Dankbar

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Im Warteraum ging Johanna unruhig hin und her. Robert sah sie besorgt an, doch er sagte nichts. Er konnte sich sehr gut in Johanna hineinversetzen. Ihre Bindung zu Henry, ihre Angst um Philipp. Auch Daniela war inzwischen zum Geschehen zurückgekehrt und war froh, dass sich Johanna wenigstens einigermaßen beruhigt hatte. „Johanna! Setz dich doch mal hin, bitte. Du machst es doch nicht besser, wenn du hin und her läufst." mahnte er die junge Kommissarin und sah sie auch dementsprechend an. Endlich öffnete sich die Tür und eine Ärztin trat ihnen entgegen.

„Robert Ritter und Johanna Schimke?", fragte sie und ihre Stimme war tief und freundlich. Nachdem die beiden Angesprochenen nickten und aufstanden. „Wie geht es unserem Kollegen?", fragte Robert besorgt und die Ärztin atmete tief durch. „Er hatte grosses Glück. Die Kugel hat kein Organ getroffen, jedoch Arterien verletzt. Zudem hatten die inneren Blutungen zu einer Lungenprellung geführt. Wir überwachen diese nun stetig im Falle, sollte sich diese negativ weiterentwickeln. Ansonsten hat ihr Kollege die OP gut überstanden. Wir haben ihn in ein Intensivzimmer zur Überwachung gebracht. Wenn sie wollen, dürfen Sie zu ihm. Aber bitte, seien Sie nachsichtig. Er ist vorhin gerade erst wach geworden und noch sehr schwach. Ich bringe Sie zu ihm." Johanna und Robert nickten dankend und folgten der Ärztin, die sie zur Intensivstation brachte, wo sie vor einer Türe stehen blieb.

„Er hat vor allem nach Sie gefragt, Kommissarin Schimke. Ich denke, er wird froh sein zu sehen, dass es ihnen gut geht!" Mit diesem Satz, verabschiedete sich die Ärztin und liess Robert, sowie Johanna alleine zurück. „Ist doch immerhin schon was", sagte Robert sanft und strich Johanna über die Schulter, die langsam nickte, jedoch die Lippen zusammengepresst hatte. „Hey, das ist nicht deine Schuld und das weisst du! Du hättest dasselbe auch für ihn, oder auch für jeden von uns getan!"

„Ich weiss...ich...es ist nur das erste Mal, dass jemand so was Drastisches für mich getan hat. Sonst war ich immer die, die auf Andere aufgepasst hat...", erklärte Johanna leise. „Du bist ein fester Bestandteil dieses Teams, dieser K11-Familie, Joschi", begann Robert langsam und sah ihr tief in die Augen, „du bist nicht weniger wert. Ich weiss, es ist ein komisches Gefühl, wenn man plötzlich auf einer anderen Seite einer gewohnten Situation steht...aber nochmals, du hättest es getan...jeder hätte es getan."

Johanna spürte, wie Robert jedes einzelne Wort ernst meinte. Sein Griff um ihre Schulter hatte sich verstärkt und mit aller Kraft wollte er zeigen, wie wichtig sie inzwischen war.

Ohne es zu wollen, lächelte Johanna leicht, nickte dann und trat zur Seite, so dass Robert an der Tür klopfen konnte, bevor er sie öffnete. Sofort, war das Piepen der Geräte zu hören und Johanna folgte Robert in das Zimmer.

Henry lag in aufrechter Position im Krankenbett und war bis zum Bauch zugedeckt worden. Die Arme lagen darüber und waren voller Messgeräte und Zugängen. Neben diesen konnte Johanna noch weitere Kabel und Schläuche, besonders die Sauerstoffbrille, erkennen, doch zuordnen, konnte sie nicht alles.

Was sie jedoch unheimlich erleichterte war, dass Henry mit halboffenen Augen auf sie und Robert blickte. „Da ist ja unser Held", lächelte Robert und ging auf das Bett zu. Sanft, legte er eine Hand auf Henrys Schulter, „Held ist ein bisschen zu viel gesagt...", erwiderte Henry kaum hörbar, „ich bin nur froh, euch zu sehen..."

Nervös mit den Fingern spielend, kam nun auch Johanna langsam zur freien Seite des Bettes und atmete tief durch.

„Henry...ich...", begann sie, stoppte dann aber, als Henry sie besorgt ansah. „Du hast wirklich geblutet..." Johanna verstand und ihre Finger glitten zum Pflaster an ihrer Schläfe. „Wahrscheinlich ein Tritt einer flüchtenden Person. Nichts schlimmes. Musste nur geklebt werden", stammelte sie schnell hinunter und zuckte zusammen, als Henry mit zitternder Hand die ihre nahm. „Ich dachte schon, die hätten dich wirklich erwischt...", atmete er erleichtert aus und Johanna spürte, wie ihr Herz beinahe zersprang.

„Oh man...Kleiner...", flüsterte sie und presste die Lippen zusammen. „Dank Dir, ist es nicht dazu gekommen", sagte nun Robert, „Dank dir, haben wir unsere Johanna noch. Du hast uns aber einen schönen Schrecken eingejagt..."

Henry schluckte und verzog dann das Gesicht. „Ich hatte nur gesehen, wie die Kellnerin mit einer Waffe auf Johanna gezielt hatte, dann hatte ich nicht mehr viel überlegt...", gestand er, „...wenn ich das getan hätte, wäre es vielleicht nicht soweit gekommen..." Während Robert energisch mit dem Kopf schüttelte, fühlte Johanna, wie Henrys zitternde Stimme einen Schalter in sie umlegte. Ein Schalter, den sie schon seit Kind auf kannte.

Sie umgriff Henrys Hand mit ihren Fingern und drückte zu, jedoch ohne den Zugang zu beschädigen.

„Henry, du hast mir das Leben gerettet", sagte sie nun mit fester Stimme, „ich weiss gar nicht, wie ich dir dafür danken soll! Ja ich weiss, jeder von uns hätte das getan, aber...du hast es beinahe mit deinem Leben bezahlt! Michael hatte recht, du wirst mal ein Grosser!"

Mit der freien Hand, strich sie Henry über die Schulter und dieser atmete tief durch.

„Ihr müsst Philipp finden", sagte er dann anschliessend leise und verzog kurz das Gesicht, „Ich bin momentan sowieso kein unterhaltsamer Zeitgenosse. Und Michael braucht euch."

„Max wird gleich kommen und auf dich aufpassen", entgegnete Robert, „du siehst zu, dass du wieder auf die Beine kommst. Mein Kaffee, macht sich nicht von selbst", zwinkerte er dann mit dem Auge und konnte Henry damit sogar ein kleines Lächeln entlocken. „Idiot", flüsterte der Jüngste und drückte dann nochmals Johannas Hand.

„Danke Dir nochmals", flüsterte Johanna sanft und küsste Henry kurz auf die Stirn, bevor auch sie nochmals seine Hand drückte und dann mit Robert aus dem Zimmer ging.

„Es wird sicherlich nicht mehr lange dauern, bis die eine Forderung schicken", begann Robert und gemeinsam mit Joschi, lief er die Gänge des Krankenhauses hinunter, „Michael tut alles mögliche, damit die Gespräche, egal auf welchem Wege sie hereinkommen werden, aufgezeichnet werden können."

„So, dass wir vielleicht nützliches herausziehen können", verstand Johanna sofort und Robert nickte zustimmend, während er Michaels Informationsnachricht weiter durchlas und Johanna die Türe zum Ausgang aufhielt.

„Charlie konnte herausfinden, dass die Beiden sich mit falschen Namen als Arbeiter für den Event anmelden konnten. Sie hatte nämlich versucht, etwas unter denen zu finden, jedoch nichts.", knurrte Robert, nachdem er die Türe zugemacht hatte und mit Joschi über den Parkplatz schritt. Abrupt, blieb Joschi stehen und Robert drehte sich zu ihr um. „Wie sind die Namen Robert?", fragte sie dann und Robert las die Nachricht nochmals durch.

„Müller und Meier. Ziemlich einfallslos wenn du mich fragst!" Johanna atmete tief durch und zum ersten Mal seit langem, bildete sich ein Lächeln auf ihren Lippen. „Dann habe ich zumindest schon was", sagte sie energisch, klopfte Robert auf die Schulter und stahl ihm die Autoschlüssel aus der Gesässtasche seiner Jeans. „Und das wäre?", fragte Robert mehr als verwirrt und eilte ihr hinterher, während sie das Auto per Knopfdruck entriegelte.

„Ihre Nachnamen!", antwortete Johanna ihm, bevor sie auf der Fahrerseite einstieg, wartete bis Robert als Beifahrer auch im Wagen war und fuhr los. 

K11 - Bonnie & ClydeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt