Kapitel 9: Aufgehangen

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Es wurde bereits dunkel. Herkules und ich hatten uns ein wenig von der Gruppe entfernt, obwohl ich immer ein Auge auf die Anderen hatte, und waren auf einer leeren Koppel ein paar Runden galoppiert. Es befriedigte ihn nicht, aber heute würde das wohl auch nicht mehr passieren. Es war nur eine Frage von Minuten, bis Daniel kommen und uns Bescheid sagen würde, dass Zeit zum Aufhören war. Weder mein Pferd noch ich waren müde oder ausgelastet, doch das hatte ich vom ersten Tag mit wenig Reitlehrern auch nicht erwartet.
"Caprice?". In meinen Gedanken verloren hatte ich Alexy nicht bemerkt, der neben mir aufgetaucht war. Es hatte sich herausgestellt, dass Alexy nicht gelogen hatte. Er war nicht unsicher mit dem Pferd, so wie er es mich hatte glauben lassen, doch er war auch nicht sonderlich gut. Viel mehr als langsames Traben hatte ich ihm nicht zumuten wollen, obwohl Donna auch nicht zu mehr in der Lage gewesen wäre. Die Stute schlief schon bei kurzen Pausen sofort ein und ließ sich nur schwer ermutigen. "Du müsstest streng genommen bei den Anderen sein", sagte ich misstrauisch und gab Herkules an zum Gatter zu gehen. Alexy ritt neben mir, so gut man es eben 'Reiten' nennen konnte und begann wieder zu sprechen. "Du warst so lange weg. Ich hatte Angst du wärst einfach mit dem Pferd durchgebrannt anstatt mich mitzunehmen". Da kam Alexys innerer Kenan leicht durch, doch ich ignorierte diesen. "Tut mir leid, dass ich ein bisschen mehr Action wollte als den Kindergarten dort drüben". Ich deutete auf den Reitplatz, wo alle mittlerweile von ihren Pferden abstiegen. Es war wohl wirklich für heute zu Ende. "Wenn du mir nur Bescheid gesagt hättest", meinte Alexy, der ziemlich gut so hoch zu Ross aussah, vor allem wenn er mir nicht vorspielte unwissend zu sein. "Tut mir wirklich leid. Ich dachte, du könntest nicht reiten". Ich konnte spüren wie er seine Augen verdrehte. Wir kamen allerdings nicht dazu, unsere Unterhaltung weiterzuführen, denn Daniel kam auf uns zu. "Caprice? Bitte hilf den Übrigen ihre Pferde in die Boxen zu bringen". Sein Blick wanderte zu Alexy, nachdem ich ihm bestätigend zugenickt hatte. "Ich brauche einen starken jungen Mann für die restlichen Pferde, die noch auf der Koppel sind. Wenn Caprice Donna absattelt, könnten sie mich begleiten Mr. Lychester?" Alexy erstarrte bei dieser Frage, während ich mich nur wunderte, woher Daniel Alexys Namen kannte. "Na-Natürlich Sir", sagte Alexy schließlich, stieg von Donna ab und drückte mir ihre Zügel in die Hand. "Sehr schön. Dann kommen sie mal. Es sind auch nicht viele". Hinaus gingen sie in die Dunkelheit, nur bewaffnet mit einigen Stricken. Ich wusste ganz genau, warum Daniel Alexy gefragt hatte ihm zu helfen. Er wollte ihn testen, sehen, wie er sich macht, so an der Seite seiner besten Schülerin. Hoffentlich dachte Daniel nichts falsches von uns.
