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Iki lag bei meinem Erwachen am späten Nachmittag des folgenden Tages, seelenruhig auf meinem Bauch und schlief laut schnurrend, weswegen ich vorsichtig meine Hände unter ihren Körper schob, um sie zur Seite legen zu können, sodass ich aufstehen konnte. Erleichtert stellte ich fest, dass mein ungebetener Gast fort war. „Guten Morgen meine Lola!" Ertönte gleichdarauf Scodays Stimme, nachdem ich in der Küche den Futternapf befüllt und mir ein großen Glas Wasser geholt hatte. „Guten Morgen, Scoday." Antwortete ich sogleich, während mir eine kleine Schachtel auf meinem Nachttischchen entdeckte, welche ich unverzüglich genauer betrachtete. „Den Inhalt wirst du für deine heutige Aufgabe benötigen. Du kannst sie gerne schon mal öffnen und ihn dir anschauen. Davon abgesehen, wie geht es dir heute? Du erscheinst mir recht erholt." Er hatte mit seiner Beobachtung recht, da es mir, wie ich ihm wenig später erzählte, tatsächlich besser ging, obwohl bei einigen Bewegungen meine Wunden noch immer schmerzten. Zwar konnte ich dies nicht ganz verstehen, geschweige denn erklären, doch ich war mir sicher, dass es etwas mit der Tablette zu tun hatte, wovon ich selbstverständlich Scoday nichts erzählte. „Das freut mich sehr. Ich habe mir schon große Sorgen gemacht, dass du es vielleicht nicht..."

Just in dem Moment, bevor er ausreden konnte, klingelte es an der Tür und er verstummte schlagartig, woran ich sofort erkannte, dass es sich nicht um den Postboten handelte. Als ich durch den Spion schaute, erkannte ich direkt den Beamten mit seinem Kollegen wieder, der mir bereits vor vier Tagen einige Fragen bezüglich Mikes Tod gestellt hatte. Zögerlich öffnete ich die Tür und schaute die beiden nur verwirrt an, indessen der rothaarige Mann sich räusperte „Verzeihung für die Störung, aber wir hätten da noch einige Fragen an Sie. Beim letzten Mal hatten wir gar nicht die Möglichkeit Sie näher zum Sachverhalt zu befragen. Könnten wir eventuell hereinkommen, um das zu besprechen?" Ich nickte und geleitete sie ins Wohnzimmer, worin sie auf der Couch Platz nahmen, zwischenzeitlich kochte ich für sie jeweils eine Tasse Kaffee. „Ist mit Ihnen alles in Ordnung?" Fragte der braun Haarige, als ich widerkehrte und die zwei Tassen vor ihnen auf den Tisch abgestellt sowie mich selbst auf die Couch gesetzt hatte. „Naja an sich schon. Es ist nur so schrecklich was da passiert ist und ich kann es immer noch nicht so richtig glauben. Mike war für mich wie ein Vater und ihn zu auf eine solch grausame Art zu verlieren ist..." Meine Stimme bebte und brach schließlich noch in Mitten des Satzes ab, während meine Augen sich mit Tränen füllten.

Dabei versetzte mir nicht nur der Gedanke, dass ich an seinem Tod Schuld war als auch, dass ich nichts sagen durfte, um für Gerechtigkeit zu sorgen, einen Stich ins Herz. „Uns tut natürlich Ihr Verlust leid und können wir verstehen, dass es nicht leicht ist darüber zu reden, deshalb wollen wir es so schnell wie möglich klären sowie den Täter festnehmen. Frau Gilieh meinte, dass sie diese Tat nur einer Person, Ihrem gemeinsamen Nachbarn Olaf Müller, zutrauen würde und sie erwähnte, dass beide immer wieder wegen Ihnen aneinandergeraten sind?" Herr Becker schaute mir tief in die Augen, sein Partner jedoch schaute direkt in die Ecke, wo sich eine der vielen Kameras befand. „Zutrauen würde ich ihm das manchmal schon. Die Beiden mochten sich so gar nicht und ja, sie haben sich wegen mir oft gestritten, aber das er so weit gehen würde? Damit hätte ich nicht gerechnet. Meinen Sie er hat das wegen mir getan?" Ich versuchte die neugierigen Blicke so gut wie es ging zu ignorieren und konzentrierte mich darauf, diese Geschichte sowie meinen Emotionsausbruch, der nur zum Teil gefälscht beziehungsweise aus den falschen Gründen war, glaubhaft klingen zu lassen, was mir offensichtlich auch gelang, da ich von Herrn Becker einen mitleidigen Blick zugeworfen bekam.

„Nein, Sie tragen keinerlei Schuld an dieser Tat und ich bitte Sie sich dies nicht einzureden. Ganz allein der Täter ist schuldig. Sie haben ausgesagt, dass Sie von diesem Mord nichts mitbekommen haben?" Zur Bestätigung nickte ich ihm unter Tränen zu, ehe ich dramatisch meine Nase putzte und weiter vor mich hin schluchzte. Iki betrat in darauffolgenden Moment ebenfalls das Wohnzimmer und um streifte die Beine der beiden, insbesondere das von Herrn Fischer, welcher als nächster das Wort ergriff. „Das ist eine süße Katze. Wir haben noch etwas Anderes von Frau Gilieh gehört. Sie hat ausgesagt, dass hier seit kurzem immer wieder ein junger Mann aufkreuzen und dir Pakete bringen würde" Um Zeit zu schinden, lenkte ich kurzer Hand das Augenmerk auf das kleine Fellknäul, sodass ich mir etwas bezüglich des Postboten ausdenken konnte. „Das ist Iki, ein Geschenk von einem Freund. Normalerweise ist sie recht schüchtern, aber sie scheint Sie zu mögen. Dieser Freund, schickt mir auch immer die Pakete zu, da wir zusammen ein Projekt machen. Aus diesem Grund sind in der gesamten Wohnung auch Kameras installiert, falls Sie diese noch nicht bemerkt haben." Log ich mit halbwegs fester Stimme, um noch überzeugender rüber zu kommen, und stellte dabei Blickkontakt her.

„Und in diesem Projekt worum geht es da? Wenn ich fragen darf?" Interessiert und vielleicht auch ein bisschen herausfordernd, sah mich Herr Fischer an, indessen ich nach einer Antwort suchte, welche ich wenig später fand. „In dem Projekt geht es um das Verhalten eines normalen Schülers in den Ferien und, ob dieser durch bestimmte Faktoren vom Lernen mehr abgelenkt wird, sich das Schlafverhalten ändert oder eben nicht. Nebenbei wird zudem durch kleine tägliche Aufgaben getestet, ob sich die Konzentration verändert oder gleich bleibt." Ich war nahezu selbst von mir beeindruckt, wie wissenschaftlich und wie ehrlich sich dies anhörte. „Klingt sehr interessant. Können Sie uns noch irgendetwas zum Sachverhalt sagen?" Dieser Fischer bescherte mir ein ungutes Gefühl, daher vermied ich es von nun an ihm ins Gesicht zu schauen. Ich tat so als würde ich nachdenken, da ich theoretisch den ganzen Sachverhalt, wie die es nannten, aufklären könnte, aber dann würde ich als Nächste sterben „Nein, leider nicht, aber bitte finden Sie dieses Schwein, was zu sowas einmal in der Lage ist, wird es vielleicht ein zweites Mal tun." Sie nickten, tranken den letzten Schluck Kaffee und anschließend begleitete ich sie noch zur Tür.

„Falls Ihnen noch etwas einfällt, hier unsere Karte. Sie können jeder Zeit anrufen. Ach, noch etwas. Wissen Sie irgendwas von einem Video, dass eventuell Ihr Freund Frau Gilieh zukommen lassen hat?" Fragte Fischer, als er die ersten Treppen nach unten gegangen war und sich ein letztes Mal zu mir umdrehte. „Er hat Renate bestimmt kein Video gegeben. Er kennt sie gar nicht und kommt erst morgen von seinem Ausflug zurück." Er nickte und machte anstalten sich von mir abzuwenden, allerdings stellte er mir eine letzte Frage „Wie heißt denn Ihr Freund? Wir würden ihn gern selbst einmal befragen." Ich gab ihm einen falschen Namen, was ihn vor erst zufrieden stellte, und schon verschwanden sie. Gerade wollte ich die Tür schließen als Mister Postbote aus dem Nichts die Treppen herunter gestürzt kam und mich hastig in meine Wohnung drückte, während ich ihn fragend anschaute. Unverzüglich verschloss er die Tür hinter sich und starrte mir mit wütender Miene in die Augen „Was hast du denen erzählt?" Knurrte er aufgeregt, doch bevor ich zu Wort kam, presste er mich gewaltsam gegen die Wand. Etwas überfordert brachte ich keinen Ton heraus, was ihn natürlich wütender machte, bis ich „Nichts!" Als Antwort nuschelte. „Wenn du ihnen nichts erzählt hast warum waren die so lange hier, hm?" Fragte er weiter, wobei er nach meinem Hals griff und mit seiner Hand leicht zu drückte. „Wegen dem Mord. Ich habe gesagt, dass ich es unserem Nachbarn zutrauen würde sonst nichts!" Motzte ich und versuchte mich aus seinen Fängen zu befreien, woran ich kläglich scheiterte.

„Hör auf dich zu bewegen! Was haben die zu deinen Verletzungen und den Kameras gesagt?" So langsam schien er wieder runterzukommen, als ich von jenem Moment an stillhielt. ,,Die haben sie nicht gesehen oder ignoriert und wegen den Kameras habe ich gemeint, dass es ein Schulprojekt sei." Endlich ließ er von mir ab und baute Abstand zwischen uns auf. „Wenn das nicht stimmt, dann hast du ein großes Problem mit Scoday! Und jetzt schnapp dir die Schachtel, geh auf das Dach und lese den Zettel! Ich werde dich begleiten, bevor du noch auf dumme Gedanken kommst." Meinte er bedrohlich und schob mir dabei erneut eine Tablette in den Mund, weshalb ich ohne zu zögern das tat, was er von mir verlangte. Mit der Schachtel wenig später in der Hand, schleppte ich mich humpelnd sämtliche Treppen hoch, hierbei wurde ich stetig verfolgt. Dort angekommen las ich schnell den Zettel, um den Sinn hinter der Aufforderung des Postboten hoffentlich in Erfahrung zu bringen:

>>Hallo meine Lola! Deine heutige Aufgabe ist es, dass du auf das Dach gehst und dir die Playlist auf dem Gerät komplett anhörst, derweilen du am Rande des Daches sitzt. Keine Sorge, ich sehe ganz genau ob du die Playlist auch wirklich anhörst. Dein Scoday. <<

Als nächstes schaltete ich den MP3-Player, welcher sich in der Schachtel befand, ein und wählte die Datei mit dem Namen „Lola's Playlist", welche auch die einzige Datei auf dem gesamten Gerät war, aus. Insgesamt waren in dem Order 50 Lieder, welche anscheinend nicht nach dem Namen, sondern nach Datum, geordnet waren. Ich wählte das erste Lied aus und setzte mich, wie von Scoday verlangt, an den Rand des Daches, wo ich meine Beine hin und her baumeln ließ. Der Postbote setzte sich zu Anfang des Theaters hinter mich und nachdem ich fast eine Stunde, in der ich mir die Playlist, welche ausschließlich markdurchdringende Schreie, psychotisches Geflüster sowie andere verstörende Geräusche enthielt, angehört hatte, setzte er sich neben mich hin und deutete mir an, dass ich mich gerne anlehnen konnte. Erst wollte ich nicht, aber dann erging es mir genauso wie gestern und schon lag ich vor mich hin starrend mit dem Kopf in seinem Schoss, wobei ich leise ,,Idiot" flüsterte. „Nenn mich doch lieber Elias und mach die Augen zu." Kam prompt die Antwort und wie gestern auch schlossen sich meine Augenlider von selbst, Elias hingegen streichelte mir sanft über den Kopf, bis ich einschlief.

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Ich hoffe dieses Kapitel hat dir gefallen. Mach dir einen schönen Tag, trink ausreichend Wasser tu dir was Gutes, das hast du dir verdient!❤

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