Kapitel 1

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Die Sonnenstrahlen knallen brutal vom Himmel herab und produzieren eine brüllende Hitze. Dass der Rathausplatz voller Menschen ist, die dieses Event nicht verpassen möchten, macht es nicht besser.
Der Stuhl auf dem ich sitze ist hart und unbequem, es sind vielleicht gerade mal zehn Minuten vergangen und mir schläft jetzt schon der Hintern ein. Zu unserem Schutz wurden riesige Planen über die Stuhlreihen gespannt, die sich vor dem Rednerpodium tummeln.

Unruhig schaue ich mir die anderen jungen Erwachsenen in meinem Alter an, die ebenfalls hier sitzen müssen. Alle haben einen angespannten Gesichtsausdruck, zusammengepresste Lippen und jeder hat den Kragen seines Hemdes oder ihrer Bluse schon nassgeschwitzt.

„Was meinst du, wieso lassen sie uns warten?“. Emma neben mir pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nimmt dann ihren Fächer wieder hoch und wedelt uns beiden Luft zu.

„Naja, ohne die Kapitäne macht das Ganze doch keinen Sinn“. Achselzuckend öffnet sie den obersten Knopf ihrer Bluse und stöhnt leise.

„Meinetwegen können Sie uns auch einfach sagen, wer einberufen wird und wer nicht. Erleichtert allen die Tortur und die armen Seelen die gehen müssen hören nicht die Jubelschreie der Glücklichen, die es nicht werden“.

Ich schaue meine beste Freundin nachdenklich an. Recht hat sie. Und mit ihren Noten kann sie eher eine Akademikerin oder Ärztin werden … und keine Soldatin. Anders wie sonst trägt sie ihre schwarzen Haare nicht zu einem Zopf, sondern zu einem Dutt hochgesteckt, um nicht ihr langes Haar im Nacken zu haben.
Gemurmel erhebt sich, weil alle unruhig werden. Die Zeremonie sollte eigentlich vor einer Viertelstunde beginnen und jeder weiß, wie pünktlich die Flieger sind.
Nervös seine Hände knetend betritt Bürgermeister Osterwald die Bühne. Schaut immer wieder zu seinen Beratern, die ebenfalls ratlos am Rand stehen geblieben sind.

„Guten Tag liebe Bürgerinnen und Bürger“, beginnt er und seine Stimme klingt leicht zittrig.

„Oh je, das kann ja heiter werden“, murmelt Emma neben mir und ich verkneife mir ein Grinsen.

Rebecca vor uns dreht sich zu uns um. Sie trägt ihre kurzen braunen Locken in einem kleinen Zopf zusammen. Die Wenigen, die ihre Haare offen tragen, lüften sie bereits.

„Bin mal gespannt, wie lange seine Rede heute dauert. Irgendwelche Wetten?“.

Ein Zischen noch weiter vor uns lässt uns mit schmunzelnden Mündern wieder auf unsere Sitze zurückfallen. Ich kann Florians Gesicht erkennen, der sich erbost zu uns umgedreht hat. Der Sohn des Bürgermeisters achtet natürlich sehr auf Etikette und Anstand.

„Für die Verzögerung entschuldige ich mich vielmals, die Kapitäne scheinen sich ein wenig zu verspäten“.
Nervös lüftet er ein wenig seine Krawatte, die ihm eng um den Hals gebunden worden war.

„Wie in jedem Jahr findet sich der Abschlussjahrgang unserer Hochschule zusammen, um ihre Pflicht zu erfüllen. Der Krieg hält immer noch Einzug in diese Lande, auch zweihundert Jahre nach dem Auftauchen des ersten Feindes. Und wir sind stolz darauf, dass viele der erfolgreichsten Kapitäne des deutschen Korps aus Nova Scotia 3156 kommen. Die Disziplin und der Ehrgeiz der hier gelehrt wird, ist immer wieder ein wichtiges und ausschlaggebendes Kriterium dafür, erfolgreich zu sein“.

Bürgermeister Osterwald schaut auf die jungen Absolventen, die ihn Reihe um Reihe anstarren.

„Die Testergebnisse Ihrer Abschlussprüfungen wurden ausgewertet und dem Luftkorps zugesandt. Sobald die Kapitäne eintreffen, wird Ihnen das Ergebnis verkündet“.

Wie aufs Stichwort ertönen die Fanfaren. Sofort schnellen alle Köpfe nach oben, recken sich und halten Ausschau.
Wind kommt auf und der tosende Lärm eines herannahenden Sturmes klingelt in meinen Ohren. Die Wimpel an den Fahnen flattern hektisch umher und die Bäume des angrenzenden Parks knacken bedrohlich.

„Da kommen Sie“, flüstert Emma neben mir und nickt in Richtung Osten. Viele andere auch haben sie entdeckt und obwohl normalerweise unser Fluchtinstinkt reagieren sollte, bleiben alle ganz ruhig.
Unglaublich schnell nähern sich die drei Punkte am Horizont, werden immer größer und größer. Schillernd spiegelt sich das Licht der Sonne in ihren Schuppen wider und ein gewaltiges Brüllen erfüllt die Luft.
Die Luft beginnt zu vibrieren und dann hören wir das regelmäßige ‚Wupp‘ der Flügelschläge.

„Und da kommen Sie auch schon!“. Bürgermeister Osterwald winkt hektisch mit seiner Hand und der Nebenplatz wird schnell geräumt, alles muss für die Landung bereitgemacht werden.

Staunend betrachte ich den Prozess. Trotz ihrer Größe setzen sie gleichmäßig und elegant ihre Füße auf dem Boden auf, die eben noch so stark durchwirbelte Luft kommt mit einem Mal zum Stehen.
Majestätisch recken sie die Hälse und schauen aus neugierigen Augen auf uns hinunter. Mir stockt der Atem. Die Drachen sind da!

Love on fire Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt