Neuanfang

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Ein Strand... Stimmen... Sie streiten. Streiten sie? Warum?... Schmerz...

Dunkelheit.

Blauer Himmel... Wasser... Wind in meinem Haar... Pochender Schmerz...

Dunkelheit.

Erneut Stimmen... Sie streiten, klingen besorgt. Warum?... Gleißender Schmerz. Ein Schrei...

Dunkelheit.

Ein Mensch... Eine Stimme... Bruder...

Dunkelheit.

***

Es war ruhig.
Das erste was ich spürte, war der Schmerz in meine müden Knochen. Ich versuchte mich aufzurichten, doch kein Muskel wollte sich rühren. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch meine Lieder bewegten sich keinen Zentimeter. Um mich herum vernahm ich weder das Zwitschern von Vögeln, noch die Stimmen und Geräusche anderer Menschen oder etwaiigen Lebewesen. Ich war also vermutlich allein in irgendeinem Raum. Mein Untergrund schien sich ebenfalls nicht zu bewegen und so musste ich mich wohl an Land befinden. Erneut versuchte ich die Augen zu öffnen und nach einer Weile erhellten endlich die ersten Sonnenstrahlen meinen Blick. Angestrengt blinzelte ich gegen das plötzliche Licht an, bis meine vom Schlaf getrübten Augen sich daran gewöhnen konnten. Mein Verstand war noch benebelt und ein leichtes Pochen machte sich in meinem Schädel breit, aber langsam schien ich wieder Kontrolle über meinen Körper zu erlangen und vorsichtig sah ich mich um. Ich lag auf einem Bett auf einer Anhöhe; neben mir eine Wand aus dunklem Holz und über mir ein Dach, welches von einigen Querbalken gestützt wurde. Ich schien mich tatsächlich in einer Hütte zu befinden. Über mir war eine Decke ausgebreitet und auf meiner Stirn lag ein kühler Lappen, welcher hinab fiel als ich meinen Kopf leicht zur Seite bewegte. Am linken Fußende des Plateaus erblickte ich eine Leiter. Ich hatte keinerlei Erinnerungen, wie ich hierher gekommen war oder wo hier überhaupt war. Ich musste unbedingt herausfinden was passiert war. Langsam richtete ich mich auf, doch schon bei der kleinsten Bewegung schoß ein dumpfer Schmerz durch meine Seite. Verwirrt sah ich an mir herunter und erblickte erst jetzt den großen Verband, der um meinen Bauch gewickelt war. Wieso konnte ich mich an nichts erinnern? Erneut schoßen mir diese merkwürdigen Bilder in den Kopf. Hatte ich das nur geträumt oder war das wirklich passiert? Ich musste dringend Antworten finden, doch das würde ich wohl kaum von hier oben schaffen. Also atmete ich einmal tief durch und legte vorsichtig eine Hand auf meine Wunde, ehe ich mich mit der wenigen Kraft, die sich noch in meinem Körper befand, erhob und Schritt für Schritt auf die Leiter zu ging. Immer wieder schoß dabei ein unangenehmes Ziehen durch meine Seite, doch letztendlich schaffte ich es bis zu meinem Ziel und ich konnte einen Blick von dem Raum unter mir erhaschen.

Ich erkannte einige Tische, Stühle und Kisten. Überall lagen Zettel und merkwürdige Gegenstände verteilt und in einer Ecke erblickte ich einen Schild, der mir merkwürdig bekannt vorkam. Angestrengt überlegend kniff ich die Augen zusammen, im Versuch das Zeichen darauf zu erkennen, doch vergebens. Also beschloss ich die Leiter hinabzusteigen und es von Nahem zu betrachten. Behutsam drehte ich mich um und machte den ersten Schritt auf die schmalen Holzplanken. Dies war die gute Seite, nun die Schlechte. Ich atmete noch einmal tief durch und verlagerte mein Gewicht auf den linken Fuß. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper und seine Wucht traf mich so stark, dass es mich für einen Moment völlig aus der Bahn warf und all meine Sinne betäubte.

Ein Schrei entfloh meiner Kehle, als ich ungeschützt zu Boden fiel und mein Gesicht verzog sich zu einer gequälten Miene. Für einige Sekunden verspürte ich nichts als den gleißende Schmerz der Wunde. Mein Atem wurde abgehackter und ich presste fest die Hand auf meine Seite, da vernahm ich unterbewusst Schritte. Die Tür öffnete sich schlagartig und jemand rief meinen Namen. Mühsam öffnete ich leicht die Augen und was ich sah, ließ mich den Schmerz beinahe schon wieder vergessen: Hicks der Hühne kniete neben mir und musterte mich mit allamierten Blick. Er schien auf mich einzureden, doch die Fragen in meinem Kopf und das Stechen in meiner Seite überdeckten all seine Worte. Und denoch schien es auf irgendeine Weise zu helfen. Vorsichtig half er mir in eine aufrechte Position und lehnte mich sanft an eine der großen Holztruhen. Und nach einigen Minuten beruhigte sich meine Atmung wieder und ich war endlich in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Verwirrt sah ich zu dem Wikinger auf und wusste nicht ganz wo ich anfangen sollte. So vieles war passiert, so oft stellten sich Streit und Verrat zwischen uns und doch saß er nun hier und passte auf mich auf. Wieso? "Bruder... Was ist passiert? Wo bin ich?" Mitleidig blickte er mir entgegen, etwas was ich schon beinahe vergessen hatte. Wie lang war es her, dass ich das letzte Mal solche Fürsorge mir gegenüber in den Augen meines Bruders sah? Es fühlte sich auf jeden Fall wie eine Ewigkeit an. "Erinnerst du dich wirklich an gar nichts mehr?" Ich sah für einen Moment zu Boden und dachte angestrengt nach. "Ich erinnere mich an die Drachenjäger.. und an euren Angriff...Dagur und ich wollten fliehen, aber wir wurden getrennt. Er sagte, er würde nachkommen..." "Als wir dich gefunden haben, warst du leichenblass und hattest einen Pfeil in deiner Seite stecken. Du bist ohne eine Erklärung zusammengebrochen und hast das Bewusstsein verloren. Also haben wir dich mit auf die Drachenklippe genommen, um uns um deine Wunde zu kümmern. Du bist zwar ab und zu aufgewacht, aber nie lang genug um mit dir zu reden." Da erinnerte ich mich plötzlich wieder. Dagur hatte mich durch den Wald geschickt, um unbemerkt zum Hafen zu gelangen. Doch ich wurde angegriffen. Mein Blick schwenkte zu dem Verband um meinen Bauch und die Wunde, die darunter verborgen lag. Ich war einfach gelaufen, immer weiter und dann stand ich da, an diesem Strand und alles wurde schwarz. Das war wohl der Punkt gewesen an dem ich mein Bewusstsein verloren hatte. "Was ist mit Dagur? Ist er wohl auf?" Besorgt sah ich zu dem Häuptlingssohn auf, doch dieser senkte auf meine Frage hin nur seinen Blick gen Boden und schwieg einen Moment, eher er zögerlich den Kopf schüttelte. "Du warst in dieser Nacht die Einzige, der wir dort begegnet sind. Keiner weiß, was mit ihm passiert ist und wir haben auch nichts neues mehr von ihm gehört. Es tut mir leid..."

Für einen Moment konnte ich nur schweigend ins Leere starren.
Das durfte nicht sein. Es durfte einfach nicht wahr sein. Ich durfte ihn nicht auch noch verlieren, nicht nach allem was passiert war. Er hatte gesagt, er würde nachkommen. Wir wollten abhauen und alles hinter uns lassen. Wir wollten gemeinsam in Frieden leben, weit weg von allen anderen. Wieso war er bloß nicht nachgekommen? Tränen schoßen mir in die Augen und ein leises Schluchzend entfloh meiner Kehle. Ich hatte alles verloren..erneut...
Und ich weinte. Ich weinte um den Verlust meines einzigen Freundes, meines Bruders, meiner Familie.
Eine schuppige Drachenschnauze stupste mich plötzlich an und Ohnezahn schmiegte sich sanft an mich. Der Nachtschatten spürte meinen Schmerz und obwohl Dagur ihr Feind gewesen war, leisteten Hicks und sein Drache mir Gesellschaft in meinem Kummer. Und ein wenig spendete es mir Trost.

"Warum tust du das Hicks? Ich bin dein Feind, ich habe dich verraten. Warum hast du mich nicht einfach zum sterben an diesem Strand zurückgelassen?"
Müde sah ich zu dem Berkianer neben mir auf, während ich mit immernoch leicht zittrigen Händen über die Haut des Flügelwesens strich. Dieser hingegen starrte eine Weile ins Nichts und schien selbst erst eine richtige Antwort finden zu müssen. "Wir waren vielleicht nicht immer gleicher Meinung und es ist viel seit unserer Kindheit passiert, aber du bist und bleibst für immer meine Schwester, Luna. Ich könnte dich nie einfach zum sterben zurücklassen." In diesem Moment wusste ich meine Gedanken nicht in Worte zu fassen. Jahre lang hatte ich geglaubt, Hicks würde mich hassen. Nie dachte ich, er könnte mich tatsächlich noch als seine Familie betrachten. Hatte ich mich etwa die ganze Zeit getäuscht? "Weißt du... vielleicht ist es nicht wichtig, was falsch war... sonder was echt war. Möglicherweise brauchen wir alle einfach einen Neuanfang..."

Ruhig verweilte mein Blick auf dem schwarzen Nachtschatten, während ich meine Gedanken wandern ließ. Ein Neuanfang. Ob ich das wirklich könnte? Ich hatte immer daran geglaubt, dass alles hätte gut werden können, dass ich mit Dagur irgendwann ein friedliches Leben hätte führen können. Und dafür war ich bereit eine Menge zu geben. Doch nun war Dagur fort und mit ihm alles, was ich mir erträumt hatte. Nach dem ersten Angriff der Drachenreiter auf die Drachenjägerschiffe hatte ich beschlossen, die Vergangenheit hinter mir zu lassen und mit Dagur ein neues Kapitel anzufangen. Doch dieses würde nun für immer ungeschrieben bleiben. War es richtig, diese Geschichte also für immer unvollendet zu lassen? Oder sollte ich vielleicht versuchen einen anderen Weg zu gehen, Dagur zu Liebe die Geschichte auf ein andere Weise fortzuführen? Ich hatte stets daran geglaubt, dass er und seine Schwester irgendwann wieder vereint sein könnten. Und mich beschlich das Gefühl, dass er die selbe Hoffnung hatte, als er mich in diesen Wald schickte. Er wusste, dass ich den Hafen niemals erreichen würde.

Er hatte an mich geglaubt und nun war es an der Zeit, dass ich das Selbe tat.

Vielleicht hatte Hicks also recht und es wurde endlich Zeit für einen Neuanfang.

Die Erzählungen einer Drachenreiterin.         [Dragons FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt