8. Kapitel

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Aether POV

Auf dem Dach war er nicht. In dem kleinen Zimmer war er nicht. Wo könnte er nur sein? Ich könnte heulen... Ich machte mir so unglaubliche Sorgen...
„Xiao... Komm doch zu mir... Bitte", murmelte ich vor mich hin.
„Aether, hast du in der Nähe vom Tianheng-Berg mal nachgesehen?", fragte Verr Goldet mich, als ich völlig frustriert da stand und sich die Katze des Gasthauses miauend an meinen Beinen rieb.
„Nein... Ist er da manchmal?", fragte ich, sah auf.
„Öfters. Wenn er seine Ruhe will"
„Dann schau ich mal da nach..."
„Danke, dass du dich um ihn kümmerst"
„Natürlich..."
Ich streichelte die Katze, dann machte ich mich auf den Weg.
Wollte er mich etwa nicht sehen? Tat ich hier etwas falsches? Was, wenn er wirklich nur seine Ruhe haben wollte...? Aber irgendwas war komisch...

Als ich ankam, suchte ich die Gegend nach ihm ab. Keine Spur.. Doch dann, als ich schon fast aufgeben wollte, sah ich plötzlich einige Hilichurle, die bereits besiegt am Boden lagen. Eine dunkle Energie entwich von ihnen... War das etwa?..
„Xiao!", rief ich, schloss die Augen, suchte die Gegend mit meinem Elementarblick ab. Eine blutige Spur führte mich den Hang hinunter.

Xiao...

Die Luft wurde stickiger, ich konnte kaum atmen. Mir wurde schwindelig.
„Bist du nicht selber Schuld, dass deine Schwester dich nicht sehen will?", wisperte mir plötzlich jemand ins Ohr. Panisch drehte ich mich um. Doch da war niemand. Es war neblig. So neblig, das ich nichts mehr sah... Nicht einmal mehr meine eigene Hand vor Augen. Wo war ich? Ich konnte nicht mehr klar denken. Der Nebel war überall... Schlich sich langsam auch in meinen Kopf...

„Du bist auf der Seite der falschen Leute..."
„Langsam müsstest du doch merken, dass deine Schwester auf der anderen Seite ist"
„Willst du sie etwa verraten?"
„Bist du ein Verräter?"
„Niemand will dir helfen, Aether"
„Stirb doch"
„Du solltest sterben"
„Niemand will dich, du bist nur der Laufbursche für alle"
„Lumine hat dich verlassen, sie will dich nicht mehr"

Ich schüttelte panisch den Kopf, presste mir die Hände auf die Ohren. Nein... Was waren das für Stimmen? Sie sollen ruhig sein... Die Stimmen redeten weiter, sie waren so laut, so intensiv, dass ich nicht mehr wusste, wegen was ich überhaupt hier war...
„Hört auf", murmelte ich, schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Was war das? Was waren das für Stimmen... Stimmen... Stimmen? Hörte Xiao das auch etwa? Xiao.. Xiao!
Ich riss die Augen auf.

„Xiao!", rief ich. Genau! Wegen ihm war ich hier!
„Xiao... wo bist du?"
Ich versuchte die Stimmen zu ignorieren, zumindest so gut es ging und lief weiter, auch wenn ich nichts sah. Blind tastete ich mich umher. Und dann plötzlich rutschte ich aus. Mich schlug es der Länge nach auf den Boden. Ich hob die Hand, endlich konnte ich sie wieder erkennen. Sie war rot. Rot... Voller Blut. Ich sah nach hinten. Ich war auf Blut ausgerutscht. Was war hier nur passiert? Und plötzlich sah ich zwei goldene Augen vor mir. Allerdings waren es nicht die sanften, strahlenden Augen wie ich sie sonst kannte. In diesen Augen spiegelte sich der pure Hass. Und Leid. So viel Hass und Leid, dass mir das Blut in den Adern gefror.
Xiao biss die Zähne zusammen, knurrte leises. Sein Gesichtsausdruck war zu einer vor Hass verzerrten Grimasse verzogen. Er war voller Blut und hielt seinen Speer fest in seiner Hand umklammert. Ich bekam Angst. Verdammte, große Angst. So hatte ich ihn noch nie gesehen, und das wollte ich auch nie. Er sah aus wie eine wilde Bestie. Wie ein Dämon. Und ich wusste, dass er verdammt gefährlich sein konnte. Alles in mir schrie, wegzulaufen. Weg von ihm. Doch ich konnte nicht. Ich hatte ihn doch gesucht. Ich wollte aufstehen. Doch mein ganzer Körper fing an zu zittern, zwang mich, liegen zu bleiben. Ich fühlte mich wie ein Häschen, das vor einem wilden Wolf stand.
Xiao nahm mich nicht wirklich wahr. Er krallte in seine Haare, kniff die Augen zusammen und zitterte wie verrückt. Die Stimmen...?

„Xiao...", flüsterte ich.
"Steh auf... Na los...", wisperte ich mir selbst zu.
Wieso konnte ich nicht aufstehen?!
Mit aller Kraft drückte ich mich vom Boden ab, kniete nun, sah schwer atmend zu ihm.
„Xiao...Ich... Ich bin da...", keuchte ich. Es war, als würde irgendeine unsichtbare Kraft mich wieder versuchen auf den Boden zu drücken. Es war so schwer. So verdammt schwer, aufzustehen. Doch ich schaffte es. Kein Wunder, dass er meine Rufe vorhin nicht erhört hatte, wenn er solche lauten Stimmen hörte...
Blut tropfte von seinem Gesicht und ich sah mit großen Augen, dass es sein eigenes war. Seine ganzen Arme waren von Kratzern übersät, und nun tat er es schon wieder. Er krallte in seinen Arm, neues, frisches Blut sickerte aus der Wunde.

„Hör auf...Hör auf...Ich bin da...Xiao!", rief ich, warf endlich das schwere Gewicht, das mich auf den Boden drücken wollte, von mir und klammerte mich an ihn. Ich zog seine Hand von seinem Arm, drückte ihn so fest es ging an mich. Das Blut störte mich nicht. Ich strich ihm über den Kopf.
„Ich bin da, hörst du mich? Ich bin hier... Du bist nicht alleine", flüsterte ich.
Er zitterte wie verrückt, seine Augen bewegten sich langsam in meine Richtung, er sah mich an.
„Ich gehe nicht weg", murmelte ich, lehnte meine Stirn gegen seine.
„Aether..?", fragte er schwach.
„Ja", antwortete ich, ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Es tat so weh. Es tat so verdammt weh, ihn so leiden zu sehen.
Er riss die Augen auf, legte zögernd seine Arme um mich. Plötzlich verschwand der Nebel, und mit ihm die Stimmen. Xiaos Beine gaben unter ihm nach, er knickte ein, doch ich hielt ihn fest und wir glitten zusammen zu Boden.

„So..leise...", murmelte er, schloss die Augen und seufzte erleichtert.
Hatte er das gemeint...? Hörte er diese Stimmen etwa... Immer?!
„Hörst du diese Stimmen immer?", fragte ich zittrig, strich durch sein von Blut verklebtes Haar.
„Jede Minute, jede Sekunde", hauchte er.
Ich schluckte. Ich würde verrückt werden. Und er tat immer so, als wäre nichts...
„Das ist okay... Das ist meine Last, die ich tragen muss... Aber in den letzten Tagen war es zu laut...Ich habe nichts anderes mehr gehört", sagte er, hob den Kopf und sah mich an. Sein Blick war trüb.
„.... Aber....Wenn ich bei dir bin, sind sie fast weg"
„Das ist gut so... Ich will nicht, dass du leidest...Ich habe mir Sorgen gemacht...Ich bin so froh, dass ich dich hier gefunden habe", seufzte ich, strich ihm sanft mit meinen Fingern über die Wange. Ich war einfach so verdammt erleichtert.
„Du hast mich gerettet...", murmelte er, umklammerte meine Hand mit der seinen und lehnte seine Stirn gegen meine. Ich lächelte.
„Ich werde dich so oft retten, wie es nötig ist.."
„Ich darf schwach sein, oder? Zumindest für diesen Moment?", fragte er leise.
„Bitte..."

Da ließ er sich gegen mich fallen, schloss die Augen und verbarg sein Gesicht an meiner Halsgrube.
Ich sagte nichts, strich nur weiter über seinen Kopf, hielt seine Hand.
Schließlich verschwand der Nebel nun vollends, man hörte wieder das Zwitschern der Vögel, das Plätschern des Flusses in der Nähe, das Surren von Insekten... Sein hektisches, lautes Atmen beruhigte sich, und auch mein Herz, das so panisch schlug, beruhigte sich. Es war friedlich. Wie wir hier saßen. Die Sonne strahlte sanft auf uns herab. Es war wunderschön. Wo eben noch all die Schatten, all die Angst war... War nun nur noch Wärme... Und Liebe...

„Ich liebe dich", sagte ich.

Da sah er auf, zog die Augenbrauen zusammen. „Was?"
Mir wurde bewusst, was ich sagte und ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Oh nein... Wieso sagte ich das? Mein Herz blieb kurz stehen. Doch ich konnte es nicht aufhalten. Es fühlte sich gerade so unglaublich richtig an.
„Ja... Tut mir Leid, dass ich das ausgerechnet jetzt sage, aber... Ja.. Ich liebe dich. Ich will dich beschützen... Ich will, dass es dir gut geht, dass du nicht mehr leiden musst... Ich will, dass du an meiner Seite blei-"
Eigentlich wollte ich noch viel, viel mehr sagen, doch ich wurde unterbrochen, als er sich plötzlich zu mir beugte. Überrascht riss ich die Augen auf, als ich seine Lippen auf meinen spürte.
Sie waren rau, schmeckten etwas nach Blut. Doch sie waren weich... Und warm... So schnell es passierte, so schnell hörte es auf. Xiao zuckte zurück, riss die Augen auf. Kurz starrten wir uns nur an, mir wurde verdammt heiß.

„Ich... Wollte nur, dass du ruhig bist?", sagte Xiao, ein roter Schimmer legte sich auf seine Wangen und er hörte sich selber nicht ganz überzeugend an.
„T-T...Tut mir Leid", stotterte ich.
Ein paar Sekunden starrten wir uns nur an und ich war wie festgefroren. Das war eben nicht wirklich passiert...Oder? Oder?! Hatte er mich ernsthaft....
„Ich hab keine Ahnung von solchen Sachen", sagte er plötzlich und erhob sich dann.
„I-Ich weiß! Ich auch nicht so wirklich, also mach dir keine Sorgen, ja?", lachte ich blöd.
„Hm..."
„Du... solltest das Blut wegwaschen"
Xiao nickte, sah an sich herunter. „Komm," sagte er dann, „gehen wir baden"

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Mal ein etwas längeres Kapitel ^~^
Mein armes Xiao Baby >< das war so schwer zu schreiben._.

Don't leave me ~ Xiao x Aether | Genshin Impact ~ PausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt