Kapitel 2 - Witze erzählende Fische

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"Hast du schon gehört? Es soll gestern Abend noch einer gesprungen sein", - "Oh wirklich? Wer denn?", - "Der Händlersjunge, erinnenrst du dich? Der, der sich nach den neusten Fang an Seeigeln erkundigt hatte", - "Oh welch eine Verschwendung. Er war wirklich hübsch und schien dazu auch noch freundlich", - "Da gebe ich dir recht. Die guten sterben wohl immer jung. Was ihn wohl dazu getrieben hat von der Klippe zu springen?", - "Wer weiß? Vielleicht hat ihn ja..", ich verzichtete darauf dem weiteren Tratsch der beiden älteren Damen weiter zu lauschen, und meine Aufmerksamkeit wieder auf den köstlich riechenden Fisch vor mir zu richten.
Wer weiß, wer weiß, was - oder wer diesen armen, hübschen Jungen dazu brachte sich in die Fluten unter ihn zu begeben? Vielleicht war es ja sein eigener Wille? Vielleicht ertrug er den Schmerz in seiner Brust nicht mehr und wollte dem ein Ende setzen? Vielleicht wollte er ja auch selber versuchen an die fetten Seeigel in der Bucht zu kommen?

Ein Grinsen zuckte über meine Lippen, bei dem Gedanken an den Wagemut des Jungen sich so nah an die Klippe zu stellen - in der Nacht, bei rauer See. Hinterher kann es ja auch immer noch ein kräftiger Windstoß sein, der ihn in seinen Tod schickte.

"Na, Dakota.. Erzählen dir die Fische wieder Witze?", spaßte der Händler mit mir. Selbst wenn mich dieser Spruch in keinster Weise erheiterte, schenkte ich ihm dennoch ein Lächeln. "Oh die besten Erik, du solltest sie dir mal anhören", ging ich auf den recht flachen Witz ein und deutete auf eine gar köstlich aussehenden Lachs. Erik verdient es, dass man mit ihm sprach, witzelte und über seine schlechten Witze lachte. Sein Aussehen mag zwar als sehr demoliert beschrieben werden, doch sein Herz war pures Gold. Er war auch mein bester Freund, denn seine Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit ist eine seltene, doch sehr dankbare, Eigenschaft. "Gerade dieser saftige Fang hat mir erzählt, welch ein hübscher Mann du doch bist", schmunzelte ich und schielte zu ihm hoch. Sein vernarbtes Gesicht erhellte sich und aus seiner verrosteten Kehle drang ein heiteres Lachen. Erik war gewiss nicht der hübscheste hier im Dorf, und das wusste er auch selber. Die vielen Narben in seinem Gesicht, welche aus etlichen Kämpfen stammten und die Brandmale welche seine ehemalige Sklavenzeit kennzeichneten taten seiner recht bleichen Haut nichts gutes. Selbst sein Haar war nicht so voll wie es eigentlich für einen jungen Mann seines Alters sein sollte. "Nicht jeder kann so hübsch sein wie du", zuckte er nur locker mit den schultern und wickelte mir den Lachs, mit welchen ich schon die ganze zeit liebäugelte in Papier. Munter über seine Zuvorkommenheit holte ich meinen kleinen Lederbeutel hervor. "Bin ich ganz froh drüber, ich stehe nicht so auf Konkurrenz", lächelte ich und holte eine kleine, glänzende Perle aus dem weichen Inneren des Säckchens. Als Eric das Schmuckstück erblickte, schüttelte er nur den Kopf. "Wenn du mich weiterhin mit Perlen bezahlst, kann ich mir schon bald ein Kettchen draus machen", scherzte er und tauschte den Fisch gegen das elfenbeinfarbene Kügelchen aus. "Oder du schenkst es einer Frau.. Habe gehört, die stehen auf sowas"

"Haha, du bist mir ja einer Dakota. Woher holst du die Perlen eigentlich immer wieder? Vermehren die sich etwa von selbst in deinem Beutel?"

"Sei nicht albern Erik. Ich tauche nun einmal sehr gerne", zuckte ich locker die Schultern und betrachtete die klaren, doch toten Augen des silber glänzenen Fisches.

"Du solltest vielleicht auch anfangen Seeigel zu fangen, wenn du schon so gerne tauchst"

"Nein danke. Ich nehme den fleißigen Fischern schon ihre Frauen weg, da will ich nicht noch Schuld am Verlust ihres Berufes sein", zwinkerte ich zu, wobei sich meine Mundwinkel aus ehrlicher Freude hoben und nicht aus vorgeheuchelter Freundlichkeit. Ich warf einen letzten Blick zu dem Mann, nur um ihn dabei zu erwischen wie er seine braunen Augen verdrehte. Mit meiner heutigen Mahlzeit, fest in beiden Händen, machte ich dann kehrt und schlenderte weiter über den vollen Markt, welcher wohl das einzige war was in diesem Dorf richtig erblühte. Viele Menschen zog es auf diesen Fischmarkt, wo man von Barschen bis hin zu Kugelfischen alles mögliche finden konnte. Um solch rare Delikatessen zu erwerben, ignorierte man dann auch gerne schon mal den schwer in der Luft liegenden Salzgeruch und den bestialischen Gestank von Fischabfällen. Man passte nur auf um nicht versehentlich auf eine der vielen Ratten zu treten, welche sich an den vielen Buffett Möglichkeiten fett und rund fraßen. Und wenn wir gerade schon bei nervigen Plagegeistern waren, durfte man die unzähligen Möwen welche die Pflastersteine und Planendächer der Stände mit ihrem Dreck bedeckten auch nicht außen vor lassen. Konnte man auch unmöglich, denn ihre Anwesenheit konnte man genauso wenig verdrängen wie man es bei einem Elefanten im Porzellanladen konnte. Ihr gekreische war sogar noch lauter als das der Marktschreier, welche die Kunden mit ihren unschlagbaren Preisen heran ziehen wollten. Viele bissen an und drängten sich von der einen Seite direkt zur anderen, ohne Rücksicht auf andere Leute zu nehmen.

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