"Die Heilung scheint gut voran zu gehen. Noch ein paar Tage und du wirst schon ganz vergessen haben, dass die Wunde überhaupt existiert hat." Lächelnd sah Fischbein zu mir hinunter und verstaute die Wundsalbe wieder in seiner Tasche, während ich mich seufzend aufrichtete und meine Kleidung zurecht rückte. Dankbar verabschiedete Hicks seinen Freund und begleitete ihn noch nach draußen. Ich blieb, und nur ein Gedanke waberte durch meinen Verstand: Nun war es also soweit. Schon bald würde ich die Drachenklippe verlassen müssen und wäre komplett auf mich allein gestellt. Es war ein beängstigender Gedanke. Ich hatte niemanden an den ich mich wenden konnte, noch einen Ort an dem ich bedenkenlos bleiben könnte. Nicht zu vergessen die Gefahr, die von den Drachenjägern ausging, die in jeder Ecke des Inselreiches auflauerten. Mit jedem Tag der verstrich, wünschte ich mir mehr, die Zeit einfach anhalten zu können, um dieser schrecklichen Gewissheit zu entgehen. Doch es war zwecklos. Man konnte die Zeit nicht anhalten und auch nicht zurück drehen, dass hatte das Leben schon oft genug bewiesen. Leider schien es auch nie besser zu werden. Doch was blieb einem einfachen Menschen wie mir anderes übrig als sein Schicksal zu akzeptieren? Die Götter schienen diesen Weg für mich vorgesehen zu haben, also würde ich ihm folgen. Vielleicht waren sie mir ja irgendwann so gewogen, dass ich mich wenigstens an Viggo Grimmborn rächen durfte für all das, was er mir genommen hatte.
Doch noch ehe neue Wut in mir aufkeimen konnte, betrat Hicks wieder die Hütte und ging hinüber zu seinem Schreibtisch. Ich blieb vor der Feuerstelle sitzen - die Ohnezahn freundlicher Weise neu entflammt hatte - und sah in die wärmende Glut. Mein Bruder schien das Ganze nicht sonderlich ernst zu nehmen. Ich wusste nicht, ob er es einfach verdrängte oder es ihm wirklich egal war, auch wenn meine innere Stimme mir gern letzteres Weis machte. Für ihn lief der Alltag ganz normal weiter und ich hatte mich bisher auch noch nicht getraut, das Thema anzusprechen. Unsere Beziehung ging nach all den Jahren endlich wieder Berg auf und ich wollte diesen Fortschritt ganz sicher nicht wieder zunichte machen, doch langsam aber sicher wäre dieses Gespräch wohl nicht mehr zu vermeiden. Warum also nicht jetzt ansprechen, bevor es zu spät wäre? "Du weißt was das bedeutet?" "Was meinst du?" "Die Wunde heilt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich die Insel verlassen muss und nie wieder kehren darf." Nun hielt Hicks inne und ließ langsam die Schultern sinken. Leise seufzend setzte er sich zu mir und sah ebenfalls ins Feuer, während er sanft seinen Drachen streichelte. "Du musst nicht gehen, wenn du nicht willst. Vielleicht kann ich nochmal mit Astrid reden, sie wird sicher-" "Hicks." Aus traurigen Augen sah der Wikinger zu mir hinüber und ich wusste, auch er war nicht glücklich über das was vor uns lag, doch keiner von uns hatte wirklich Hoffnung, dass es sich noch zum Guten wenden würde. "Es ist in Ordnung. Es war schon unerwartet, dass ich überhaupt hier bleiben durfte und das wir diese zweite Chance hatten war fantastisch. Aber wir sollten unser Glück nicht herausfordern. Ihr seid ein Team, eine Familie, und ich gehöre nicht hier her, das habe ich noch nie. Wenn die anderen mich also nicht hier haben wollen, müssen wir das akzeptieren. Ich möchte nicht, das meinetwegen ein Streit ausbricht." "Aber die Anderen wollen doch gar nicht, dass du gehst. Fischbein versteht sich doch mittlerweile auch mit dir." "Rotzbacke und die Zwillinge hegen trotzdem berechtigte Zweifel und über Astrids Meinung müssen wir gar nicht reden. Und wäre ich an ihrer Stelle würde ich dich auch rügen, dass du viel zu gutgläubig bist." Schweigend saßen wir eine Weile da, keiner wusste was er sagen sollte, doch schnell wurde klar, dass dies möglicherweise eines der letzten Male seine würde, in denen wir so ruhig beieinander saßen.
"Wo willst du denn überhaupt hin?", erhob Hicks nach einer Weile wieder seine Stimme. "Ich weiß nicht..." "Und wenn du mit Vater sprichst?" "Na da kann ich mich auch gleich in die Höhle eines flüsternden Todes stürzen." Leises Kichern brach unter uns aus und eine Wärme stieg in mir auf, die ich nur selten in meinem Leben verspürt hatte. Es war diese Art von Wärme, die man verspürte, wenn man wusste, dass man nicht allein war, dass es tatsächlich Menschen gab an deren Seite du einen Platz hattest. Die Wärme einer Familie, einer Heimat. Und der Gedanke all das bald wieder zu verlieren, trieb mir beinahe Tränen in die Augen. Wäre nicht gerade in diesem Moment Fischbein erneut durch die Tür gestürzt. "Hicks, komm schnell! Astrid ist wieder zurück und sie sieht gar nicht gut aus." Sofort sprang der Häuptlingssohn allarmiert auf und sah kurz zu mir hinunter. Sanft lächelnd erwiderte ich den Blick, nickte kurz und sah ihm dann leicht besorgt nach, als er stürmisch die Hütte verließ.
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Die Erzählungen einer Drachenreiterin. [Dragons FF]
Fanfic'Es ist schwer in einer Welt in der Menschen dich vergessen und dich nur noch an deinen Taten in Erinnerung halten. Denn hast du einmal etwas schlechtes getan, werden sich nur noch die wenigsten an das Gute erinnern, das vielleicht einmal da war. Me...