Kapitel 5

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Die Erde unter uns wird immer kleiner und kleiner. Bald schon erkenne ich kaum noch die einzelnen Gebäude von Nova Scotia 3156 und wickle mich enger in meine Jacke ein. Die Luft wird kühler und kühler.

Der Drache folgt dem von Oberstleutnant Ahrend und dreht ab. Der Gegenwind schneidet kalt ins Gesicht und nach kurzer Zeit klappern mir die Zähne. Emma neben mir scheint es nicht anders zu gehen und die Kraft, mit der der Wind an uns reißt, zwingt uns zum stärkeren Festhalten.
Als Oberstleutnant Sherbaz und ihr Drache aufgeholt haben, drosseln die Drachen etwas das Tempo.

Wer weiß, wie lange wir hier oben noch sitzen werden. Meinem Magen ist das momentan ziemlich egal.

„Oh Gott“, wimmere ich und Emma sieht mit tränenden Augen zu mir herüber.

„Hast du eine Tüte dabei?“, fragt sie und ich schüttle den Kopf.

Sie überreicht mir eine, noch gerade rechtzeitig. Während ich meinen Magen leere, höre ich Oberstleutnant Moreaus verächtliches Schnauben.

„Sei nicht so Matteo, du warst am Anfang auch nicht viel besser!“. Die tiefe Vibration und die dumpfe Stimme wirft meinen überforderten Körper nun komplett aus der Bahn.

Als wir alle erschrocken aufschauen, blinzelt der Drache uns amüsiert zu. „Was denn? Überrascht, dass wir sprechen können?“.

Das Lachen, welches seinen Körper erfasst, lässt uns auf und ab hüpfen.

„Lass das Cletos, du verwirrst sie nur“. Der Drache schnaubt kurz und dreht den Kopf leicht nach hinten, damit ein Auge uns beobachten kann.

„Wir dürfen nicht reden, wenn es zu offiziellen Terminen geht. Das überfordert oft die Menschen“. Oberstleutnant Moreau schüttelt leicht den Kopf und Cletos Auge bewegt sich leicht nach unten.

„Was denn? Darf ich etwa keine Konversation halten?“. Als mein Blick zu den Anderen schweift sehe ich, dass die Drachen anfangen mit ihren Begleitern zu sprechen. Und alle sehen so geschockt aus wie wir.

„Nicht jetzt. Lass uns doch warten, bis wir beim Stützpunkt sind“. Täusche ich mich oder klingt Oberstleutnant Moreau nicht so brummig wie sonst? Und ich habe ihn vielleicht erst eine halbe Stunde lang wirklich erlebt.

„Na gut“. Cletos dreht wieder seinen Kopf nach vorne und fliegt stumm weiter.

Das dröhnende Lachen der anderen Drachen dringt zu uns herüber und irgendwie tut Cletos mir leid. Er scheint freundlich zu sein. Freundlicher wie sein Kapitän.

Kopfschüttelnd über meine eigenen Gedanken bemerke ich, dass mein Magen sich langsam an den Flug gewöhnt hat. Und neugierig geworden werfe ich einen Blick über die unter uns herziehende Landschaft.

Überall wo ich auch hinsehe, erblicke ich grüne Wälder und Felder. Kleinere Seen, die zwischendurch vereinzelt die Landschaft etwas blauer machen. Ab und an taucht eine kleine Stadt unter uns auf, verschwindet aber genauso schnell wieder. Die Wolken über uns sehen so zum Greifen nah aus, dass ich unbewusst eine Hand hochstrecke, die sofort vom Wind nach hinten gedrückt wird.

Emma neben mir entspannt sich auch mehr und mehr und ihrem Grinsen nach zu urteilen, genießt sie es richtig.

„Wie lange werden wir fliegen, Oberstleutnant Moreau?“, höre ich Mikko fragen und schaue nach vorne.

Oberstleutnant Moreau wirft einen kurzen Blick nach hinten. „Ungefähr zwei Stunden“. Das war’s wieder.

Mikko und Rebecca schauen beide nach hinten. ‚Stinkstiefel‘ formt Mikko mit den Lippen und ich muss kichern.

„Was ist so lustig?“. Cletos Kopf dreht sich wieder leicht und sein Auge mustert mich neugierig. Oh je, das Gehör eines Drachen ist besser wie gedacht.

„Nichts. Ich bin nur so aufgeregt und wenn ich aufgeregt bin, muss ich kichern“, lüge ich schnell und hoffe, dass dieser sich mit meiner Antwort zufriedengibt.

Offenbar, denn er dreht den Kopf wieder nach vorne. Oberstleutnant Moreau mustert mich ebenfalls, länger als es mir lieb ist.

Doch ich halte seinem Blick stand. Versuche, mich auf seine Augen zu konzentrieren, um dieses Blickduell nicht zu verlieren.

Grüne Augen. Ist mir vorher nicht aufgefallen. Schauer jagen mir über den Rücken, als ich merke wie intensiv sein Blick wird und gefühlt nach einer Ewigkeit senke ich dann doch meinen Kopf.

Emma schaut mich aus großen Augen an und auch Mikko und Rebecca haben sich zu mir umgedreht.

„Du bist wahnsinnig!“, sagt Emma leise und ich zucke mit den Schultern. „Er ist nicht allmächtig“.

Den restlichen Flug über passiert nicht viel. Tatsächlich werde ich sogar ein wenig schläfrig und lege mich etwas hin, ohne das Geschirr loszulassen.

Als ich so den Himmel beobachte und die untergehende Sonne, bemerke ich eine Veränderung in Cletos Bewegungen. Seine Flügel drehen sich etwas und die Luft bläht sich drin auf. Er bremst so langsam ab.

„Festhalten“, brüllt auf einmal Oberstleutnant Moreau und hektisch kralle ich mich wieder fester ins Geschirr, als Cletos wie die anderen Drachen auch schon zum Sturzflug ansetzt.

Ich drücke mich eng an den Drachenkörper, um dem enormen Luftstrom zu entgehen und merke mir, dass ich fürs nächste Mal Ohrstöpsel brauche. Der Lärm schmerzt höllisch in meinen Ohren.

Cletos spannt plötzlich alle Muskeln an, die Flügel drehen sich noch ein Stück weiter und der heftige Sturzflug endet abrupt. Sanft setzen seine Pranken auf dem Boden auf und zitternd heben wir alle unsere Köpfe.

Wir befinden uns auf einem riesigen Platz inmitten einer weitläufigen Anlage. Ringsherum befindet sich eine Steinmauer, ein riesiges Tor ist der einzige Zugang zu dieser Anlage. Am Rande befindet sich ein älteres Steinhaus, aus dessen Kamin Rauch aufsteigt. An der Mauer entlang reihen sich nebeneinander unterschiedlich, große Zelte.

„Wir sind da“, verkündet Cletos stolz und langsam richten wir uns auf. Oberstleutnant Moreau lässt seine verspannten Schultern knacken und erhebt sich aus seinem Sattel.

„Absteigen bitte“, ordnet er an und ich strecke die von meinem krampfhaften Festhalten schmerzenden Finger. Emma hilft mir aufzustehen und als wir alle wieder festen Boden unter den Füßen haben, bin ich doch noch etwas wackelig auf den Beinen.

„Herzlich willkommen im Außenbezirk des nördlich, europäischen Stützpunktes. Eurem neuem zuhause“, meint Oberstleutnant Moreau mit einem Grinsen auf dem Gesicht.

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