Ich widmete mich nun aber anderen Dingen, wie die übrigen Mitglieder meiner Gruppe zusammenzutrommeln und die Pferde abzusattlten, was länger dauerte als geplant. Ms. McArthur war nicht wirklich eine Hilfe, als sie ein jüngeres Mädchen zu weinen brachte, da diese Probleme mit ihrem Pferd hatte und deswegen länger brauchte, was der alten Schachtel nicht in den Kram passte. Mr. West schien nicht wirklich bei der Sache, lehnte an der Stalltür und sah das Chaos nur mit an, was mir uncharaktertypisch für ihn vorkam. Sonst war er sehr gesprächig und drehte jedem der vorbeikam eine seiner Geschichten an, doch jetzt wirkte er eher zurückhaltend. Alexy und Daniel brauchten auch länger als ich angenommen hatte, was in mir ein mulmiges Gefühl auslöste. Der Abend war generell auf einmal viel bewölkter als zuvor und ich meinte damit nicht nur den Abendhimmel. Das schöne Gefühl, welches ich soeben noch verspürt hatte, als ich das erste Mal wieder auf Herkules reiten durfte, war wie verschwunden und ich fühlte mich unwohl. Es war auch merkwürdig neutral, wenn man die Temperatur beachtete. Nicht kalt, nicht warm, nichtmal Wind war zu spüren.
Endlich tauchten Alexy und Daniel auf, vier Pferde im Schlepptau und angeregt plaudernd. Ms. McArthur änderte ihren wütenden Gesichtsausdruck zu einem 'Ich bin so süß und so lieb, also heirate mich'-Blick.
"Ahhh. Daniel. Sie bringen meinen vermissten Schüler. Dann können wir ja endlich aufbrechen. Nicht, dass ich das so dringend tun wollen würde, aber die Kinder müssen leider ins Bett". Ich konnte das genervte Stönen aller so deutlich hören, dass ich mich fragte, ob Ms. McArthur es einfach ignorierte oder mittlerweile so schwerhörig war, dass sie nichtmal das mitbekam. Vor allem mussten alle noch essen, und das viel später als der Rest der Schülerschaft, wofür Ms. McArthur die Köche extra bezahlte, nur damit sie Daniel länger sehen konnte. "Sicher. Sie sollten schnell zurückfahren". Mr. West bewegte sich nach ewig langer Zeit auch mal wieder und begleitete die Schüler zurück zum Bus. Alexy und ich folgten Daniel. Sechs Pferde mussten noch in ihren Boxen verstaut werden. Ms. McArthur folgte uns leider auch, doch wagte es nicht ein Wort zu sagen, als sie in einem riesigen Sicherheitsabstand hinter uns herschlurfte. "Euch beide erwarte ich die Tage nochmals. Herkules braucht richtige Bewegung, nicht die, die ich ihm im Rahmen des Unterrichts bieten kann. Alexy. Von dir erwarte ich, dass du die verschwendete Zeit nachholst und erneut reiten lernst. Caprice kann dir sicher einiges beibringen". Daniel nannte Alexy also nun bei seinem Vornamen. Sie hatten wohl ein erfolgreiches Gespräch gehabt, ansonsten würde Daniel nicht so mit ihm reden. Ich warf Alexy neben mit einen vielsagenden Blick zu und dieser schien nicht sicher, ob er ängstlich oder stolz sein sollte. "Wenn ihr Zeit habt könnt ihr euch Herkules und Donna jederzeit ausleihen. Ich finde es sehr angenehm, dass auf meinem Hof endlich mal ein paar männliche Wesen zu finden sind". Ich gab ihm im Stillen Recht, denn manchmal konnte zu vielen Mädchen sehr anstrengend sein. Ein wenig Abwechselung konnte nicht schaden, auch wenn ich vor einer Woche noch ganz anderer Meinung gewesen war. So schnell es eben ging, brachten wir die Pferde in ihren Stall, bis ich mich für den heutigen Tag von Herkules verabschieden musste. Mich nervte Ms. McArthurs Fußstapfen, als sie neben mir stand und nicht nachvollziehen konnte, wieso ich so lange brauchte einen 'Gaul' zu verabschieden. Ich schmiegte mich an ihn und hielt ihm dann ein paar Leckerlies vor die Schnauze, die er dankend annahm. Ein letzter Kuss auf das Näschen und ich musste Wohl oder Übel gehen. Herkules wieherte, was seine Art war Tschüss zu sagen und wir verließen den Stall.

~Rich and dead~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt