Unbeweglich

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„Ist der Nagel draussen?"

„Ja! Es ist nichts mehr in der Nähe des Bettes, dass man zum Aufschneiden brauchen könnte. Ausserdem, will ich mal sehen, wie er das aufkriegt!"

Als die Stimmen ihn aus der Dunkelheit herausholen bemerkte Philipp, dass er seitlich auf einer weichen Unterlage platziert worden war. Sein Kopf dröhnte heftig und alles vor seinen Augen, die er halbwegs öffnete. Das Erste, was ihm auffiel, war das silberne Funkeln um seinen Handgelenken, die sich kalt und wund anfühlten.

Nachdem er ein paar mal gezwinkert hatte, klarte sich das Bild vor seinen Augen auf und Philipp sah, dass das silberne Funkeln von seinen eigenen Handschellen her kam, die nun als Fesseln dienten und am Kopf des Bettgeländes mit einer Reifenkette, befestigt worden waren, so dass er so viel Spielraum hatte, dass er die Hände einigermassen frei bewegen konnte.

„Na sieh mal einer an, wer da wach wird!", hörte Philipp hinter sich und als er seinen Kopf heben wollte, wurde dieser wieder ins Kissen gedrückt und etwas packte sein Knie und drückte zu. Ohne es zu wollen, schrie Philipp wieder laut auf und biss sich dann auf die Unterlippe, bevor er nun freiwillig, sein Gesicht im Kissen vergrub.

„Nochmal so eine Dummheit und du wirst es bereuen!", spürte Philipp nun Kesslers biergetauchten, heissen Atem in seinen Nacken. Purer Ekel stieg in ihm hoch und er rümpfte die Nase.

„So schnell haut der uns nicht mehr ab", hörte er Breuer hinter sich, „er hat sich beim Sturz die Kniescheibe rausgehauen. So kann keiner mehr rennen. Ausserdem wird er bald höllische Schmerzen haben. Ich denke, dass wird uns auch noch mehr Druck geben. Von dem her, müssen wir glaube ich nichts mehr befürchten."

Tatsächlich begann Philipp zu spüren, wie sein Knie sich falsch anfühlte. Als hätte sich ein Fremdkörper in seiner Haut bewegt und nun dabei war, immer wieder am Knochen rieb. Nicht nur war es unangenehm, es war absolut schmerzhaft.

„Ich habe aber keinen Bock, dass der mir die Hütte voll schreien wird", knurrte Kessler, der sich wieder von Philipp entfernt hatte. Dieser richtete sich langsam auf und kniff die Augen zusammen, als sein ganzer Körper nun weh tat. Er bemerkte diverse kleinere Schrammen an den Armen und aus dem geschwollenen Auge sah er nun beinahe nicht mehr raus. Sein verletztes Knie war erneut verbunden worden und auf dem schneeweissen Verband hatten sich kleine, rote Punkte gebildet.

„Ich habe Durst...", murmelte Philipp als er seine staubtrockene Kehle bemerkte und sah im Augenwinkel, wie Breuer von dem Tisch aufstand und eine Flasche Wasser vom Boden griff. „Du hast wirklich Glück, dass wir dich noch brauchen", stöhnte sie genervt und öffnete die Flasche. „Ausserdem habe ich dir noch was für's Knie", fügte sie noch an, als sie einen Film Tabletten aus der Hose nahm und einer der Pillen daraus drückte, während Philipp einen Schluck Wasser nahm, was sich mit den gefesselten Händen schwierig gestaltete.

Als er damit fertig war, blickte er zweifelnd auf die Tablette, die in Breuers Handfläche lag. „Ist normales Ibuprofen, keine Panik. Wie gesagt, wir brauchen dich noch!", knurrte sie abschätzend und Philipp nahm die Tablette in die Hand, bevor er sich diese danach auf die Zunge legte und dann wieder die Wasserflasche an sich nahm. Mit einigen Schlucken Wasser, spülte er das Medikament hinunter und schüttelte sich kurz, als der bittere Geschmack der Pille noch auf seinen Geschmacksnerven lag.

„Na also, braver Junge", murmelte Breuer und schloss die Wasserflasche dann wieder, bevor sie diese neben das Bett stellte.

„Können Sie mir das Knie nicht wieder einrenken?", ächzte Philipp als er versuchte, das Gelenk zu bewegen und Breuer lachte auf.

„Auf keinen Fall. Erstens, habe ich nicht die richtigen Utensilien dafür und zweitens, bin ich nicht doof. So bleibst du uns schön auf dem Bett liegen und wir müssen dich nicht wieder im Wald suchen!", antwortete sie und setzte sich wieder zu Kessler an den Tisch.

„Einmal hat mir gereicht", stimmte Kessler brummend zu und öffnete sich nun eine zweite Flasche Bier. „Nach der ist aber Schluss", befahl Breuer streng und Kessler zuckte seufzend mit den Achseln. „Wie du meinst", fügte er seiner Geste an und Philipp blickte nun auf seine Handgelenke. Die Handschellen schienen mit aller Gewalt angebracht worden zu sein. Die Haut darunter war gereizt und zum Teil blutig geschürft. Diverse kleinere Hämatome zeigten, dass er sich selbst in der Benommenheit gewehrt haben musste. „Hoffentlich entzündet sich das nicht", flüsterte er leise zu sich selbst und schaffte es mit Müh und Not, eines der Kissen an das Kopfgeländer zu legen, so dass sein Rücken ein wenig geschützt von dem Drahtgitter war. Während diesen Bewegungen, schoss es ihm wieder feuerheisse Pein durch das Bein und er biss sich auf die Unterlippe. In seinem Herz begann sich langsam auch die Angst auszubreiten. Das Letzte auf das er Lust hatte war, in einer Alphütte mitten im Nirgendwo zu sterben.

„Holt mich bitte hier raus Leute...", sagte er leise und blickte aus dem Fenster der Hütte, dass nur die schwarze Nacht zeigte, „die gehen mir nämlich langsam wirklich auf die Nerven!" 

K11 - Bonnie & ClydeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt