4. Undurchschaubarer Mann

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Miriam

Er hatte mir tatsächlich geholfen! Ich war nun frei und konnte wieder zurück nach Hause gehen, doch wo befand ich mich hier eigentlich? Mein Retter war bereits aus dieser Hütte gegangen und hatte mich einfach hier zurückgelassen. Ob er weiß wer ich war? Hoffentlich nicht, denn meine Existenz wurde aus einem bestimmten Grund geheim gehalten.

Seufzend machte ich meine Kleidung sauber, die komplett dreckig war und voller Stroh hing. Diese Nacht konnte ich kaum schlafen, weil das 'Bett' so unglaublich unbequem war.  Aber ich glaubte, dass er nichts anderes hatte, als diese kleine Hütte hier und alles das, was er an sich trug. Trotzdem hatte er mir Unterkunft bei sich gegeben, damit ich nicht draußen als Futter endete und das rechnete ich ihm hoch an.

Die Tür der Hütte war offen, sodass ich ohne Probleme rauskommen konnte. Gestern Abend sagte er zu mir, ich dürfte heute gehen...ob das wirklich die Wahrheit war? Zögernd lief ich zur Tür und lunschte hinaus ins Freie, wo er mit dem Rücken zu mir gewandt den Wind des Herbstes genoss.
,, Du kannst gehen", meinte er dann plötzlich in der Stille.

Er drehte sich leicht zu mir um, nur damit ich in seine kalten graublauen Augen sehen konnte, die keinerlei Gefühle offenbarten. Sein Haar war kohlrabenschwarz und seine Haut war braun gebrannt. Außerdem war seine Präsenz sehr mächtig und harmonierte perfekt mit seinem beeindruckenden Körperbau. Ich war das komplette Gegenteil von ihm, doch dafür lebten wir auch in zwei komplett unterschiedlichen Welten.

,, Wieso starrst du ?", fragte er mich mit tiefer und gleichzeitig angespannter Stimmlage. Erschrocken weitete ich meine Augen und sah sofort auf den mit Blättern bedeckten Waldboden. Normalerweise musterte ich andere Personen nie so genau, aber vielleicht war ich einfach noch zu sehr durch den Wind.

,, Nichts", nuschelte ich peinlich berührt. Als Prinz sollte ich besser aufpassen, mit dem was ich sagte und tat.
,, Dann kannst du gehen", erwiderte er forsch zu mir. Perplex hob ich meinen Blick und sah in die stahlharten Augen des kriegerischen Mannes. An seine Umgangssprache musste ich mich erstmal gewöhnen, da sie weder freundlich, noch fröhlich war.

,, Ich weiß nicht wo ich bin und wohin ich gehen muss", erklärte ich ihm mit einem wütenden Blick. Er sah mich unverändert an und zeigte kurz danach in eine bestimmte Richtung.
,, Dort liegt das Schloss", informierte er mich emotionslos. Überrascht sah ich den schwarzhaarigen Mann an und wusste nicht wie ich das deuten sollte.

Wusste er das ich im Schloss wohnte oder wollte er mir nur einen bestimmten Anhaltspunkt geben?
,, Danke", meinte ich noch etwas verunsichert und schlug die Richtung ein in die er gezeigt hatte. Bei meinem Glück würde ich nicht mal lebend am Schloss angekommen, da ich kein Essen oder Unterschlupf hatte.

,, Warte!", hielt mich die tiefe Stimme meines Retters auf. Natürlich blieb ich stehen und drehte mich hoffnungsvoll zu ihm um. Er kam zu mir geschritten, wodurch ich nochmal einen Blick auf ihn werfen konnte. Er hatte keine Schuhe an und die Kleidung, die er trug war sehr dreckig und teilweise sogar zerfetzt. Seine Haut zierten einige Narben und sehr sauber sah diese auch nicht aus.

Ich fragte mich nur, wie er es in diesem Zustand aushalten konnte. Nachdem er vor mir zum stehen gekommen war, bemerkte ich erstmal wie groß er im Gegensatz zu mir war. Er überragte mich locker zehn Zentimeter, wodurch er zu mir hinunter schauen musste, um mir in die Augen zu sehen.
,, Bist du der entführte Prinz?", fragte er mich kühl. Seine Emotionen waren dunkel und das verunsicherte mich sehr.

,, Wieso sollte ich dir sowas sagen?", fragte ich ihn misstrauisch und verschränkte meine Arme vor der Brust. Meine eigentliche Frage war ' woher weißt du, dass ich existiere?". Meine Familie hatte das ganze Schloss dicht gemacht, so das niemand von mir erfahren konnte. Ich durfte nicht mal raus in den Schlossgarten gehen oder anderweitig irgendwo hin. Wie konnte es dann sein, dass er von mir wusste, obwohl ich keinen Fuß aus dem Schloss gesetzt hatte!?

,, Also stimmt es ", schlussfolgerte er einfach, während er mir tief in die Augen sah. Durch den Wind bewegten sich seine Haare auf seiner Stirn, wobei seine graublauen Augen immer noch deutlich zu sehen waren. Panisch biss ich die Zähne zusammen und konnte voller Aufregung gar nicht mehr richtig atmen. Er hingegen änderte seine Haltung kein Millimeter und seine Augen sahen mich ununterbrochen an.

,, Ich werde dich ins Schloss begleiten ", beschloss er einfach gerade heraus. Ohne auf meine Antwort zu warten, ging er an mir vorbei Richtung Schloss. Aufgewühlt blinzelte ich einige Male und eilte ihm schnell hinterher.
,, Wieso?", fragte ich ihn, nachdem ich zu ihm aufgeholt hatte. Ich hätte mit einer anderen Reaktion seinerseits gerechnet, weil er ja nun wusste, dass ich von adliger Abstammung war.

,, Weil ich kein Bock auf Stress hab", brummte er nur genervt. Ich verstand nicht wieso er auf einmal so genervt war, denn immerhin hatte ich ihn nicht dazu gezwungen mitzukommen. Trotzdem war ich ihm dankbar, dass er es machte, weil ich mich überhaupt nicht in der Natur auskannte.

Still liefen wir nebeneinander her, unter den Laubbäumen des Laubwaldes, die ihre gefärbten Blätter wie Regen über unsere Köpfe abwarfen.
,, Wie lautet dein Name?", fragte ich ihn zögerlich, damit es nicht mehr so unangenehm ruhig war.

,, Elian", antwortete er ohne mich in irgendeiner Hinsicht angeguckt zu haben. Sein Verhalten verwirrt mich in allen möglichen Weisen. Ihn konnte ich nicht einschätzen, weil seine Reaktionen oder Antworten miteinander stritten. Er fragte mich, ob ich der Prinz sei, zeigte mir aber dennoch kein Respekt gegenüber, als er seine 'Antwort ' bekam.

,, Mein Name ist Miriam", stellte ich ihm nun auch fairerweise meinen Namen vor. Dazu sagte er nichts und lief weiterhin in seinem Tempo vorwärts. Grimmig verzog ich mein Gesicht zu einer Grimasse und drehte meinen Kopf beleidigt weg. Das würde eine lange Reise werden, aber andererseits würde ich endlich mehr über das Leben hier draußen erfahren.

,, Pass auf", warnte er mich plötzlich vor, doch ehe ich mich versah, landete ich schon auf dem Boden. Nörgelnd richtete ich mich wieder auf und klopfte den Dreck von meinen Sachen ab. Ich war tatsächlich über eine Wurzel gestolpert! Genervt sah ich zu Elian, der seine Augenbraue hochgezogen hatte und mich musterte. Ich hätte meinen können einen kleinen Schimmer von Belustigung in seinen Augen sehen zu können. Vielleicht würde es doch nicht so öde werden, wie angenommen.

Die Legende des Prinzen (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt