Kapitel 16: Bittere Wahrheit

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Cath


Ich hasste Montage. Vor allem diesen, denn die Arbeit, die ich letzte Woche nicht erledigen konnte, wegen des spontanen Roadtrips, musste heute nachgeholt werden. Der Tag war anstrengend und es gab keine Möglichkeit eine kurze Pause einzulegen. Um 19 Uhr entschied ich, dass es genug für heute war. Ich konnte mich kaum noch konzentrieren. Da Hailey heute Abend nicht da war, wollte ich bei Daniela und Eric vorbeischauen. Einen netten Abend mit Freunden konnte ich wirklich gut gebrauchen.

Leider hatte meine Mutter andere Pläne. Sie schrieb mir, dass ich nach der Arbeit unverzüglich zu ihr nach Hause kommen sollte. Unweigerlich seufzte ich als ich ihre Nachricht las. Seit dem Streit an meinem Geburtstag, war unsere Beziehung angespannt. Wir sprachen uns nur noch, wenn es um die Arbeit ging. Ich konnte nur hoffen, dass sie mich sehen wollte, um sich für ihr Verhalten zu entschuldigen.

Das Haus meiner Eltern war mit dem Auto von der Bank aus innerhalb von zehn Minuten zu erreichen. Als ich das Wohnzimmer betrat, schien keiner da zu sein, doch schließlich fand ich meine Mutter in ihrem Arbeitszimmer. Sie blickte mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck an und ich ahnte bereits, dass sie mich sicherlich nicht für eine Entschuldigung herbeordert hatte.

„Was gibt's?", fragte ich und machte kein Hehl daraus, dass ich lieber wo anders wäre.

„Es wird dir nicht gefallen", sagte sie. Wann tat es das schon?

„Okay." Wartend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust. Meine Mutter kramte eine graue Akte hervor und schmiss sie vor uns auf den Schreibtisch. Fragend blickte ich sie an, doch sie gab mir keine Auskunft.

„Was ist das?", wollte ich wissen.

„Etwas, dass du dir anschauen solltest." Langsam machte mir ihre ernste Haltung, und der Umstand, dass sie mich extra hierherbestellte, Angst. Skeptisch musterte ich die Akte, dann nahm ich sie in die Hand und schlug sie auf.

Auf der ersten Seite war das Logo der Philadelphia Polizeibehörde abgebildet. Darüber stand in großen fettgedruckten Buchstaben Führungszeugnis, darunter ein Name.

Roxanne Thurman.

Ich überlegte, ob mir der Name bekannt vorkam, aber er sagte mir nichts. Irritiert blickte ich hoch zu meiner Mom. Wieso sollte mich das interessieren? Ich kannte keine Roxanne.

„Lies weiter", wies sie mich an. Ich blätterte zur nächsten Seite. Das Erste was ich sah, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. In der rechten oberen Ecke war ein Bild von Hailey zu sehen. Was hatte das zu bedeuten?

Links vom Bild standen in kurzen Stichpunkten die wichtigsten Angaben zur Person. Am Namen hatte sich nichts geändert, Roxanne Thurman. Das Geburtsdatum war aber tatsächlich das von Hailey. Der 17. Juli. Geburtsort: Charleston, Wohnort: kein fester Wohnsitz, Ethnizität: weiß, Augenfarbe: grün, Größe: 167cm. Auf der unteren Seite des Dokuments, gab es eine Aufzählung der begangenen Straftaten. Es waren circa fünfzehn Stück. Das meiste waren kleinere Diebstähle. Außerdem gab es noch ein paar Festnahmen wegen illegalen Drogenbesitzes und eine Anklage wegen eines gewalttätigen Angriffs auf einen Polizeibeamten. Die nächsten Seiten enthielten eine detaillierte Ausführung der jeweiligen Delikte, welche ich jedoch nur flüchtig überflog.

„Was soll das? Fakest du jetzt schon irgendwelche Dokumente, um mich gegen Hailey aufzuhetzen?", warf ich meiner Mutter wütend vor. Sie verzog keine Miene.

„Ich weiß, dass würdest du gerne glauben, Cath." Und zum ersten Mal diesen Abend, sah ich etwas wie Emotionen in ihrem Gesicht. Mitgefühl. „Ich habe das gemacht, was du versäumt hast. Ich habe das Mädchen durchleuchten lassen und was soll ich sagen? Es ist noch viel schlimmer als ich gedacht hatte." Geschockt starrte ich sie an. Das konnte niemals der Wahrheit entsprechen. Das ergab doch keinen Sinn. Meine Mom setzte ihre Erklärung mit ruhiger Stimme fort.

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