{Prolog}

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Es war bereits stockdunkel draußen, sodass nur der Mond und die Sterne, neben den palleuchtenden Laternen, die Straßen erhellten. Schon seit 2 Stunden saß ich vor meinem Computer an dem alten Holzschreibtisch, den ich vor einem Schrottplatz gerettet hatte, und starrte auf die Nachricht, welche ich vor einigen Tagen verfasst, aber noch nicht abgeschickt hatte. Sollte ich sie wirklich senden? Mein jetziges Leben würde sich mehr als nur ein bisschen verändern. Nichts, absolut nichts, wäre wie es zuvor war. Mein ganzer Körper stand unter Strom, weshalb ich nun fast gänzlich handlungsunfähig wurde. Angst. Zerbrechlichkeit. Verzweiflung. Scham. Wut. Neugier. Hoffnung. Nervosität. Die Gefühle schwirrten innerhalb von Millisekunden in meinem Kopf herum, ganz so, als stünde ich unter einem immensen Drogeneinfluss, was ich zunächst auf den Alkohol schob, und egal wie sehr ich mich auch bemühte sie kamen einfach nicht mehr zur Ruh. Genauso wie jene Worte der Nachricht, welche wahrscheinlich die wichtigsten Worte in meinem Leben sein würden.

>>Hiermit melde ich mich bei Ihrem Spiel als „Whale" an. Ich heiße Lola Rackow, bin 17, bald 18, Jahre alt und wohne alleine in einer kleinen Wohnung. Anbei sind meine genaue Adresse, meine Geburtsurkunde und ein Bild von mir. Auf eine zeitige Antwort Ihrerseits würde ich mich sehr freuen und verbleibe mit einem freundlichen Gruß. Lola. << Ich nahm einen großen Schluck aus der Wodkaflasche, welche vor mir auf dem Tisch neben meiner schwarzen Tastatur stand und mich immer wieder aufs Neue verführerisch anlachte. Dann gleich noch einen Schluck. Aufgrund des bitteren Geschmackes bekam ich Gänsehaut, welche sich über meinen gesamten Körper zog, und ließ mich, wie so oft, erschauernd. Wenn ich ihn mit etwas gestreckt hätte, so würde es nun besser schmecken und darüber hinaus könnte mein Inneres sich dabei entspannen die Vollkommenheit des Getränkes genießen. Mehr als ein Viertel der Glasflasche, hatte ich bereits geleert, was mir zunehmend bewusster wurde, da die Wirkung des Alkohols mit Gewalt sämtliche Körperfunktionen unter seine Kontrolle brachte.

Flasche ansetzten, trinken, schütteln, Bildschirm anstarren. Diesen Vorgang wiederholte ich solange bis nichts mehr in der Flasche übrig war. „Ich mach es! Jetzt oder nie." Als hätte eine Übermacht der Zeit den Zeitlupen-Knopf gedrückt, ließ ich meine Hand auf die Tastatur niedergleiten. Ein aller letztes Mal las ich SIE mir durch. Diese Nachricht, die mich aus meinem alten miserablen Leben retten und mir ein brandneues, Besseres verschaffen sollte. Nie wieder Lola der Angsthase. Jene Lola, die sich NIE etwas zu tun traute, NIE ein Risiko einging, die sich von alles und jedem rumschupsen ließ, die es nicht einmal schaffte ihren Mund zu öffnen, um ihre Meinung zu sagen. Diese Person gab es nicht mehr und auch nie wieder. Ich fasste schlussendlich all meinen nicht-vorhandenen Mut zusammen und presste mit Herzrasen auf die 'Enter-Taste'.

>>Ihre Nachricht wurde versendet<<

Erschien sogleich auf dem Bildschirm. „Ok, wow. Ich habe es wirklich getan." Nimm das, Leben, mit deinen ganzen Hindernissen, die du mir stellst! Erleichtert lehnte ich mich kurz nach hinten, atmete tief ein und band meine langen dunkelbraunen Haare zu einem lockeren Zopf. Danach erhob ich mich von meinem Stuhl, damit ich vor dem Hochhaus, in welchem ich derzeit wohnte, eine rauchen konnte, um wieder ein Stückweit runterzukommen. Da ich meine Joggingsachen bereits anhatte, fehlten nur noch meine Schuhe und einige kleinere Sachen, die ich gebrauchen konnte. Zusammen mit meinem MP3-Player sowie meinem Hausschlüssel in der Hand verließ ich mein Zimmer und wankte in den Flur. Fast hätte ich vergessen den Tab der Seite im Darknet mit meinem Anmeldeprofil zu schließen, weshalb ich nochmal zurückgehen musste, um dies nachzuholen, dabei schaltete ich den PC aus Sicherheitsgründen doch lieber gleich komplett aus. Anschließend nahm ich meine Jacke, zog schnell noch meine Turnschuhe an, schnappte mir meine Zigarettenschachtel und schwankte ohne weitere Verzögerungen in den Hausflur.

Ich drückte den Lichtschalter, der neben meiner Klingel hing, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und schloss meine Tür ab. Auch wenn ich nur kurz nach unten zum Rauchen ging, wollte ich kein Risiko eingehen, denn letztendlich war dies hier nicht die beste Gegend, danach lief ich locker die Treppen runter. Als ich an der Tür meines absoluten Hass-Nachbarn vorbeikam, verlangsamte ich mein Tempo, um ihn nicht zu provozieren. Vor der Eingangstür angekommen atmete ich die kühle Luft scharf ein und hielt sie einige Sekunden inne. So angenehm. In meinem Alkoholisierten Zustand war es zwar sehr unklug auf die Straße zu gehen, jedoch tat ich dies jeden Tag, egal in welchem Zustand, und in meiner Wohnung durfte ich nicht rauchen. Ich nahm eine Zigarette mit dem Feuerzeug aus der Schachtel und zündete diese voller Vorfreude sofort an. Dabei fiel mir auf, wie wunderschön die Sterne am Himmel funkelten, genauso hell wie sie es waren, war es auch der traumhafte Vollmond. Den Rauch, welchen ich im Sekundentakt inhalierte, pustete ich in die kalte Abendluft, sodass sich ein wunderschönes Zusammenspiel aus grauen Rauch mit dem eisigen Wind und dem Sternenzelt bildete.

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