1. Vertrautes Heim

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Elian

Die Äste der Bäume schwankten hin und her, während die gefärbten Blätter wegen dem stürmischen Wind des Herbstes raschelten. Der Waldboden war mit den vielen bunten Farben der Blätter beschmückt, die jedes Mal knirschten, wenn ich auf sie trat. Meine Schritte waren schwer und mein Atem ging stoßweise. Ein Glück schien die Sonne hell am Himmelszelt und bescherte mir einen weniger unangenehmen Marsch.

Auf meinem Rücken trug ich ein Reh, das ich vor kurzem erst erlegt hatte. Ich liebte die Tiere des Waldes, aber ohne sie würden wohlmöglich alle Menschen im Dorf verhungern. Meine Aufgabe war es zu jagen, damit die Dorfbewohner immer etwas zu Essen hatten und nicht an Hunger leiden mussten. In Großstädten wäre die ganze Arbeit nicht nötig, aber hier auf dem Lande war sie lebensnotwendig.

Ich persönlich lebte im Wald. Umgeben von den Klängen der Natur und den Tieren des harmonischen Waldes. Ein Haus konnte ich mir nicht leisten, weil meine Eltern früh verstarben. Mein Vater starb bei der Jagt und meine Mutter an einer unheilbaren Krankheit. Ihre Gräber pflegte ich regelmäßig, da sie mir sehr viel bedeuteten und diesen Respekt von mir verdient hatten.

Nun verdiente ich mir mein Geld, indem ich frisch erlegtes Wild zum Dorf brachte. Mein Verdienst war nicht sehr viel und rechte gerade so dafür, um meinen Hunger zu stillen. Natürlich könnte ich ein ganzes Tier für mich erlegen, doch was nützte mir das, wenn ich es nicht zubereiten konnte. Deshalb war ich auf das wenige Geld angewiesen und konnte mich nicht selbstständig versorgen.

Mein üblicher Weg zum Dorf hatte sich bereits in den Boden des Waldes eingraviert in Form eines Trampelpfades. Von hier aus konnte ich bereits die ersten Häuser des Dorfes sehen und musste dementsprechend nicht mehr so weit laufen. Die letzten Meter quälte ich mich noch, bis ich an dem Haus der Familie ankam, die als nächstes mit dem neuen Fleischvorrat versorgt werden würde.

Was diese danach damit anstellten, war mir egal, solange ich mein hart erarbeitetes Geld bekam. Erleichtert nahm ich das Reh von meinem Rücken runter und legte es behutsam auf dem Boden ab. Erschöpft ließ ich meine Schultern kreisen und streckte mich einmal ausgiebig. Das Gewicht der Tiere lastete sehr auf meinen Körper, jedoch war der Transport nicht anders möglich.

Höflich klopfte ich an der Tür der Familie. Kurz danach hörte ich eilige Schritte und mir wurde die Tür geöffnet. Eine braunhaarige Frau mit leichten Locken stand im Türrahmen und sah mich freundlich an. Sie trug so wie jede Frau ein Kleid, mit einer Schürze vorne dran. Man erkannte einige schmutzige Flecken auf dem Kleid, aber das war nichts, was man nicht wieder auswaschen konnte.

,, Oh! Guten Tag Elian, wie ich sehe warst du wieder einmal erfolgreich ", begrüßte sie mich mit einem herzlichen Lächeln. Ich erwiderte das Lächeln schwach und nickte ihr sachte zu. Meine Gefühle zeigte ich nicht sehr offen. Ich mochte es nicht meine Gefühle zu zeigen, wenn mich andere dabei beobachten konnten.

Hier, auf dem Dorf war das Leben nämlich sehr bitter, auch wenn einige lächelten, sah man an unserem Zustand, wie es uns wirklich erging. Mittlerweile waren es nämlich nur noch zwei Jäger, die das Dorf mit Fleisch versorgten. Manchmal jagte ich sogar Lachse, für die ich dann aber ein paar Münzen mehr verlangte.

,, Hier dein Geld ", meinte sie zu mir und überreichte mir die fünf Kupfermünzen als Belohnung. Ich nahm sie ihr stumm ab und verstaute sie in meiner dreckigen Hosentasche. Geld für einigermaßen anständige Kleidung hatte ich nicht. Darum musste ich mit meinen dreckigen und teilweise kaputten Sachen leben. Ich hoffte nur, dass ich den kommenden Winter gut überstand.

,, Soll ich es dir in den Hof tragen?", fragte ich sie belanglos. Auch wenn ich meine Gefühle niemanden zeigte, war ich noch lange kein unfreundlicher Mensch. Mein Engagement zeigte ich nur auf meine eigene Art und Weise.
,, Ja das wäre nett", nahm sie meine Hilfeleistung dankbar an. Also hob ich mir das Reh wieder auf den Rücken und trug es durch die Scheune in den großen Hof des Hauses.

Dort legte ich es auf den Schlachttisch ab und verließ ihren Hof wieder.
,, Ich danke dir vielmals für deine Hilfe ", bedankte sie sich nochmal bei mir, während sie die Scheune wieder zuschloss.
,,Kein Problem ", erwiderte ich daraufhin emotionslos. Sie lächelte mich fröhlich an, sodass sich ihre niedlichen Grübchen auf den Wangen abbildeten.

,, Sag mal, hast du schon von dem Gerücht gehört?", fragte sie mich im Flüsterton. Ein harmloses Gerücht konnte es ihrer Tonlage nach zu urteilen nicht sein. Im Wald bekam ich sehr wenig mit, aber die Dorfbewohner erzählten gerne mit mir und da bekam ich meistens auch über alles aktuelles Bescheid.
Da ich von keinem Gerücht gehört hatte, schüttelte ich auf ihrer Frage hin den Kopf.

Sie sah sich kurz unauffällig um, ehe sie mich an der Hand packte und mich zu sich ins Haus hineinzog. Hinter mir schloss sie die Tür und führte mich in ihr bescheidenes Wohnzimmer.
,, Warte ein Moment, ich hol dir etwas zu trinken ", bat sie mich aufgeregt. Im nächsten Augenblick war sie auch schon hinter der nächsten Ecke verschwunden.

Staunend sah ich mich in ihrem bescheidenen Zimmer um, solange sie fort war, um mir mein Trinken zu holen. Der Boden und die Wände des Hauses bestanden aus dem Holz einiger Eichen. Alle Häuser hier im Dorf bestanden aus Holz, weil wir keine anderen Materialien für den Häuserbau zur Verfügung hatten. Man konnte schon froh sein, wenn man überhaupt ein Haus hatte und nicht auf der Straße lebte bei Wind und Wetter.

An einer großen Wand stand ein altes Bücherregal mit einigen sehr alten Büchern. Es waren vielleicht nur zehn, aber für uns war dies schon eine große Menge, denn normalerweise brauchten wir keine Bücher, weil niemand lesen oder schreiben konnte. Sie hatten sogar ein Kamin, der den Raum in Wintertagen warm und gemütlich hielt, solange das Feuer brannte.

Vor dem Kamin war ein Teppich ausgebreitet, der anscheinend selbst gemacht war. Ein paar Stühle und ein Tisch in der Mitte füllten den Raum noch mehr. An den Fenstern waren Vorhänge aus irgendein braunen Stoff angebracht, damit die Sonne nicht so aggressiv in das Haus strahlen konnte. Für Licht sorgten ansonsten die Kerzen, welche überall im Zimmer verteilt standen.

Ein wirklich schöner Raum, auch wenn es keine teuren Möbel waren oder andere besondere Gegenstände. Sie hatte ein Dach über dem Kopf und war vor dem Wetter besser geschützt als ich. Dazu sah es hier auch sehr gemütlich aus, wodurch ich tief im Inneren neidisch wurde.
,, Wer bist du?", fragte mich plötzlich ein kleiner braunhaarige Junge, mit einem selbstgemachten Kuscheltier im Arm. Er lugte hinter dem Rahmen der Tür hervor und musterte mich zurückhaltend.

Der kleine Junge drückte sein Schaf eng an seinen schmalen Körper und sah mich ängstlich, aber auch sehr neugierig an. Also hatte sie einen Sohn, aber wo war ihr Mann?
,, Das ist nicht wichtig, aber ich werde dir nichts tun", versicherte ich dem kleinen Jungen vorsichtig. Hoffentlich glaubte er mir auch, weil mich viele falsch verstanden, wenn ich etwas sagte. Das geschah durch meine emotionslose Miene, als auch meiner gefühlslosen Sprache.

Die Legende des Prinzen (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt