16. Geheimes Vordringen

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Elian

Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne mit ihren engelsgleichen Licht, dass durch die Schlitze des Unterschlupfs drang. Blinzelnd öffnete ich meine Augen und sah zu dem kleinen warmen Körper, der auf meiner Brust ruhte hinunter. Zwei reine Edelsteine sahen mich an und ein Lächeln bildete sich auf dem niedlichen Gesicht vor mir.

Miriam war früher wach als ich? Wie kam es, dass er nicht länger schlief als ich?
,, Guten Morgen", begrüßte er mich mit seiner hellen Stimme. Er hätte mich wecken können, wenn er schon wach war, doch er zog es lieber vor mich beim schlafen zu beobachten.
,, Morgen, wieso bist du schon wach?", fragte ich ihn mit gerunzelter Stirn.

Unschuldig sah er mich mit großen Augen an und zupfte unschlüssig an meinen Sachen.
,, Ich drehe mich sehr viel, wenn ich schlafe und naja dann habe ich durch meinen Fuß Schmerzen bekommen ", murmelte er an meiner Brust. Seufzend strich ich dem Jungen über den Rücken und genoss einen kurzen Moment die Stille.

,, Dann werde ich dich mal ins Schloss schmuggeln ", nuschelte ich in Gedanken und legte den zarten Prinzen vorsichtig neben mir ab. Ich rappelte mich vom Boden auf und hob die schweren Stämme, die unseren Eingang blockierten weg. Danach schlang ich meine Arme um den Körper von Miriam und trug ihn aus dem Unterschlupf heraus.

Zusammen schritten wir weiter vor zu Miriams Zuhause, das Schloss. Geübt bannte ich mir einen lautlosen Weg durch den Wald, damit man uns nicht frühzeitig hörte. Miriam aß das angefangene Brot zum Frühstück und reichte mir, nachdem er satt war auch ein paar Stückchen.
,, Ab jetzt werden keine Geräusche mehr gemacht! Wir sind nur noch 500 Meter vom Schloss entfernt ", flüsterte ich in Miriams Ohr.

Still konnte ich beobachten, wie sich seine kleinen Nackenhaare, bei meiner Stimme aufstellten. Es war schon einmal passiert, dass Miriam mit geröteten Wangen auf mich reagierte, doch das war mir nun neu. Leise schaffte ich uns einen Weg bis zur Schlossmauer aus großen Sandsteinen. Sie war sehr prächtig und reichte bis zu fünfzehn Metern in die Höhe.

Nun mussten wir irgendwie in das Innere der Mauer eindringen, ohne von Rittern entdeckt zu werden. Somit fiel das Haupttor aus unserer Auswahl raus, doch wie kam man sonst in das Innere? Plötzlich zog mich Miriam zu sich herunter, bis er mit seinem Mund mein Ohr erreicht hatte.
,, Es gibt einen geheimen Durchgang an der Mauer. Wir müssen ihn suchen", flüsterte er in mein Ohr, um nicht zu laut zu sein.

Ein warmer Luftzug streifte mein Ohr, ehe sich mein gerissener Prinz wieder von mir entfernte und so tat als wäre nichts gewesen. Murmelnd lief ich dicht neben der Schlossmauer, um nach dem geheimen Durchgang zu suchen, den mir Miriam genannt hatte. Die Mauer war dicht und hatte weder Risse, noch andere Beschädigungen.

,, Da!", hauchte Miriam und zeigte auf ein großes Loch nahegelegen an der Schlossmauer. Durch den Herbst verschlossen die vielen bunten Blätter das Loch und versteckten es großartig. Leise setzte ich Miriam ab und begann die Blätter aus dem Loch zu heben. Es war schwierig dabei kein Geräusch zu machen, weil die Blätter gebrechlicher als Glas waren.

Schlussendlich lag ein großer Haufen an Blättern neben dem Loch, den ich mit großer Mühe geschaffen hatte.
,, Gut. Das Loch führt unter die Schlossmauer durch in das Inneres ", flüsterte mir Miriam zu. Stumm nickte ich und kroch in das Loch hinein. Ich wollte sichergehen, dass die Luft rein war und wir unbeschadet passieren konnten.

Wie es Miriam sagte, führte das Loch auf die andere Seite der Schlossmauer in einen Art Garten. Hier waren allerdings viele Büsche und Bäume die uns vor den Augen der Ritter versteckten. Nun zog ich mich wieder zurück und tauchte wieder bei Miriam auf, der geduldig auf mich gewartet hatte. Wie sollte ich ihn, mit seinem gebrochenen Schienbein auf die andere Seite bekommen?

,, Kannst du krabbeln?", fragte ich Miriam hoffnungsvoll, denn wenn nur sein Schienbein betroffen war, könnten das Knie doch gehen. Vorsichtig probierte er es aus, was sich trotzdem als relativ schwierig herausstellte. Anders bekam ich ihn jedoch nicht durch.

,, Versuch durch das Loch zu krabbeln und dein Gewicht auf deine Arme und dein linkes Knie zu fokussieren. Ich werde dicht hinter dir sein und dein rechtes Bein stabilisieren ", erklärte ich ihm mein Vorhaben. Schwer schluckte er den Knoten in seinem Hals hinunter und krabbelte langsam in das Loch hinein. Ich folgte ihm dicht und stabilisierte mit meinem rechten Arm sein Bein.

Miriam wusste, dass er nun keinen Ton von sich geben dürfe und hielt das Krabbeln krampfhaft aus. Lautlos kamen wir auf der anderen Seite an und ruhten uns erstmal aus, da Miriams ganzer Kopf rot angelaufen war.
,, Alles gut?", fragte ich ihn besorgt, da ich nicht gedacht hätte, dass er so viel Kraft aufbrauchen würde.

Erschöpft nickte er mir zu und erlangte immer mehr seine helle Porzellanhaut wieder. Kurz danach hob ich meinen Prinzen wieder hoch und schlich leise durch den dicht bewachsenen Garten. Die Blätter der Bäume und Sträucher hingen ordentlich an den Ästen ihrer Schöpfer. Kein Zweig oder Blatt wagte es sich auf dem königlichen Boden niederzulassen.

Dementsprechend hatte ich keine Probleme dabei lautlos vorzudringen und den möglichen Blicken der Wachen, weiter entfernt, auszuweichen.
,, Elian! Geh näher zu diesem Jungen dort", forderte mich Miriam auf und blickte zu einem Jungen mit hellblonden Haaren.

Er stand in der Nähe des Gartens und bewunderte etwas verkrampft die übergebliebenen Blumen, bevor der kalte Winter einbrach. Seine Statur glich der meines Prinzen, doch seine in der Sonne golden glänzenden Haare stachen jedem sofort ins Auge. Er hatte sie zu einem hinreißenden Flechtzopf gebunden, den er über seine Schulter nach vorne fallen ließ.

Auf dem Befehl meines Prinzen näherte ich mich dem ahnungslosen Jungen unbemerkt und setzte Miriam hinter einen Busch ab. Mit speziellen Handzeichen, forderte mich Miriam auf den Jungen zu 'kidnappen '. Wie es mir gesagt wurde, näherte ich mich ihm leise. Mein Vorteil war es, dass er mit dem Rücken zu mir stand und den verwelkten Strunk einer Pflanze betrachtete.

Schnell und geräuschlos hielt ich ihm den Mund zu, um ihn im nächsten Moment an seiner Taille hochzuheben. Augenblicklich begann er wild um sich zu schlagen und mir in die Hand zu beißen. Damit man uns nicht entdeckte trat ich schleunigst den Rücktritt an und brachten den aufgeregten Jungen zu Miriam.

Die Legende des Prinzen (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt