-18. Verstand-

370 20 30
                                    

Sirius

Mit kleinen Schritten lief ich auf das Schloss zu. Eigentlich dürfte jetzt keiner in den Gängen herumlungern. Dabei wusste ich nicht einmal, wie spät es war.
Mein Körper zitterte so stark, dass man denken müsste, dass ich einen Anfall habe. Wie würde ich überhaupt unsichtbar durch die Menschenmenge im Gemeinschaftsraum kommen? Ich hatte meinen Zauberstab nicht mit.
War ja wieder typisch für mich.

Eine Träne bahnte sich meine Wange hinunter. Natürlich war es in diesem Regen überhaupt nicht erkennbar, weshalb ich einfach weiterlief.
Etwas schneller ging ich auf das Eingangstor zu.
Einige Meter vor dem Tor konnte ich jedoch eine Gestalt erkennen.
Moony?
Ich überlegte, wieder umzukehren, doch er hatte mich bereits gesehen.
Ich blieb abrupt stehen, als er auf mich zulief.

„Oh mein Gott, Tatze! Was machst du hier draußen? Du musst unbedingt hineinkommen.", er zog mich mit ins Schloss.
Als wir vor einer Rüstung standen, stoppte er.
„Warum warst du stundenlang im Gewitter draußen? Weißt du eigentlich wie gefährlich das ist? Hast du gewein-", ich fiel ihm einfach in die Arme.
Ich wollte mich sicher fühlen. Und bei ihm fühlte ich mich sicher.
Ich wusste selbst nicht wie dieser Kurzschlussgedanke kam, aber ich wollte ihn einfach umarmen.
Erst wirkte er schockiert, doch erwiderte sie dann zaghaft.
„Was ist passiert?", fragte er mich nun ernst und schaute mir direkt in die Augen.
Doch alles was ich sagen konnte, war: „Es tut mir leid, dass ich dir kein guter Freund sein konnte."
Danach brach meine Stimme ab.

Er sah mich mitleidig an, zog seinen Zauberstab und föhnte meine Kleidung mit einem Schwung wieder trocken.
„Du bist ein guter Freund, Sirius.", erwiderte er nach einiger Zeit, als wir auf dem Weg zum Turm waren.
Jedoch schüttelte ich meinen Kopf.
Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich einer gewesen war.
Also antwortete ich nicht und lief einfach stillschweigend weiter.

Als wir mitten in die Party stießen (wie ich es mir bereits schon dachte), kamen Lily und James auf uns zu.
Er schaute mich mit einem fragenden Blick an, doch ich ignorierte ihn.
„Wo warst du, Sirius?", fragte mich Lily mit verschränkten Armen.
„Nicht hier. Lasst uns jetzt einfach unseren Sieg feiern.", sagte ich hastig und lief in die Menge hinein um mir im nächsten Augenblick schon Alkohol hinter zu würgen. Dabei war es gerade einmal 17 Uhr.

—————————————————————————
Remus

„Ich gehe nach oben.", seufzte ich, als ich Tatze mit einer Alkoholflasche in der Hand sah.
James und Lily schauten mich traurig an.
„Naja, vielleicht komme ich ja später noch einmal herunter.", sagte ich spielerisch genervt.
Die beiden fingen an zu grinsen. Auf diese Antwort hatten sie doch nur gewartet.
„Passt auf, dass Sirius nicht wieder so viel trinkt. Sonst erbricht er wieder und jammert am nächsten Morgen über Kopfschmerzen.", sagte ich ihnen.
Sie nickten und schauten sich wissend in die Augen. Als sie meinen irritieren Blick auffingen, lachten sie nur und flüsterten sich irgendetwas zu.
Komisch.

Ohne eine weitere Ahnung lief ich wieder in unseren Schlafsaal. Auf die Party konnte ich gut verzichten.
Angekommen krakelte ich in meinem Tagebuch weiter, in welchem ich schon lange nichts mehr hinein geschrieben hatte.

Liebes Tagebuch,
Sirius verhält sich heute wieder ziemlich komisch. Er ist nicht bei der Sache, weshalb ich mir mal wieder (eigentlich unbegründet) Sorgen mache.
Heute ist wieder eine Party, weshalb ich wahrscheinlich nicht gut schlafen kann.
Oft überlege ich, auch einfach mal was zu trinken. Wenn es alle glücklich macht, warum dann nicht auch mich? Ich weiß, dass ich eigentlich anders über Alkohol denke, aber ich sitze immer nur alleine im Schlafsaal. Jedoch ist es auch das Vernünftigste.
Sonst geht es mir soweit ganz gut.
Meine schlimmsten Tage habe ich hinter mir. Den Grund für mein Verhalten kann ich mir immer noch nicht erklären.
Es soll nur noch Berg aufgehen. Es bringt nichts, andauernd traurig zu sein. Vor allem über Dinge, die man nun Mal nicht ändern kann. Wie den Werwolf in mir.
Trotzdem verletzt mich mein Anblick mit den vielen Narben immer aufs Neue.
Aber ich bin mir sicher, dass es keine Rolle mehr spielen sollte. Eine Chance auf eine Beziehung gibt es bei mir nicht.
Außerdem will ich sowieso nur Tatze haben und das ist unmöglich."

Nach einiger Zeit ging ich dann doch wieder in den Gemeinschaftsraum. Was soll mich schon erwarten?
Außerdem hatte ich kein Buch, was ich unbedingt jetzt lesen wollte. Ich könnte höchstens zum Abendessen gehen.

„Dda b-bist du jaa wiede r", hörte ich James neben mir sagen.
Er war komplett dicht. War ich solange weggewesen??
Das kannte ich normalerweise nur von Tatze, aber wirklich wundern tat es mich trotzdem nicht.
Ich wimmelte ihn schnell ab und lief auf einen freien Sessel zu.
Was mache ich jetzt überhaupt hier?
Es war eine schlechte Idee, noch einmal herunter zu gehen.
Immerhin wollte ich nicht trinken und ebenso mit niemandem reden.
Außer wenn es Sirius wäre. Doch ich sah ihn nicht, weshalb ich doch in Richtung Große Halle lief.
Zwar hatte ich kaum Hunger, aber im Gemeinschaftsraum wollte ich auch nicht bleiben.

In den Gängen war es leer. Ich sah niemanden hier. Entweder waren alle bereits beim Essen oder in ihren Türmen. Irgendwie fühlte ich mich durcheinander. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Ich lief gerade um eine Ecke, als ich plötzlich in jemanden hinein lief.
„Entschuldig-", erst jetzt merkte ich, dass es Sirius war.
Ein Teil von mir war erleichtert, dass ich in keinen Fremden gelaufen bin. Ich glaube, dass wäre mir nämlich noch peinlicher.
Ich wusste ja auch selbst, dass ich ein sehr introvertierter Mensch war.

„Moony..", er schaute mich mit verträumten Augen an. Er war ganz klar betrunken. Was anderes hatte ich auch nicht erwartet.
„Wenn dich ein Lehrer so sieht, bist du fällig. Du solltest unbedingt zurück.", riet ich ihm.
Doch er rührte sich nicht einen Millimeter. Er schaute mich immer noch an.
„Du bist wunderschön.", flüsterte er mir ins Ohr.
Sofort zuckte ich zusammen. Was hatte er gesagt?
„Tatze, das ist nicht lustig- Du weißt, dass ich mich schon so unwohl in meiner Haut fühl-"
„Nein, du bist wirklich verdammt hübsch.", grinste er.
Mit einer Hand, stieß er mich gegen eine der kalten Steinwände.
Ich hielt meinen Atem an. Was passiert hier gerade!?
„Weißt du eigentlich wie süß es ist, wenn du rot anläufst?", fragte er mich verlegen und gleichzeitig so selbstsicher.
Ich konnte nicht atmen.
Mein ganzer Körper war wie erstarrt.

Mein Herz schlug so schnell, dass er es bereits hören musste. Sein Gesicht kam immer näher zu meinem. Ich wollte ihn so sehr küssen. Mit jeder Faser meines Herzens wollte ich das.
Doch mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
Er war betrunken.
Er war nicht bei klarem Verstand.
Eine Träne kullerte bei dem Gedanken meine Wange hinunter.
Vorsichtig legte er seine warme Hand auf diese und wischte sie weg.
Auf meinem ganzen Körper bildete sich eine Gänsehaut. Es trennten uns nur noch Zentimeter voneinander.
Doch ich hatte das Gefühl, kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen.
Er würde sich morgen wahrscheinlich nicht einmal an unsere Begegnung erinnern.

Er ist nicht bei klarem Verstand.
Er ist betrunken.
Er will das überhaupt nicht.
Er wird es bereuen.

Immer noch ruhte seine Hand auf meiner Wange. Seine andere stützte sich an der Wand ab.
Ich war kurz davor, mich in seinen Augen zu verlieren. Sie waren so wunderschön.
Doch er wusste nicht, was er tat. Er würde es als Fehler ansehen.
Ich bin der Fehler.
Ich kann das nicht..

Ruckartig befreite ich mich aus meiner Position.
„Ich will nicht nur eine weitere Eroberung von dir sein..", flüsterte ich heiser.
Danach brach meine Stimme ab.
Immer mehr Tränen flossen meine Wangen hinab.
Ich musste hier weg.

Augenblicklich rannte ich los.
Ich fühlte mich schlecht.
Doch ich wusste nicht weiter.
Ich konnte mit niemandem darüber reden.

Ich schloss mich in eine Kabine der Toiletten ein und setzte mich auf den kalten Boden.
Danach ließ ich meinen Tränen weiter freien Lauf.

Kann aus Freundschaft Liebe werden?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt