Ich war kein bisschen überrascht als ich endlich vor den Männern stand, die so aussahen wie ich sie mir vorgestellt habe: Ungewaschen, ungehobelt, und so unterschiedlich untereinander, dass man sich fragen könnte, wie die zusammenarbeiteten.
Die meiste Aufmerksamkeit lag noch auf Sylas, welcher herzlich begrüßt wurde mit bruderhaften Schlägen auf den Rücken und leichten Umarmungen. Nur ein paar Augen lagen auf mir, teils neugierig, teils verwirrt und zu gewissen teilen auch mit räuberischen Absichten. Ich kam mir vor wie ein Lamm in einer Höhle voller Wölfe.
Unterbewusst zuppelte ich mir am Hemd rum, welches mir bis zu der Mitte der Oberschenkel reichte. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen und ein tiefes Durchatmen brachte mein Unwohlsein zur Geltung, und die Aufmerksamkeit des Kapitäns zurück. Sofort war dieser an meiner Seite. "Das ist die Perle die uns entwischt ist. Als ich ihr nach sprang hat uns eine Strömung erwischt und wir waren einige Zeit gestrandet in einer Unterwasserhöhle. Wir haben nur überlebt, weil er ein guter Schwimmer ist, von daher habe ich entschieden ihn in Ruhe zu lassen und auch seinen Freund zu verschonen", erzählte Sylas von unserem kleinen Abenteuer. Ich lächelte leicht doch zufrieden über diese Erzählung.Weniger Zufrieden sah die Mannschaft aus. Einige der Meute entfernten sich, und alle anderen sahen zu Boden oder fanden die Umgebung viel interessanter als das Gesicht von Sylas, dem das natürlich nicht entging. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit und ich sah zu Sylas. Dieser konnte sich anscheinend auch nicht erklären, warum seine Mannschaft aussah wie ein Hund der die neuen Lederschuhe seines Herrchens gefressen hat. "Raus mit der Sprache", forderte er hart, von der Mannschaft, welche neuerdings wohl auch ein Verschwiegenheits-Gelübde abgelegt hat. Keiner traute sich was zu sagen und meine Muskeln begannen sich anzuspannen. Kurz bevor ich an die Decke ging, trat dann allerdings doch jemand hervor. Einer von den Schränken mit welchen ich schon Bekanntschaft in der Gasse gemacht habe. "Er hat sich zu stark gewehrt, ich habe ihm eins mit der Keule übergezogen um ihn ruhig zu stellen, doch dabei ist er drauf gegangen."
Meine Welt zerschmetterte vor meinen Augen als ich die Worte so langsam realisierte. Er hat was getan? Erik umgebracht? Die liebste Seele auf dieser verfluchten Welt?!
Ich kochte vor rasender Wut und noch ehe ich es kontrollieren konnte, bewegte sich mein Körper und stürzte sich auf den Schrank. Sylas Rufe vermischte sich mit all den anderen Geräuschen zu einer undurchdringlichen Masse, die es nicht mal wirklich in mein Bewusstsein schaffte. Ich wollte ihn töten, mehr nicht. Gerechtigkeit für das, was er Erik angetan hat, doch ich würde ihn nicht einfach so totschlagen... nein. Ich würde mir eine Art suchen, die besonders langsam und Qualvoll war.Leider kam es nicht dazu, denn vorher wurde ich festgesetzt. Mit einem Sack über den Kopf und gefesselten Gliedmaßen fand ich mich irgendwann in Dunkelheit wieder. Es roch nach Salz und Fisch, und ich hörte das Piepsen von Ratten. Sicherlich hatten sie mich unters Deck verfrachtet.
Noch während ich vor Wut versuchte mich zu befreien, hätte ich mich schlagen können, für das Vertrauen in einen dieser stinkenden Tiere.
Na warte Sylas... ich komme hier raus und dann töte ich dich und deine gesamte Mannschaft!Es mussten bestimmt mehrere Stunden vergangen sein, als ich das nächste Mal Schritte hörte, knarrende Dielen und Tageslicht brach auch in den sonst so dunklen Lagerraum. Ich sah nicht viel durch den Sack, doch zumindest das Licht verriet mir, dass irgendjemand kam.
Ich bewegte mich nicht einen Zentimeter. Sollen sie doch denken ich sei tot oder schlafe oder so, damit sie ihre Deckung fallen lassen.
"Perle?"Sylas Stimme. Perfekt. Genau ihm wollte ich als erstes die Kehle rausreißen.
"Perle, ich weiß, dass du wach bist und nur darauf wartest, dass du mich töten kannst, doch ich muss dich bitten dich zu beruhigen", sprach er vorsichtig auf mich ein, behielt seinen Abstand zu mir.
Mein Schweigen zerbrach mit einem verächtlichen Schnauben meinerseits. "Ist das dein Ernst? Nachdem mein Freund getötet wurde und du mich in diese Falle gelockt hast, soll ich davon absehen das Meer mit dem Blut deiner Leute zu füllen?", fragte ich ironisch und schüttelte leicht den Kopf. Seine Naivität machte mich immer wieder sprachlos."Das mit deinem Freund tut mir leid. Normalerweise nehmen wir Gefangene und keine Leichen, und das war keine Falle. Wir mussten dich nur fesseln, weil du uns sonst getötet hättest."
"Mit allem recht!", warf ich sofort scharf dazwischen. Sylas seufze leicht und ich hörte ihn näherkommen. Meine Hände stemmten sich gegen die Fesseln, doch sie saßen zu stramm und das Tau war zu stark, als dass ich sie hätte zerreißen könnte. "Ich weiß... Doch ich helfe dir ihn wieder zurück zu kriegen."
"Wie?""Ich habe dir doch erzählt, es gibt eine Sirene die, die Toten wieder zurückholen kann."
"Komm mir nicht mit diesem Quatsch! Es gibt sie nicht!", fauchte ich erbost als er schon wieder mit diesen Edelstein Sirenen anfing.
"Doch! Und ich kann es dir beweisen! Wir haben einen Informanten der über eine Sirene Bescheid weiß, die den Onyx schon getroffen hat. Mit ihm finden wir diese Sirene und diese Sirene bringt dich zum Onyx", erklärte er und war sich anscheinend zu hundert Prozent sicher, dass dies so war."Wenn es nicht stimmt was ich sage, dann darfst du hier jeden töten und nach Herzenslust foltern", fügte er hinzu. Als nächstes spürte ich den verschwindenden Druck um meine Handgelenke. Wann hatte er sich von hinten an mich rangeschlichen?
Sofort riss ich mir den Sack vom Kopf und setzte mich auf, sah zu ihm. Wie einfach ich ihn jetzt töten konnte... doch irgendwas ließ mich zögern.
Es war sein Blick. Er wirkte so überzeugt."Du darfst dich frei auf dem Schiff bewegen, doch meiner Mannschaft keinen Schaden zufügen. Hast du Frust oder willst Blut sehen, lass es an mir aus. Und glaub mir, dass es nicht in meiner Absicht lag dich in irgendeiner Art zu täuschen."
Ich schwieg und atmete mehrmals tief durch um meine Ruhe zu bewahren. "Wenn der Informant nicht das liefert, was du versprichst, töte ich euch. Versuchst du mich nochmal einzusperren, töte ich euch. Packt mich einer hier an, - ", "Tötest du uns?", schnitt mir Sylas ins Wort. Ich löste den Knoten um meine Fußgelenke. "Nein, dann schneide ich ihm nur die Hand ab - ich bin kein Monster", berichtigte ich ihn und stand dann schließlich auf. Ich streifte mir mein Oberteil zurecht. "Und damit das klar ist: Ich bin kein Sklave und werde vernünftig behandelt. Ich darf das Boot verlassen wann ich will und zurückkommen wann ich will", stellte ich weitere Bedingungen auf.
"In Ordnung", nickte Sylas daraufhin, ohne große drüber nachdenken zu müssen. "Gut, dann bring mich zum Informanten", forderte ich. "Und ich möchte frische Klamotten und einen Ort an dem ich in Ruhe schlafen kann, am besten mit einem Fenster und abschließbar", ich sah ihn auffordernd an. Der Kapitän fuhr sich einmal über das Gesicht, gab sich aber einverstanden und führte mich zurück aufs Deck. "Wir legen heute Abend ab", informierte er mich und auch die Männer auf Deck, welche alle ihre Blicke von mir abwendeten.
Schon besser.
"Folg mir", damit wendete sich Sylas wieder an mich und führte mich in ein recht großes Zimmer, mit Fenster, einem großen Bett, Tisch, Teppich aus Tierfell und verschiedenen Karten. Ich nickte zufrieden, vor allem weil man dieses Zimmer auch abschließen konnte.Und kaum war der Kapitän verschwunden, warf ich mich auf das Bett und atmete tief durch. Ein frischer Geruch, welcher mich ans Meer erinnerte, drang in meine Nase und ließ meinen Körper entspannen. Jetzt kam auch langsam die Trauer über meinen Verlust hindurch
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Gem-Sirens [BL]
FantasiSirenen - Wesen die nur aus Legenden, Mythen und Geschichten bekannt sind. Doch was, wenn der hübsche junge Mann, mit den außerordentlichen lilianen Augen und dem weißen Haar, eben ein solches Geschöpf ist? Würde man seiner charmanten Art noch imme...