Schwur

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"Das ist so unfair!" Frustriert katapultierte der braunhaarige Wikinger den kleinen Stein ins grüne Dickicht. "Warum kann Vater mir nicht einmal vertrauen? Würde er mir nur einmal eine Chance geben, könnte ich ihm beweisen, dass ich genauso gut bin wie die anderen." Wir liefen nun schon eine Weile durch die Wälder Berks und Hicks nutzte die Gelegenheit, um seinem Ärger etwas Platz zu schaffen. "Wenn ich es nur schaffe, einen einzigen Drachen zu erlegen, dann kann ich es allen zeigen. Hicks, der Drachentöter, das wäre doch was." "Hicks, du musst niemandem was beweisen. Du bist doch viel besser als die. Wann siehst du das endlich ein?" Es ging nun schon seit Jahren so. Immer wieder versuchte mein Bruder unseren Vater stolz zu machen und brachte dabei jedes Mal seines und oft auch das Leben anderer in Gefahr. Erst vergangene Nacht hatte er sich bei einem Drachenangriff davon gestohlen, um einen Drachen zu töten und hatte bei dem Versuch gleich mehrere Hütten in Brand gesteckt. Ein Wikinger hatte sich meines Wissens nach sogar den Arm verstaucht, bei dem Versuch Hicks vor seinem echsenartigen Verfolger zu retten. In der Regel endete es nie gut und da ich meinen Bruder natürlich immer unterstützte, landete ich zumeist mit im Schlamassel. Um dann den strafenden und entäuschten Blicke der anderen zu entgehen, fanden wir uns oft im Wald wieder und spazierten stundenlang durch die ruhige Natur. Heute war es nicht anders.
"Ich weiß, du meinst es gut, aber wir wissen doch beide wie enttäuscht Vater immer ist. Allein mein Name; Hicks. Hätte man Vaters Unglück eigentlich noch offensichtlicher zum Ausdruck bringen können?" Ich wusste wie sehr Hicks sich jeden Tag unter Druck setzte und mit jedem Fehlschlag wurde es schlimmer. Doch ich kannte seinen Wert und sah das große Potential in seinem Denken und Handeln. Ich wünschte nur er würde das auch endlich erkennen. Andererseits wusste ich auch wie schwer es sein konnte, sich von so etwas zu überzeugen, wenn jederman stets das Gegenteil behauptete. Ich war vielleicht nicht sonderlich schwach oder ungeschickt, doch meine Sturheit und eigensinnige Natur hatten mir schon oft genug Ärger eingebracht. Vater hatte wohl wirklich nicht viel Glück gehabt mit seinen Kindern. Dennoch weigerte ich mich die Meinung der Dorfbewohner bezüglich meines Bruders zu akzeptieren und ich würde nie aufhören ihn zu unterstützen, egal wie gefährlich es noch werden würde.

Wir hatten mittlerweile die Klippe an der Südseite der Insel erreicht - unser üblicher Rückzugsort, an den wir oft kamen um vor der Welt zu fliehen oder Ausschau nach Schiffen zu halten, wenn Vater einmal wieder unterwegs war. Seufzend ließ ich mich im weichen Gras nieder und auch Hicks ließ sich frustriert zu Boden fallen. So saßen wir eine Weile in Schweigen und verfolgten jeweils unsere eigenen Gedanken. Eine sanfte Brise wehte durch mein Haar und die Sonne begann bereits zu sinken. Das Meer war ruhig an diesem Tag und auch mein Geist überkam eine angenehme Ruhe. Ich wäre am liebsten für immer in diesem Moment geblieben, weit weg von allem, nur ich und Hicks und die friedliche Natur um uns herum. Da kam mir ein Gedanke.
"Hicks, lass uns einen Schwur ablegen." Verwirrt sah mein Bruder zu mir hinüber. "Ein Schwur? Worüber?" "Dass wir für immer zusammen bleiben, egal was passiert. Wir beide, für immer, gegen den Rest der Welt. Und wenn wir uns mal ganz schlimm streiten, dann müssen wir uns wieder vertragen, egal wie schwer es sein mag." Während ich dies sagte, hielt ich meinen Blick gen Horizont gerichtet, als könnte ich dort sehen, was noch alles auf uns zukommen würde. Und hätte ich es gekonnt, wäre mir vielleicht schon damals bewusst geworden, wie wichtig dieses Versprechen einmal sein würde.
"Ich schwöre es."

***

Selten hatte ich mich in meinem Leben so unangenehm gefühlt wie in diesem Moment. Und scheinbar war ich damit nicht die Einzige. Die Anspannung im Raum war förmlich greifbar, als ich den Drachenreitern in ihrem Gemeinschaftsraum gegenüber stand und mit aller Kraft dem Instinkt widerstand einfach weg zu rennen. Nicht nur dass ich mich auf einer Insel ohne Fluchtmöglichkeit befand und meine Verletzung mich noch von derartigen sportlichen Aktivitäten abhielt; ich hatte Hicks auch versprochen, mich um eine Versöhnung mit seinen Freunden zu bemühen. So hatten wir uns nun hier versammelt und keiner wagte es die geladene Stille zu unterbrechen. Immer wieder spürte ich die durchbohrenden Blicke der anderen und auch die Drachen waren sichtlich bereit, jederzeit anzugreifen. Selbst Hicks schien nichts einzufallen, um ein Gespräch zu beginnen.

Die Erzählungen einer Drachenreiterin.         [Dragons FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt