Ausbruch

216 7 0
                                    

Es war eine angenehme Nacht, der Mond schien und die Sterne funkelten in der Dunkelheit. Fackeln beleuchteten den kleinen Hafen. Ich wartete nun schon eine halbe Stunde, doch von ihm nichts zu sehen, ich war allein hier und wartete auf einem der wenigen Schiffe.

Nach mehreren Minuten erblickte ich endlich eine mir nur zu gut bekannte Person. "Wo warst du solange?" fragte ich den Rothaarigen genervt. "Hey, schön ruhig bleiben, schließlich musstest du nicht aus einem Gefängnis ausbrechen." Er hatte Recht, auch wenn die Verbannten nicht die hellsten waren, so waren sie doch passable Kämpfer- zumindest gegen einen Unbewaffneten. Der Berserkerhäuptling ging auf sein Schiff und nahm sich ein paar Waffen. "Wie bist du überhaupt hier her gekommen, ohne dass es deine kleinen Freunde merken?" "Als ob es irgendjemanden scheren würde, wo ich zu später Stunde hin verschwinde." antwortete ich wahrheitsgemäß. Zu Anfangs waren sie vielleicht noch misstrauisch gewesen, doch über die Jahre war ich aus ihrem Verstand verschwunden. Für die Menschen existierte ich nur noch, wenn ich ihnen im Weg stand. "Was hast du vor?" fragte ich,als er mit mehreren Waffen im Arm wieder zu mir kam und mir eine Axt in die Hand drückte. "Ich werde meine Männer befreien. Du passt solang auf die Schiffe auf." Und schon war er wieder im Dickicht verschwunden.

Nach wenigen Minuten hörte ich Schritte, die sich langsam näherten, doch es war kein Berserker, den ich in der Ferne erblickte. Schnell versteckte ich mich hinter einem leeren Fass und versuchte mich nicht zu bewegen. Laut pfeifend schlenderte die Wache an mir vorbei und zog es nicht einmal in Erwägung stehen zu bleiben. Ich wollte gerade erleichtert aufatmen, als es plötzlich im Gebüsch raschelt und die Berserker hervor traten. Als die Wache die Flüchtigen erblickte, blieb er geschockt stehen und auch die Berserker bewegten sich nicht. Ein genervtes Seufzen entfloh meiner Kehle, ich sprang blitzschnell hinter dem Fass hervor und warf mit dem Axtgriff nach dem Verbannten. Er traf und die Wache fiel zu Boden, nun war ich für alle sichtbar. "Perfektes Timing!" meinte Dagur gelassen, während er auf mich zukam. "Dazu habt ihr mich ja." "Und ich bin froh darüber. Diese Aktion zeugt von deiner Loyalität zu mir." Gemeinsam gingen wir auf das Schiff ,gefolgt von seinen Männern. "Was hast du jetzt vor?" fragte ich leise. "Rache!" Die Art wie er es aussprach, so voller Hass, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Entschlossen wandt er sich zu einem seiner Offiziere. "Los, verschwinden wir endlich von dieser schäbigen Insel." Und so stachen wir still und heimlich in See und verschwanden in der Finsternis.

Wir befanden uns auf dem offenen Meer, es dämmerte bereits, da hörte ich eine Wache rufen. Schnell ging ich an Deck und versuchte etwas in der langsam aufhellenden Dunkelheit zu erkennen. Dagur kam ebenfalls und sah durch ein Fernglas auf das Meer. "Ein Schiff. Vielleicht hat es Vorräte oder sogar Gold." murmelte er vor sich hin. "Haltet auf das Schiff zu und bereit machen zum kapern!" Er hatte Recht, es war ein Schiff, jedoch nicht nur irgendeins, ich würde es überall wieder erkennen, so vertraut war mir das Gesicht, das man durch das Fernglas sah. Es war Händler Johann.

Verängstigt hielt er eine Keule in die Höhe und versuchte uns damit zu drohen, als wir ankamen, auch wenn er aussah wie ein verängstigter Welpe und am ganzen Leib zitterte. Und als Dagur dann auch noch mit seinem fiesen Grinsen im Gesicht hervor trat, schrie Johann panisch auf und fuchtelte mit seinem Spielzeug in der Gegend herum. Mich erkannte er zum Glück nicht ,da ich mir die Kapuze meines alten Umhangs tief ins Gesicht gezogen hatte. Ein Hieb und der in die Jahre gekommene Mann war entwaffnet, der Rotschopf drängte ihn immer weiter zurück, bis Johann über eine Kiste stolperte und hinfiel. Dagur setzte dem verängstigten Mann die Klinge an den Hals und als ich seine Absichten erkannte, hechtete ich vor. "Halt, tu das nicht!" Verständnislos sah der Berserker mich an "Warum?" "Johann ist unschuldig. Außerdem hat er dir sogar einmal geholfen." Irritierte Blicke folgten. "Er hat die im Rauch verschwindenden Qualmdrachen für dich auf Berk gebracht." Kurz dachte er nach, doch dann stimmte er widerwillig zu. "Na gut, er bleibt am Leben. Sperrt ihn ein, vielleicht weiß er ja noch was!" Und so geschah es. Dagurs Männer brachten Händler Johann auf unser Schiff ,ein Paar andere transportierten alle Wertgegenstände in unseren Frachtraum. Dagur ging derweil in die Kapitänskajüte und ich folgte ihm.

Was wir vorfanden war ein reines Chaos. Man sollte meinen, bei einem so erfahrenen Händler wäre alles sauber und geordnet ,doch hier lagen überall Zettel, Landkarten, Bücher, Tintenfässer und andere Utensilien herum. "Was für 'n Saustall" meinte auch der Berserker und begann die Unterlagen zu durchwühlen. "Wonach suchen wir?" fragte ich, als ich begann ihm zu helfen. "Nach irgendwas wichtigem, wir brauchen Gold für eine neue Armada!" Innerlich verdrehte ich die Augen, der Mann brauchte aber auch immer eine Armada, die ihm den Rücken stärkte. Nach 5 Minuten hatten wir immer noch nichts nützliches gefunden und als einer von Dagurs Männern eintrat und meinte ,dass wir abfahrtbereit wären ,begaben wir uns wieder auf unser Schiff.

Seit wir weiter gefahren waren ,saß Dagur grübelnd auf seinem Stuhl und überlegte ,wo wir denn nun Gold herbekommen sollten. Ich fragte mich ,was Hicks und die anderen wohl gerade taten. Ob Vater sich Sorgen machen würde? Wohl kaum, ich war doch schon immer eine Enttäuschung, vielleicht hatte er es auch noch nicht einmal bemerkt. Seit dem Krieg mit dem Berserkern war ich nicht wirklich beliebt gewesen, vermutlich weil ich auf Dagurs Seite stand. Es war egal ob du etwas getan hattest oder nur zusiehst, solang man auf der falschen Seite stand war man ein Feind. Selbst Hicks und Vater hatten sich schwer getan mich zu akzeptieren, es waren die schrecklichsten 3 Jahre meines Lebens. Umso glücklicher war ich ,als ich von Dagurs Plan hörte. Er hatte nicht nur ihn ,sondern auch mich befreit. Ich wusste, er war ein Feind meines Stammes und dennoch fühlte ich mich an seiner Seite mehr willkommen als in meiner eigenen Heimat. Und war ich nicht auch nur ein Mensch? Sehnten wir uns nicht alle nach diesem einen Ort, an dem man stets willkommen war und akzeptiert wurde? Nun, Dagur war wohl die Person, der ich mich momentan am ehesten so verbunden fühlte. Vielleicht sehnte ich mich aber auch nur nach dem Vergangenen.

Soeben genannter Berserker riss mich in gerade diesem Moment auch schon aus meinen düsteren Gedanken. "Hey, was machst du da eigentlich?" Verwirrt sah ich zu ihm auf, dann runter zu der Kiste in meinen Händen. Ich hatte von Johanns Schiff mehrere Landkarten ,Bücher und Auktionskataloge mitgenommen, momentan hielt ich eine Karte von Berk und den umliegenden Inseln in der Hand. "Ich schau mir ein paar von Johanns Karten an, vielleicht finde ich ja noch was. Wir könnten natürlich auch einfach fragen gehen, würde das ganze einfacher machen." Dagur überlegte kurz ,bevor er meinte ,das dies eine gute Idee sei und schulterzuckend aus dem Raum verschwand. Mit hochgezogener Augenbraue sah ich ihm hinterher ,bevor ich ebenfalls mit den Schultern zuckte und mich wieder den Karten zu wand. Ich hatte ein paar Zettel entdeckt mit Namen und Orten ,dahinter standen Summen, vermutlich das was Johann durch die Personen erworben hatte. Und es waren wirklich hohe Summen, was darauf schließen lies, das bei diesen Leuten vermutlich eine ganze Menge zu holen war. Ich breitete eine Karte auf dem Tisch aus, auf welcher man bis über unser Inselreich hinaus blicken konnte. Ich nahm die ersten Standorte ,markierte sie und schrieb die passenden Namen dazu.

Ich kannte Dagur schon seit meiner frühen Kindheit, damals begegneten wir uns als die Kinder zweier verbündeter Stammesoberhäupter. Dagur war etwas älter als ich und ich lernte bereitwillig alles was er mir zeigte. Wir verstanden uns einfach schon immer recht gut, vielleicht weil wir beide nicht so ganz in unsere Umgebung gepasst  hatten. Ich war eine der wenigsten Personen die mit den Launen des Rotschopfes umgehen konnten und im Gegenzug sah er es mit mir stets etwas entspannter. Wir vertrauten einander und auch wenn ich diese Verbundenheit vor drei Jahren sehr auf die Probe gestellt hatte, so empfand ich nun nur noch mehr Loyalität gegenüber dem Berserkerhäuptling.

Als ich gerade mit einem weiteren Punkt fertig war, betrat Dagur wieder den Raum, stellte sich mir gegenüber an den Tisch und zeigte auf einen Punkt am Rande des uns bekannten Inselreiches "Da werden wir hinsegeln. Da warten eine Menge Schätze auf uns und dann kommen wir meiner Rache schon einen Schritt näher!" Darauf folgte ein teuflisch verrücktes Lachen und er lies sich in seinen Stuhl fallen. Rohling betrat den Raum "Chef, wir haben eine Insel erreicht. Sollen wir den Gefangenen jetzt absetzten?" "Ja, soll er doch versauern. Interressiert mich nicht!" Und somit verlies Rohling den Raum wieder, Johann wurde abgesetzt und wir machten uns auf den Weg in ein für mich völlig neues Gebiet.

Hätte ich nur damals schon gewusst wie viel Unheil die Zukunft über mich bringen würde.

Die Erzählungen einer Drachenreiterin.         [Dragons FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt