nur mit den Schultern. „Es ist nicht so wichtig." Schließlich wollte er gar nicht weinen. Er hatte nicht einmal bemerkt wie sich die ersten Tropfen aus seinem Augenwinkel gelöst hatten.

„Es ist wichtig, wenn es eine solche Reaktion bei der auslöst." Eine weitere Hand fuhr beruhigend durch sein Haar. „Natürlich ist es vollkommen in Ordnung, wenn du es mir nicht sagen willst", fügte er leise hinzu. Seine Augen sagten ihm jedoch: Bitte vertrau dich mir an. Yoongi schluckte leicht. „Das Lied..." Er entließ zittrig die Luft. „Es ist für dich."

„Für mich?", betonte Jimin langsam und blinzelte verwirrt, „Ich dachte es ist dein Projekt für die Uni." Yoongi sah nur stumm zu ihm hinauf. Mehr würde er nicht sagen... mehr konnte er nicht sagen. Die Worte waren noch zu fremd auf seinen Lippen. Er war noch nicht bereit dazu, doch er wollte Jimin zu verstehen geben, dass er mit seinen Gefühlen nicht alleine war.

Da Capo al Fine - Yoonmin (Sidestory zu Perfectly Imperfect)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt