Kapitel 21: Ruhe

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Alles was an jenem Abend noch passierte, nahm ich nur noch wie im Drogenrausch wahr. Schier jedes Geräusch war mir so unglaublich fern, alles verschwommen und wie in einer Parallelwelt, sodass ich mich ganz auf meine Gedanken konzentrieren konnte. Diese schossen wie Rennautos durch meinen Schädel und verursachten Kopfschmerzen.

Alles woran ich mich erinnern konnte war, dass irgendjemand mich in mein Zimmer getragen und zugedeckt hatte. Violet musste mit mir gesprochen haben, kurz bevor mein Kopf abschaltete. Sie war die Erste, die zunächst lachend, danach blutüberströmt vor meinem inneren Auge auftauchte, gefolgt von Irene und ihrer Mutter.
Auch Chay und die anderen zeigten sich mal tot, mal lebendig und manchmal nur im Hintergrund von der Diashow, die durch meinen Kopf zischte.

Ich konnte nicht einschätzen, wie lange ich benommen und in Trance auf meinem Bett gehockt hatte, aber als ich wieder zu mir kam war ich alleine. Verwirrt schaute ich mich um, als wäre ich aus einem schlechten Traum erwacht un alles wäre in bester Ordnung. Bloß ein kleiner Stich in meiner Brust verriet mir, dass es nicht so war.
Es war kurios, wie niemand neben mir saß, meine Hand hielt und sagte, es würden bald wieder bessere Zeiten kommen. Sie mussten selbst keine Kraft mehr dafür besitzen.

Ich nahm mir ein paar Minuten, um mich zu ordnen und die Panik runterzuschlucken. Es war nicht mehr zu leugnen, dass jemand böses und gefährliches durch die Korridore schlich und sich womöglich bald ein neues Opfer holte. Die Polizei mochte im Dunkeln tappen, doch ich würde dafür sorgen, dass der oder die Verantwortliche bezahlte. Ich wusste nicht, wie ich diese Person schnappen sollte, aber ich würde es herausfinden.

Mit diesen Gedanken trat ich in den Flur, auf dem die blanke Panik ausgebrochen war.
Schülerinnen packten hastig ihre Koffer, hielten sich zitternd an den Händen oder versuchten sich gegenseitig zu beruhigen. Es wurde dabei eher wenig geredet und ich hörte fast ausschließlich nur die Schritte auf dem alten Dielenboden.

Ich schummelte mich an ihnen vorbei, bis ins Treppenhaus und hinunter in die Eingangshalle. Überrascht stellte ich fest, dass draußen diverse Taxis, normale Autos und sogar drei Busse parkten. Anscheinend wurde das gesamte Internat geräumt.
Madeleine stand an der Tür und redete mit den McArthurs, die ziemlich aufgelöst wirkten.

Ein Blick in den Speisesaal, in dem viele Schüler*innen bereits saßen und mit gepackten Koffern und Taschen auf ihre Abholung warteten, verriet mir die Ausmaße dieses zweiten Todesfalls. Polizisten soweit das Auge reichte, Sanitäter und Seelsorger, die durch die Menge gingen.
Erfreut sah ich Corinne und Alexy zusammen in einer Ecke sitzen, die sich mit einer Frau mittleren Alters unterhielten. Ich kannte sie nicht, ging aber davon aus, dass sie sie seelisch betreute. Wenn ich Recht hatte, und die beiden die Leiche gefunden hatten, musste sie das schwer belasten. Ich ging zu ihnen.

Corinnes Gesicht hellte sich auf, als sie mich sah und mich sofort in ihre Arme zog. Sie zitterte leicht, ihre Stimme wirkt aber stabil, als sie mit mir redete.
"Es ist schrecklich, Cap. Wir haben sie gefunden, da im Treppenhaus. Sie sah so traurig aus....". Corinne atmete schwer, weinte aber nicht. Sie ließ mich los und versuchte in meinem Gesichtsausdruck eine Art von Trauma wiederzufinden. Entweder die anderen hatten ihr erzählt, was passiert war, oder sie ging nach dem letzten Leichenfund davon aus, dass ich mitgenommen sein musste.
"Mir geht es gut. Hauptsache ihr kommt klar", meinte ich zu ihr und schaute zu Alexy, der den Kopf gesenkt hatte und sich nicht bewegte.
"Bei mir ist alles in Ordnung. Ich hatte einen ziemlichen Schock, aber die Polizeipsychologen leisten einen guten Job", sie machte eine Pause, "aber ich mache mir Sorgen um Alexy. Er hat nicht mehr geredet seitdem und weint nur noch. Keiner dringt zu ihm durch. Kenan und Alfie waren vorhin hier, konnte aber auch nichts erreichen". Ich wusste, dass sie damit andeuten wollte, ich solle es versuchen und für ihn da sein. Obwohl ich das ohnehin vor gehabt hatte, sah ich Alexy an, dass er gebrochen und kaputt war. Nichtmal ich könnte das binnen eines Abends wieder geradebiegen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 26, 2023 ⏰

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