Kapitel 3: Freundschaft

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Sonnenschein. Das atemberaubende Rot-orange, in welches der westliche Teil der Burg zu dieser abendlichen Stunde getaucht wurde, hatte sich passend zu meiner Ankunft bemerkbar gemacht.
Mein Vater drehte, soweit er das in einem engen Innenhof voller fetter Karren eben tun konnte, und hielt dann neben einer alten, allerdings neugestrichenen Holzbank. Ein lautes Hupen ertönte, was viele skeptische Gesichter verursachte, die auf einen apfelgrünen Wagen in unserer Nähe starrten. Ich musste lachen. Violets Väter waren vollkommen bekloppt, genauso wie ihr Tochter.
"Eyyoooo Cap! Steig endlich aus dem Ding aus, du Neandertaler!", schrie dann auch schon die hohe Stimme, der eben genannten Person.

Wieso ließ ich mich eigentlich noch mit einer Person wie ihr in der Öffentlichkeit blicken, wenn sie mich sowieso nur blamierte. Besser ich würde schnell aus dem Auto kommen, sonst schlägt sie am Ende nur noch die Scheibe ein und zerrt mich mit ihren eigenen Händen aus diesem Ding raus. Schüchtern stieg ich aus dem Auto, zog meinen Kopf ein, sodass zu viel Aufsehen unmöglich war und bahnte meinen Weg hinüber zu meiner besten Freudin, die zwar weird, aber liebenswert war. Im Augenwinkel sah ich meinen Vater, der kopfschüttelnd den Kofferraum aufklappte und verstört begann die Koffer auszuräumen. Ich sollte ihm helfen gehen, ich weiß, aber Violet würde das sicher nicht zulassen.
"Ich glaub's kaum. Du siehst mich nach drei Monaten und hast nichtmal den Anstand mich zu umarmen. Gott bist du eine scheiß beste Freundin". Ich verdrehte die Augen über ihre übertriebene Art und Weise.
"Nicht wenn du mich vor der ganzen Schule blamierst, du Freak!", meckerte ich sie an und warf ihr einen beleidigten Blick zu. Einige Sekunden der Stille und dann brachen wir in schallendes Gelächter aus. Außenstehende Menschen hatten uns nie verstehen können und waren die meiste Zeit irritiert von unserer komischen Beziehung, doch wir verstanden uns eben ohne Worte und kannten die Grenzen des Anderen. Ich wusste immer, wie weit ich bei Violet gehen konnte, bis sie ernsthaft genug hatte.

"Du liebst mich doch sowieso", antwortete sie gleichgültig, bevor sie mich in eine Umarmung zog.
"Na na. Mit welchem Typem haben wir denn rumgemacht, dass wir nach Aftershave riechen?", fragte sie spielerisch und roch, ein wenig zu penetrant, an meinem Hals.
"Also ich habe mich zumindest nicht damit einparfümiert. Du brauchst gar nicht so angestrengt nach etwas zu suchen, was du mir die nächsten Jahre vorhalten kannst". Sie lachte.
"Aber mal ehrlich. Das riecht verdammt gut. Verrate mir dein Geheimnis". Wenn sie wüsste, dass dieses Aftershave meinem Bruder gehörte, den sie diesen Sommer erst hatte abblitzen lassen. Ein triumphierendes Lächeln schlich sich heimlich und langsam auf meine Lippen, während sie mich misstrauisch ansah. "Warum ziehst du ein Gesicht wie ein sterbendes Wiesel?", fragte sie mit angewiedertem Blick zu mir nach oben. Ich konnte sie nicht ernst nehmen, wenn sie einfach einen halben Kopf kleiner war als ich und mir blöd kommen wollte.
"Die Story ist für einen anderen Tag", sagte ich nur schulterzuckend und sah dann hinüber zu meinem Vater, der definitiv überfordert zu sein schien, so in mitten des Kneuls von Mr. und Mr. Patch, Fiona und der kleinen Michelle, die schreiend und um sich tretend an seinem Arm hing. Anscheinend wollte sie unbedingt zu einem kleinen Pudel, der einem etwas älteren Ehepaar nur ein paar Meter weiter zu gehören schien und gelangweilt an einen Löwenzahn pinkelte. Ich verdrehte die Augen.
"Bin das ich, oder fühlt sich dein Vater leicht unwohl? Wir sollten ihm da raus helfen....", stellte auch Violet fest. Ich nickte.
"Ja, sollten wir, aber es ist zu schön ihn leiden zu sehen". Violet legte einen Arm um meine Schultern und wir bahnten uns den Weg zu unseren Eltern. Mein Vater sah uns schon von Weitem und warf mir den Gesichtsausdruck eines sterbenden Rehs zu. Er erkannte seine Rettung und rief lauthals in meine Richtung: "Willst du deinen alten Mann nicht Tschüss sagen, Cap?" Ich zog eine Grimasse.
"Violet Baby. All die Monate ohne deine Kreditkarte".
"Sind dreitausend Euro auch wirklich genug?" Die Patchs hatten Violet schon immer gepeppelt und verwöhnt wo sie nur konnten, doch sie war nicht zu jemandem geworden, der arrogant und verzogen war, obwohl man zugeben musste, dass sie ohne Kohle im Leben nicht wirklich zurecht kam.
"Passt schon. Ist ja nicht so, als würden wir auf Shoppingtour gehen, während wir hier sind". Violet verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Augenbrauen hoch. Stimmt schon.
"Bitte versprech mir nur, dass du deine neuen Extensions nicht direkt am ersten Tag ruinierst, okay?", ermahnte Mr. Patch seine Tochter und strich ihr demonstrativ durch die dunkelblonde Mähne aus seidenweichen Haarsträhnen. "Jaaa. Das ist unfassbar wichtig. Hast du auch genug Haarpflegeprodukte bei dir, Violetta?", fragte Fiona und sah sie mit einem übermäßig besorgtem Gesichtsausdruck an, als hätte Violet gerade ihre einzige Flasche Wasser für die ganze Woche Zuhause vergessen.

~Rich and dead~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt