Kapitel 16: Beerdigung

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Es war Donnerstag, es war Abend und es herrschte absolute Langeweile. Der blöde Mondschein hatte es die letzte halbe Stunde auch nicht geschafft meine Stimmung zu heben, als ich mit Corinne auf dem Boden ihres Zimmers hockte und einen Deutschvortrag zuende schrieb. Wir brauchten super lange um auch nur ein Thema anzukratzen und ich musste traurig zugeben, dass das meine Schuld war. Esme und ich waren morgen vom Unterricht entschuldigt, damit wir zu Irenes Beerdigung gehen konnten und es fühlte sich wirklich beschissen an. Corinne hatte mich seit wir hier zusammensaßen versucht aufzumuntern und ich war ihr sehr dankbar dafür, aber die Gedanken in meinem Kopf schwirrten in einem höllen Chaos durcheinander. Ich hatte ein schlechtes Gewissen eine Mitschülerin unter die Erde zu bringen, die ich eigentlich kaum gekannt hatte, während ihr Familie am Trauern war.
Schon am Morgen hatten Chay und Violet Esme und mir ein paar Kleider rausgelegt, weil sich kaum schwarze Klamotten in unserem Schrank befanden. Sie hatten darauf bestanden, dass wir nicht mit einer spartanischen Notlösung dort aufliefen, doch mir gefiel die ganze Sache ohnehin nicht. Es war ein schlechtes Gefühl, das sich in mir ausgebreitet hatte seit Mrs. Woodbury uns gebeten hatte ihre Tochter mitzubestatten. Wenn ich nicht die Gelegenheit verpassen würde sie ein wenig zu befragen, auch wenn ich noch nicht ganz wusste wie ich das diskret und sensibel genug tun würde, dann hätte ich vermutlich abgesagt. Auf der anderen Seite tat mir unsere arme ehemalige Deutschlehrerin leid und ich würde mich den Rest meines Lebens dafür schlagen, sollte ich nicht an diesem Tag an ihrer Seite sein.
"Cap? Du weißt, dass ich das jetzt sehr ungerne sage, aber dein Satz ergibt in keiner grammatikalischen Hinsicht irgendeinen Sinn". Corinnes Vorwurf holte mich aus meinen Gedanken und ich starrte hinab auf mein eher bekritzeltes als beschriebenes Blatt. Sie hatte Recht. Ich wusste nichtmal selbst, was ich mit diesem Wirrwarr aussagen wollte.
"Tut mir leid", presste ich nur heraus und lehnte mich seufzend gegen die Bettkante hinter mir.
"Irgendwie lustig....sonst bist du die Musterschülerin in Deutsch und jetzt verbessere ich dich", lachte Corinne und ich war perplex von ihrer Energie nach so vielen Stunden schreiben.
"Wie kannst du noch so glücklich sein? Wenn wir diesen Mist nicht morgen brauchen würden, dann hätte ich den schon längst gegen die Wand geschmissen. Ach was sage ich...wenn ich keine Partnerarbeit mit dir machen müsste und nur ich alleine eine schlechte Note einheimsen würde, dann hätte ich das auch schon an die Wand geschmissen". Ich bedeckte mein Gesicht mit keinen Händen.
"Das ist lieb von dir, dass du dich so wegen mir quälst. Sowas Blödes aber auch, dass wir Deutsch erst nachmittags haben, sonst wärst du ja gar nicht da", sagte Corinne.
"Vielleicht können wir uns ja unseren Weg aus der Sache rausflirten?", meinte ich spaßeshalber und mit einem Kopfschütteln, als ich meine letzte Begegnung mit Mr. Walsh erneut abspielte. Nein, es war nicht diese im Klassenzimmer gewesen, als Corinne ihn nach "Nachhilfe" fragte....

Es war genau vor 23 Stunden passiert, als ich alleine einen Abstecher zur Küche unten im Erdgeschoss gemacht hatte. Ich wollte Margarete, unser Schulköchin und Seelenklemptnerin, nach ein paar Snacks für Samstag fragen. Wer auch immer dieses sinnlose Spiel gewinnen würde, Violet bräuchte entweder etwas zum feiern oder zum Frust abbauen und ich wusste, dass Essen immer die beste Lösung in beiden Fälle war.
Sie war wie immer furchtbar nett gewesen und hatte mir heimlich, schließlich war es eigentlich nicht erlaubt Essen mit auf das Zimmer zu nehmen, mitgegeben, welches ich in meinem Rucksack verstaute. Blöderweise war ich kurz darauf eben in Mr. Walsh reingelaufen, als ich um die Ecke in Richtung Treppenhaus bog. Ich wusste nicht, was er dort unten zu suchen hatte oder warum er so empört stehen geblieben war, als er mich erkannt hatte, aber ich wünschte durchaus, dass ich ihm nicht über den Weg gelaufen wäre.
"Sie haben mich erschreckt Ms. Middleton. Was haben Sie hier unten zu suchen?", fragte er ernst als er mich von oben bis unten begutachtet. Mein Gefühl sagte mir, dass ich mich unwohl fühlen sollte, obwohl der Lehrer mit Ende Zwanzig doch ziemlich gut aussah. Corinne hätte sich bestimmt gefreut, hätte er sie so angestarrt.
"Ich habe nur die Köchin besucht. Wir reden manchmal miteinander", log ich und wich seinem durchdringenden Blicken aus.
"Sind sie sicher? Dafür kommt man doch nicht einfach den langen Weg nach hier unten...", meinte er und kam etwas näher. Ich ging einen Schritt zurück und riss mich zusammen, damit ich ihm ernst in die Augen schauen konnte.
"Dieser lange Weg ist auch nur eine Treppe, Sir. Ich weiß nicht wie sie das machen, aber ich kann mich auch zehn Meter bewegen um mit meinen Freunden zu reden". Im selben Moment hätte ich mir lieber auf die Zunge gebissen, denn ich wusste, dass ich frech wurde. Warum stellte er auch so unwichtige und dumme Fragen?
"Sie scheinen ziemlich einsam zu sein, wenn sie mit einer Schulköchin befreundet sind", sagte er und lachte, als er noch näher kam und mich dazu zwang, bis an die Wand zurückzugehen.
"Nicht wirklich. Ich weiß nur, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht", sagte ich kalt, als er grinste.
"Essen mit nach oben zu nehmen ist verboten Ms. Middleton. Ihr reicher Vater sorgt wahrscheinlich dafür, dass das Brechen der Schulregeln für sie keine Auswirkungen hat, aber die gute Dame aus der Küche würde bestimmt Ärger bekommen, weißt du". Sein Stimme klang in meinen Ohren plötzlich so widerlich, als gehörte sie zu einer Art Filmbösewicht. Es jagte mir auf eine negative Weise einen Schauer über den Rücken, als er seine Hand auf meine Schulter legte. Er duzte mich auf einmal...
"Vielleicht können wir uns einigen?", fragte er und nahm eine meiner Strähnen zwischen seine Finger. Ich hatte Probleme damit einen Würgereiz zu unterdrücken.
"Sicher....", erwiderte ich und steckte im so schnell es eben möglich war 20€ in die Jacketttasche.
"Tut mir sehr leid, Sir. Kommt nicht wieder vor. Wir sehen uns im Unterricht", sagte ich noch schnell und machte mich aus dem Staub, bevor er etwas änderes hätte erwidern können.

~Rich and dead~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt