Kapitel 7: Unordnung

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Eine Woche war vergangen. Es war ein Wunder, dass ich so lange überlebt hatte, doch zu meiner Überraschung bekam ich gar nicht so viel von den Veränderungen dieses Jahres mit, denn unsere Lehrer hatten uns bereits mit Lernstoff und Aufgaben überladen, sodass meine Nachmittage alle gleich aussahen.

Ich saß in der Bibliothek, da Irene meist in unserem Zimmer ein Chaos veranstaltete und steckte meine Nase in ein Buch nach dem anderen. Normalerweise war Esme die 'Schlaue' unter uns, doch auch ich war eigentlich ziemlich gut in der Schule und besaß den Ergeiz meiner Mutter.

In den letzten Tagen hatte ich meine Freundinnen kaum gesehen. Unsere Stundenpläne waren so unterschiedlich, dass wir meistens nur abends Zeit hatte uns zu treffen, beim Essen oder einfach in Vios und Corinnes Zimmer. Esme hatte ihren Schwerpunkt auf Sprachen gelegt, während ich eher in die naturwissenschaftliche Schiene gerutscht war. Violet und Corinne waren in der vergangenen Woche zusammengewachsen und verbrachten fast jede Minute miteinander. Obwohl es sehr ignorant war, fühlte ich mich leicht niedergeschlagen deswegen. Alexy und ich hatten uns ziemlich gut angefreundet, da auch er häufig in die Bibliothek kam. Wir lernten zusammen und redeten viel. Auch jetzt saß er gerade neben mir und erklärte irgendwas Chemisches, doch ich hörte ihm kaum zu. In zwei Stunden würde ich endlich Herkules wiedersehen und mein Herz machte vor Freunde einen Sprung, alleine bei dem Gedanken an ihn.
Herkules war mein Seelenverwandter und bessere Hälfte. Ein Lipizzaner auf dem naheliegenden Gestüht, welches wir einmal in der Woche nachmittags besuchten. Mein Nachmittagsangebot, jeden Montag von 17:00Uhr bis 19:00Uhr. Weder Esme, Violet, noch Corinne hatten mit Pferden viel am Hut, weshalb ich in der Hinsicht auf mich alleine gestellt war, doch solange ich Herkules reiten durfte, war das für mich kein Problem.

"Hörst du mir überhaupt zu, Cap?", fragte nun Alexy, der bemerkte, dass ich in Gedanken war. "Klar. Irgendwas über Chromatographie. Was hast du heute Nachmittag eigentlich für ein Angebot?" Ich ärgerte mich, als ich etwas zu interessiert klang, doch Alexys Wangen färbten sich leicht rosa bei der Frage, was ich zugegeben ziemlich niedlich fand. "Ich bin nicht wirklich der Typ für Ballsportarten so wie mein Bruder. Kenan und Alfie sind der Fußballmannschaft beigetreten, die seit neustem aus Mädchen und Jungen besteht. Chay liebt alles was mit Wasser zu tun hat und ich bleibe meistens unentschlossen zurück". Er kratzte sich am Hinterkopf und sah in sein Buch. Noch nie hatte einer so viel gesagt und mir dabei trotzdem nicht die Antwort gegeben, die ich haben wollte. Ich sah ihn fragend an und als er es bemerkte, wurde er noch verlegener.
"Ich habe mich zum Reiten eingetragen. Somit habe ich zumindest einen Abend frei, ohne Kenan oder die Jungs im Nacken sitzen zu haben". Er schien sich dafür zu schämen, was ich durchaus nicht nachvollziehen konnte, doch auf der anderen Seite: Kenan würde ihn bestimmt deswegen aufziehen.

Generell war die Beziehung dieser zwei Brüder komisch und ich war nicht gerade in der Position das zu sagen. Alfie und ich hatten Tage, an denen wir unzertrennlich waren und an wiederum Anderen schlugen wir uns fast die Köpfe ein. Was genau zwischen Kenan und Alexy lief, hatte ich noch nicht herausgefunden. Kenan wollte ich nicht wirklich danach fragen und Alexy war in dieser Hinsicht wie ein verschlossenes Buch. Ich wusste er redete nicht gerne darüber und wollte ihn zu nichts drängen. "Dann macht uns das schon zu zweit. Ich liebe Pferde. Ich finde es gut, dass ich nun endlich einen Sitznachbar im Bus habe".
Alexys Miene erhellte sich schlagartig und er war wohl weniger verunsichert. "Puhh. Ich bin froh, dass ich dich zumindest dabei habe. Was machen denn Violet, Esme und Corinne?". Alexy hatte sein niedliches Lächeln zurückerlangt und streckte sich ausgiebig in seinem schwarz-weißen Sitzsack. Sein Buch fiel dabei auf den Boden und machte ein lautes Geräusch, was in dem riesigen Raum widerhallte. "Oh", sagte er nur und zuckte mit den Schultern. "Ruheeee!", war von irgendwo hinter fünf weiteren Regalen zu hören, doch wir nahmen es nicht wirklich ernst.

~Rich and dead~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt