Vergiftung

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Philipp wusste nicht, wie lange er sein Gesicht in der Matratze gedrückt hatte, doch als sein Knie noch schlimmer schmerzte und er bemerkte, dass es immer schwieriger wurde, das Bein zu bewegen, richtete er sich langsam auf und musste die Galle runterschlucken, die ihm beinahe hochgekommen war. Sein ganzer Kopf drehte, über die Haut lief Schweiss und ihm wurde es allmählich kalt. Generell überkam ihn ein Krankheitsgefühl, dass er noch nie in seinem Leben gekannt hatte.

Er blickte auf sein verbundenes Knie und stellte fest, dass neben den leichten, roten Punkten in dem Verband, sich gelbliche Flecken gebildet haben.

„Klasse...", zischte er leise zu sich da er sehr gut wusste, dass dies Sekret einer Entzündung war. Anscheinend hatte Breuer die Wunde doch nicht ausgiebig gut gewaschen gehabt und auf einem Waldboden sammelten sich ja tausende von Bakterien.

„Schwitzen wir ein wenig?", hörte Philipp dann und bemerkte nun erst, dass das Licht gedämpft war und Breuer nicht im Raum war.

„Meine Kleine schläft nun. Ich kann ja dann während der Autobahnfahrt pennen, wo wir in den sonnigen Süden fahren und du dann im Krankenhaus versauerst. Soweit du es dann bis dahin schaffst!", kicherte Kessler und schnippte Philipp gegen die Stirn, der leicht zurückwich und sich dann die Stelle rieb.

„Oh, man hat erhöhte Temperatur. Na ja. Meine Freundin war schon immer die bessere Diebin als Krankenpflegerin. Scheint, als wärst du in Hirschkacke gefallen. Die Dinger sind wahre Bakteriengruben und da dauert so was nicht lang. Hoffen wir, dass es wirklich nur eine Entzündung ist. Wollen ja nicht, dass du eine Blutvergiftung kriegst!"

Philipp wusste nicht, ob es das Krankheitsgefühl oder der Ekel war, die ihn wieder leicht würgen liess doch wieder, unterdrückte er alles und atmete tief durch.

„Was mich überrascht ist, wie viel Schmerzen du aushältst. Viele andere wären wahrscheinlich schon in Ohnmacht gefallen. Von einem solchen Sonnyboy hätte ich solches Durchhaltevermögen nicht vermutet!", pfiff Kessler erstaunt und Philipp antwortete nicht.

„Hör zu. Wir wollen eigentlich niemanden töten, aber der Typ ist einfach rein gestürmt und wollte mein Schätzchen angreifen. Ich musste ihn schubsen."

„So, dass er über das Geländer durch den Kronleuchter fällt?", murmelte Philipp und Kessler zuckte mit den Schultern.

„Ein Unfall. Mehr nicht. Konnten's aber nicht melden, denn das mit dem Überfall selber, wirkte dann ein wenig suboptimal!", sagte er beiläufig und Philipp richtete sich leicht auf. Als er die Beine bewegte, fühlte sich das verletzte Knie wie ein taubes Anhängsel an.

„Das war ein Mensch. Ein Mensch mit einem Leben. Einer Frau. Einer Zukunft. Und keine unvorteilhafte Nebensache", knurrte er und Kessler winkte ab.

„Ihr seht das immer so. Ihr Polizisten legt alles immer in die goldene Schale. Selbst solche Typen wie uns, versucht ihr immer ohne einen Schaden zu bekommen. Es ist eine Tragik. Manche Menschen sind halt dazu bestimmt, früh zu gehen.", sagte er und Philipp rieb sich die Arme warm.

„Keine Sorge. Dich lassen wir auch leben. Ausser deine Kollegen planen irgendein krummes Ding. Dann müssen wir den Ballast loswerden. Ansonsten wird eine rasche Flucht unmöglich!"

Philipp sah Kessler tief in die Augen. „Grosse Worte für jemand, der mich beinahe in die Bewusstlosigkeit vor lauter Schmerzen gebracht hat!", flüsterte er und Kessler wippte mit dem Kopf hin und her.

„Ich liebe meine Kleine halt über alles und wenn man sie beleidigt, schalten sich bei mir halt die Synapsen aus. So wie bei dir, als wir von deiner Kollegin gesprochen haben!", rechtfertigte er sich und legte Philipp eine Hand auf die Stirn.

„Du bekommst Fieber. Und deine Augenringe könnten der schwarzen Nacht Konkurrenz machen!", murmelte er und stand auf.

„Was hast du vor?", fragte Philipp leise und Kessler ging zum Ärztekoffer. „Wusste ich's doch", murmelte er nach einer Weile und nahm eine kleine Ampulle hervor, bevor er dann eine Spritze vorbereitete, deren Nadel er in die Ampulle steckte und eine kleine Portion der Flüssigkeit aufzog. „Wir brauchen alle Ruhe! In ein paar Stunden geht's los. Und ich will auch mal meine fünf Minuten Stille!"

Philipp riss an den Handschellen und schüttelte mit dem Kopf. „Nein! Auf keinen Fall!", knirschte er und versuchte, sich weiter zu befreien, doch die heftigen Bewegungen führten dazu, dass sich der Strudel in seinem Kopf noch schneller drehte und er fiel seitlich auf's Bett.

„Ist nur ein wenig Propofol! Kein Grund zur Panik!" Philipp schüttelte wieder mit dem Kopf. „Das Zeug ist hochgefährlich, wenn falsch dosiert!", keuchte er und Kessler winkte wieder ab. „Ich spritz es mir manchmal selbst. Mach dir da keine Sorgen. Ich weiss, was ich tue!", lächelte er und noch bevor sich Philipp versehen konnte, wurde er in den Hals gestochen.

„Nein....bitte....Kessler....", flüsterte er und spürte, wie seine Sinne schwanden. Die unbändige Schwärze begann ihn einzuholen und er konnte nicht mal mehr hören, wie Kessler ihm eine gut Nacht wünschte.

K11 - Bonnie & ClydeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt