Kapitel 4 - Aquatikas Fest

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"Erik, habe ich etwas verpasst?", fragte ich den Fischer als ich mich seinem Stand näherte. Meine Augen lagen auf dem Markt, welcher noch belebter als zuvor schien. Viele fremde Gesichter trieben sich hier herum, und alle schienen besonders gut gelaunt zu sein. "Manchmal frage ich mich wirklich ob du in einer Höhle lebst, Dakota", lachte der Braunhaarige rau auf. "Woher weißt du das?", lächelte ich so ehrlich, dass er es schon wieder als Spaß sah und erneut lachte. "Heute ist doch das Fest zu Ehren von Aquatika. Bricht die Nacht heran und der Vollmond gibt sich zu erkennen, heißt es, dass das kommende Jahr genauso ertragreich ist wie das jetzige und die See Gnädig für unsere Seemänner", klärte er mich auf. Ich nickte verstehend. Dunkel erinnerte ich mich an die letzten Jahre. Jahr für Jahr feiert man dieses Fest in einer Vollmondnacht - und natürlich zeigt sich der Mond jedes Jahr für neue. Das war keine Magie, sondern Mathematik - doch das war schon wieder zu hoch für die meisten, und wer war ich, der ihnen eine Nacht des Saufens, Tanzen und Lachens versauerte? "Wie konnte ich es nur vergessen?", schmunzelte ich leicht. "Du solltest öfters auftauchen und dich am Dorfleben beteiligen. Mutter beschwert sich schon, dass du sie nicht mehr besuchen kommst", schlug er mir grinsend vor. "Oh? Ist das so?", zwitscherte ich überrascht. "Man könnte meinen ihr eigener Sohn reicht ihr nicht aus", grinste ich neckend und zwinkerte Erik frech zu. Er stieß nur prustend die Luft aus seinen Lungen. "Gegen dich hat niemand eine Chance, die Frauenherzen gehören alle dir", lächelnd hob er seine Arme und gab sich geschlagen. Nun lachte ich leicht auf, nicht weil es ein Spaß wäre, sondern weil ich es amüsant fand, wie recht er doch hatte.
"Ich besuche sie gleich morgen in der Frühe und bringe ihr die hübscheste Muschel mit, die ich finde", versicherte ich ihm lächelnd. "Na, wehe wenn nicht", lachte er und wank mir hinterher, während es mich ins Dorf innere zog. Mal sehen wie die Vorbereitungen von statten gingen.

Die Straßen waren geschmückt mit bunten Laternen, Wimpel, Bändern und anderen Dekorationen, alle in den Farben des Meeres. Beinahe fühlte es sich hier vertraut und heimisch an. Gebastelte Fische aus Papier hingen von den Straßenlampen, Seesterne aus Lehm und gesammelte Muscheln lagen am Rand der Pflastersteine. Der Dorfplatz wurde mit Sand zugeschüttet und ein großes Lagerfeuer wurde aufgebaut. Schon jetzt hatten Kinder ihren Spaß und die Aufregung auf die heutige Nacht beflügelte alle von jung bis alt. Auch ich musste zugeben, dass ich gespannt und neugierig war, mich sogar freute wieder feiern zu können. Die Geschehnisse aus letzter Nacht waren schon in den Tiefen meines Gedächtnisses versunken.

Bis zum Abend jedoch hatte es noch etwas Zeit, die ich sicherlich nicht an Land verbringen wollte. So zog es mich zurück in meine kleine private Bucht, die hoffentlich frei von jeglichen Piraten war. Es wäre allerdings auch wirklich unwahrscheinlich, dass sie diesen Abschnitt gefunden haben. Immerhin war auch dieser von tückischen Strömungen und Felsen umringt.

Und ich behielt recht. Erneut war ich alleine mit mir selbst, zumindest sah ich keine Menschenseele weit und breit. Und doch wurde ich das lästige Gefühl nicht los Blicke auf mir zu spüren. Wurde ich etwas schon etwas paranoid mit dem Auftauchen der Piraten und meiner "Entdeckung" vergangene Nacht?
Selbst wenn es so wäre, wollte ich es nicht riskieren, dass man meine 'wahre Form' sah. All jenes, was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe hier im Dorf, wäre zerstört, würde man wissen, dass ich ein menschenfressendes Ungeheuer war. Ich würde dann nicht mehr als der wahrgenommen werden, der ich sein wollte.
Das musste ich unter allen Umständen vermeiden.

So entledigte ich mich meiner Kleidung und schritt ins Meer, bis die leichten Wellen meine Hüften erreichten. Das prickelnde Nass ließ mich wohlig lächeln und ich schöpfte mit meinen Händen Wasser auch über meinen restlichen Körper, während meine Lider zufielen. Das Gefühl beobachtete zu werden versank in meinen Gedanken wie Treibsand und der Wille mich zu verwandeln wurde mit jeder weiteren Welle stärker. Ich zog die Meeresluft in meine Lungen und legte den Kopf entspannt in den Nacken, genoss die Wärme der Sonne, welche einen Kontrast zum kühlen Nass bildete.

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