Kapitel 12 - Arrogante Viecher

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Sylas ließ nicht lange auf sich warten, was ich sehr zu begrüßen schien.
In der Zeit, in der er mit dem Informanten den Preis verhandelte und auch bezahlt hatte, hatten meine hübschen Augen allerhand Dinge entdeckt, die ich eigentlich näher betrachten wollte. Allerdings durften wie auch keine Zeit verplempern, was zwar sehr schade war, doch ich wollte mit Erik ja sowieso nochmal herkommen. 
"Wir haben noch ein wenig Zeit. Meine Männer müssen erstmal unsere Frachtvorräte aufstocken und die Schätze verhökern", wies mich Sylas daraufhin, fast so, als könnte er meine Gedanken lesen. Ohne es zu merken, hellte sich mein Gesicht ein wenig auf, doch die Sorge um den Verwesungsprozess ließ mich nicht vollständig los. "Eine Stunde mehr oder weniger wird schon nicht schaden", vergewisserte er mir lächelnd. 
Scheinbar war ich wirklich wie ein Buch zu lesen. War das schon immer so? Ich dachte bisher ich habe meinen Ausdruck wunderbar im Griff.
"Na schön, zufällig wollte ich mir ein paar Sachen anschauen", ließ ich mich schließlich dazu überreden, etwas abzuschalten und die neuen Eindrücke in mich aufzunehmen. "Komm", forderte ich ihn auf mir zu folgen und setzte mich in Bewegung, auf einen Stand mit bunten Stoffen zu. 

Auch wenn der Hafen frei von Banditen und Räubern schien, hatte ich doch noch lieber einen berüchtigten Piraten Kapitän hinter mir, der als wunderbare Abschreckung diente. "Natürlich suchst du dir einen der teuersten Stände aus", beschwerte sich der Braunhaarige als er an meine Seite trat, sich einmal durch sein unordentliches Haar fuhr und dann den Kapitänshut wieder aufzog. Sofort ließ der Schatten seiner Kopfbedeckung die dunkle Blaufärbung seiner Augen in ein scheinbares Schwarz umschlagen.

"Ich habe ja auch fleißig für dich nach Wracks gesucht", lächelte ich mit einem schamlosen Lächeln. "Durch das ganze Gold, welches ich gefunden habe, wären wir beinahe gesunken", verdeutlichte ich meinen Beitrag und schielte zu ihm Hoch.
Das genügte um den Kapitän zum Schweigen zu bringen, zwar mit einem kleinen Augenrollen, doch ich war so gut gelaunt, dass ich drüber hinwegsehen konnten. "Lass uns weiter, der Markt scheint viel zu bieten." Mit diesen Worten setzte ich mich erneut in Bewegung und zielte die Marktpassage an, an der sich links und rechts die Stände aneinanderreihten. 
Sylas Blicke flogen durch die Umgebung, wurden besonders scharf als sie Blicke von anderen erwiderten und schienen nach irgendwas zu suchen.
Waren es vielleicht seine verlorenen Gehirnzellen?
Unmöglich, die hat er wahrscheinlich schon vor langer Zeit auf See verloren. Verschluckt vom Meer, genauso wie seine Vorsicht.

Die Wachen die hier rum rannten, behielten uns zwar genau im Auge, doch stellten wohl für Sylas keine Bedrohung da. Er reagierte kaum, als er sie entdeckte, hatte nur wie bei jedem anderen den giftigen Ausdruck im Gesicht, und sah sich dann weiter um.

Nach gefühlter Ewigkeit bekam ich wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit. "Gut, aber bleib in meiner Nähe", forderte er mich auf, worauf ich allerdings nur eine abwinkende Handbewegung machte. "Dann beweg dich", schmunzelte ich gelassen, mir keiner Gefahr bewusst. Immerhin hat selbst er es nicht geschafft mich zu fangen, der 'oh so berüchtigte Pirat Sylas'. 

Neugierige Blicke meinerseits streiften über die Stände, die Menschen und die Häuser. Ich saugte die neuen Eindrücke wie ein Schwamm in mich auf und vergaß beinahe den Piraten hinter mir - wären da nicht die Ausdrücke der Anderen. Noch immer schienen sie die Anwesenheit meiner Begleitung nicht wertzuschätzen, und ich konnte es ihnen auch nicht verübeln. Sylas war zwar sehr gepflegt, doch der Geruch von Tod und Blut klebte dennoch an ihm - oder vielleicht war es auch mein eigener der auf ihn abfärbte.
Bisher machte mir der Kapitän einen sehr ungefährlichen Eindruck. Er benahm sich ja mir gegenüber schon wie ein zahmes Lamm. Unterschätzen würde ich ihn dennoch nicht.

"Suchst du nach was Bestimmten?", sprach er mich schließlich doch mal an, nachdem wir schon an einigen Ständen gehalten haben. Hier und da fand ich wirklich was, in erster Linie Kleidung. Viel Zeit zum Packen hatte ich ja nicht, mal davon abgesehen, dass ich eh nicht viel besaß. Bisher leihte ich mir immer was von Sylas, da seine Kleidung die mit Abstand sauberste und angenehmste der Horde war. Dennoch tat es gut endlich ein Oberteil und eine Hose zu besitzen, die mir passten. Auf den Preis achtete ich kaum, viel konnte ich damit eh nicht anfangen. Bisher bezahlte ich immer mit Perlen und weniger mit Kupfer, Silber oder Goldmünzen. "Hm, nein. Hier gibt es nur viel mehr als in Kalimba", entgegnete ich gelassen und gut gelaunt, während wir weiter über den Mark schlenderten und die Attraktion aller waren. Die frische Umgebung war wie eine heiße Quelle für angestrengte Muskeln. "Warst du dein ganzes Leben nur in Kalimba?", mit dieser Frage brachte mich der Kapitän zum Innehalten. Ich tippte mir nachdenklich gegen das Kinn und fixierte einen unbestimmten Punkt in weiter Ferne. "Nein... doch ich lebte so lange in Kalimba, dass ich mich nicht daran erinnere, woher ich ursprünglich stamme", antwortete ich ihm dann, selbst ein wenig unzufrieden mit dieser Antwort. Weiter drüber nachdenken wollte ich allerdings ebenso wenig, immerhin interessierte mich weniger die Vergangenheit, als viel mehr zu Zukunft. 

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