Kapitel 11 - Sehlen

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Ein paar Tage später, die ereignislos dahinzogen, steuerten wir erneut einen Hafen an. Es war nicht der erste auf unserer Reise, doch der erste, der mich neugierig werden ließ. Seit dem letzten Anlegen sind mehrere Wochen vergangen, in denen wir endlose Meilen auf dem Meer zurückgelegt haben, was nicht nur an dem wärmer werdenden Gewässer spürbar wurde, sondern auch an der sich verändernden Kultur der Menschen.

Viel kulturelle Vielfalt bekam man in Kalimba nicht mit. Das höchste der Gefühle waren Händler, die von unseren Seeigeln angelockt wurden - und hin und wieder ihr Ende an den Klippen fanden.

Bis auf Akzente und Kleidung bekam ich also nicht mit. Und so genoss ich den faszinierenden Anblick der Baukunst, welche uns an diesem Hafen begrüßte. Die Häuser waren strahlend weiß und eng verschachtelt, ohne dass es chaotisch aussah. Alles strahlte eine gewisse Symmetrie aus, die meine innere Ordnung aufatmen ließ.
Die letzten Häfen waren allesamt ein wenig ungepflegt und nicht zu vergleichen mit dem an meinem Heimatort. Dachte ich, bis vor kurzem noch der Fischmarkt in Kalimba sei eine Herausforderung für empfindliche Menschen, hat sich das spätestens seit dem Besuch in Kalohr geändert.

Der Hafen in Kalohr war ein einziges Durcheinander an Händlern, Betrunkenen, Bettlern, Fischern und allerhand anderer Leute, die einen sonderartigen Geruch ausströmen. Das genaue Gegenteil mit dem Anblick des Hafens, der sich mir hier bot.

Nicht nur die Häuser und die Stände schienen in irgendeiner Form ordentlich, sondern auch die Menschen. Keine Hektik, keine lauten Marktschreier und auch kaum Fischerboote, die im Hafen angelegt hatten oder ihrer Arbeit auf dem Meer nachgingen.

"Hier treffen wir den Informanten, der uns hoffentlich zum Rubin bringt", mit diesen Worten gesellte sich der Kapitän des Piratenschiffes zu mir an die Reling. Ich sah zu ihm auf, bemerkte die dunklen Augenringe unter seinen Augen und den müden Ausdruck. Scheinbar schlief es sich doch nicht so angenehm mit der halben Mannschaft in einem Raum gezwängt. "Du kennst dich aus?", nahm ich einfach mal an, nicht auf seinen fehlenden Schlaf eingehen wollend. Man durfte ja nicht vergessen, dass es ganz allein seine Schuld war, dass ich hier auf seinem Schiff feststeckte.
"Hm, ein wenig. Wir halten selten in Sehlen", ließ er mich wissen, erweckte damit auch meine Neugierde. Die Leute sahen gut betucht aus, warum fallen sie nicht über sie her wie ein Schwarm von Piranhas und rauben alles was nicht festgenagelt ist?
"Dein Gesicht lässt sich lesen wie ein Buch", bemerkte er amüsiert, während seine dunklen Augen genauestens über meine Gesichtszüge flogen. Ich gab mir Mühe mir mein Missfallen nicht anmerken zu lassen, konnte aber ein Zucken der Augenbraue nicht mehr verhindern. Sylas schnappte diese minimale Bewegung auf und erklärte auch gleich, ohne, dass ich ihn dazu auffordern musste: "Sehlen hat eine sehr gute Verteidigung gegen Piraten oder andere Räuber. Siehst du die weiß-blauen Schiffe im Hafen?" Er deutete auf die dutzend Schiffe in verschiedenen Formen und Größen, doch alle in denselben Farben. "Auf jedem befinden sich mindestens 6 bewaffnete Soldaten, die jederzeit einsatzbereit sind", erläuterte er und beobachtete die Schiffe, welche uns sicherlich auch genauestens im Auge behielten.
"Gibt es denn irgendwas Wichtiges zu bewachen?", wollte ich wissen, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass dies normal war. "Nicht wirklich, doch das Militär des Königsreichs nutzt Sehlen als Urlaubsziel, und damit sie ich in Ruhe erholen können, sorgen sie dafür, dass sie nicht gestört werden. Das ist wohl einer der sichersten Handelshäfen, doch damit auch ein wenig teurer und exklusiver", führte der Kapitän seine Erklärung bereitwillig vor, grinste schief dabei.

"Und du glaubst, du kannst unbeschadet einen Fuß an Land setzen?", harkte ich nach, denn so wie ich das verstand, waren Piraten nicht gern gesehen. Und wie sollte er mich zum Informanten bringen, wenn er sich dem Hafen nicht nähern konnte?

"Mach dir darüber keine Sorgen, meine Schönheits", grinste er nur unbekümmert und versuchte charmant rüber zu kommen, was aber augenscheinlich nicht bei mir ankam. Ich starrte ihn nur an, weiterhin meine Mimik kontrollierend - sonst hätte ich bereits die Augen verdreht. Keine Reaktion war aber schlimmer als irgendeine, und ich wollte den möchtegern-Macker von seinem hohen Ross runterholen.

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