Ich wusste dieser Tag würde kommen und dennoch hatte ich in diesem Moment keine Ahnung was ich tun sollte. Mir war bewusst gewesen, dass ich mich nicht ewig verstecken konnte und dennoch hatte ich mich nie darauf vorbereitet. Ich wusste nicht wieso, doch im Nachhinein fühlte es sich auch irgendwie gut an, keine Lügen mehr, keine Geheimnisse. Doch in mir hatte ich immer noch das Gefühl, dass sich in Zukunft noch so viel mehr ändern sollte.
Es begann an einem sonnigen Tag mitten auf dem Ozean. Es war ruhig und die Langeweile war erdrückend. "Hey, Dagur, wo warst du eigentlich?" fragte ich um die Stille zu unterbrechen. Dagur hatte sich vor einigen Wochen mit ein paar Schiffen von der Flotte getrennt und war erst vor ein paar Tagen wieder gekommen. Mitgebracht hatte er neue Verpflegung ,Kleider ,Waffen und so manch anderen kuriosen Gegenstand, doch eins wusste ich: er hatte diese Dinge keinesfalls von einem Markt. "Auf irgend so 'ner Insel." "Was wolltest du denn auf irgend so einer Insel?" Den Blick nicht von den Wellen nehmend, antwortete er abwesend "Ach nichts..." Ich konnte einen kleinen Blick auf sein Gesicht erhaschen und man sah in seinen Augen ,dass er log. Dies war wohlmöglich seine einzige Schwachstelle, seine Augen waren ein Fenster in seine Seele, wenn man nur wusste, wie man es öffnete. Mit skeptischem Blick starrte ich ihn an und als er sich dann endlich einen kurzen Schulterblick erlaubte, seufzte er genervt "Na gut. Ich hatte eventuell gehört, dass meine Schwester dort lebt." Er wand sich wieder den Wellen zu, jeglichen Blickkontakt vermeidend, denn er wusste wie mich das Thema Geheimnisse in Rage versetzen konnte. Und das war ein verdammt großes Geheimnis. "Warte, Schwester?!" "Ja ,Schwester." Nun war ich völlig irritiert ,ich dachte ich würde den Mann kennen für den ich mein altes Leben opferte, für den ich meine Familie, meinen Bruder, opferte, doch offensichtlich lag ich falsch. "Was?! Seit wann hast du eine Schwester?" Ich fühlte den Drang ihn an zu schreien, ihm Vorwürfe zu machen, meine Hände ballten sich bereits zu Fäusten, doch ich hielt mich zurück und dann antwortete Dagur "Ich denke... seit sie geboren ist. Ist doch logisch, oder?" Ich atmete tief ein und aus, lauschte kurz meinem ungleichmäßigen Herzschlag und meine Faust lockerte sich wieder. Es hatte keinen Sinn jetzt den letzten Nerv zu verlieren. "Okay, dann erzähl mir doch bitte die ganze Geschichte ,damit ich das alles auch verstehe." Er wusste das in diesem Moment viel auf dem Spiel stand. Ich war stets sehr geduldig und loyal, doch wenn es den Anschein machte, ich könne meinem Gegenüber nicht vertrauen, so war ich auch nicht mehr gewillt ihm meine Wohlwollen entgegen zu bringen. Und so begann er nach einigem Zögern zu erzählen, von seiner Mutter, seinem Vater und seiner kleinen Schwester. Er erzählte von dem Schild mit dem sie immer gespielt hatte und von dem Tag an dem er sie den Wellen überlies.
Zwei Tage waren vergangen, seit Dagur mir seine Geschichte erzählt hatte und seit dem suchten wir nach seiner Schwester. Er war der Meinung, es wäre nützlich sie auf unserer Seite zu haben, wenn wir die Drachenbasis angriffen und auch wenn er im Prinzip recht hatte, schien es mir doch eher fragwürdig ob seine Schwester sich uns wirklich anschließen würde. Der Rotschopf hatte mir ihren Namen nie verraten, doch ich wollte ihn auch nicht fragen, das wäre unsensibel. Allerdings hatte er mir verraten , dass sie ebenso wie mein Bruder und seine Freunde auf einem Drachen flog. Wir nahmen an, dass sie auf Rache sandte, da Dagur in ihr Dorf eingefallen war und was er getan hatte, wollte ich gar nicht wissen. Seine konkreten Worte 'nach Auskunft gefragt' hatten mir gereicht. Es war schon immer so zwischen dem Berserker und mir, fast wie ein stilles Abkommen. Keiner sprach den jeweils anderen auf seine Vergangenheit oder ähnlich unangenehme Themen an, es sei denn ein Gespräch war unvermeidbar, so wie vor wenigen Tagen. Und so stand ich nun wieder einmal an der Reling und sah in die Tiefen des Meeres. Es schien so endlos und düster, es machte mich irgendwie traurig, also sah ich hinauf in der Hoffnung, dort etwas schöneres zu finden, doch leider sah ich nur einen einzelnen Vogel über uns kreisen. Er hatte so vieles was ich nicht hatte. Er war frei und konnte tun was immer er wollte und hin gehen wo auch immer er wollte, er hatte keine Regeln, keine Verantwortungen. Natürlich könnte nun jemand sagen, dass ich diese Privilegien ebenso besaß, seit ich von Zuhause geflohen war, doch das wäre eine Lüge. Ich war nicht frei und ich konnte auch nicht einfach tun was mir gerade in den Sinn kam, überall gab es Regeln, ein Mensch konnte an keinen Ort gelangen an dem es keine Regeln gab, im Grunde war man nie frei, man dachte es nur. Während ich so nachdachte, beobachtete ich weiterhin den Vogel, wie er seine Kreise zog, doch umso länger ich ihn ansah umso weniger sah er noch aus wie ein Vogel. Das was sein Gefieder sein sollte, wirkte glatt und reflektierte das Sonnenlicht, wie ein Stern am hellen Tag, er war lang, riesige Flügel erstreckten sich an seinen Seiten und er besaß einen langen, stachligen Schwanz.
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Die Erzählungen einer Drachenreiterin. [Dragons FF]
Fanfiction'Es ist schwer in einer Welt in der Menschen dich vergessen und dich nur noch an deinen Taten in Erinnerung halten. Denn hast du einmal etwas schlechtes getan, werden sich nur noch die wenigsten an das Gute erinnern, das vielleicht einmal da war. Me...