Befreiung

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„Was war das?", keuchte Kessler, als er den Schrei seiner Freundin vernahm. Kurz danach, waren viele verschiedene Stimmen und Geräusche zu hören und Philipp versuchte sich aufzurichten, doch seine Arme zitterten und er fiel wieder ins Kissen zurück.

„Kessler, machen Sie keine Dummheit", murmelte Philipp. Er kniff die Augen zusammen, da dass Fieber nun auch begann, sein Gehirn zu verbrennen. Einen klaren Gedanken oder eine Idee zu fassen, war kaum noch möglich. Besonders, weil alles in seinem Körper danach schrie, der immer näher kommenden Ohnmacht nachzugeben und einfach einzuschlafen.

„Keine Dummheit...", zischte Kessler und drehte sich zu Philipp um, „KEINE DUMMHEIT?!", schrie er dann und schüttelte mit dem Kopf. „Meine Freundin könnte da draussen in Gefahr sein. Wenn du nicht da wärst, würde ich sofort hinterherrennen. Aber du bist unser Ticket nach draussen...ich muss...nein ich sollte..." Kessler packte sich an den Haarschopf und Philipp atmete tief durch. Er unterdrückte die Übelkeit, schluckte schwer und nahm alle Kraft zusammen die er hatte, um sie in seine Worte und Gedanken zu stecken. „Kessler, es bringt nun nichts, wenn Sie durchdrehen, Denken Sie an Ihre Freundin...", keuchte Philipp und verzog dann wieder das Gesicht vor Schmerzen.

Beide blickten wieder zur Türe, als von weitem ein weiterer Schuss zu hören war. „Sie haben sie getötet...", flüsterte Kessler und in seinen Augen, begannen sich Tränen zu sammeln. „Kessler, das ist keine amerikanische Fernsehserie...", murmelte Philipp, „...wir erschiessen niemanden." Kessler lief auf den Tisch zu und packte die Waffe.

„Kessler...wenn Sie da raus gehen...", flüsterte Philipp und es fiel ihm immer schwerer, die Augen offen zu halten.

„Ich gehe nicht raus", sagte Kessler dann überraschend klar und seine Stimme war dunkler als die tiefste Nacht. Er entsicherte die Waffe und richtete sie auf Philipp, der diese Statur selbst durch den dichten Dunst erkennen konnte, der sich über seine halboffenen Augen gelegt hatte.

„Kessler...bitte...", flehte Philipp wimmernd und drückte sein Gesicht wieder tiefer in die Matratze, die inzwischen auch in seinem Schweiss getaucht war.

„Du kannst mich noch so oft anflehen wie du willst...", zischte Kessler, „...ich habe es oft genug gesagt. Sollte dies alles scheitern, wirst du der sein, der es bereuen wirst. Am liebsten würde ich dich in diesem miserablen Zustand lassen und in Ruhe zusehen, wie du verendest, aber die Zeit haben wir leider nicht. Und ich will nicht all zu viel Zeit auf dieser Erde ohne meinen Schatz verbringen!"

„Sie...sie ist nicht tot...", flüsterte Philipp und versuchte, seinen Worten mehr Kraft zu verleihen, was aber aufgrund der Lautstärke und der Heiserkeit mehr als jämmerlich klang.

„Deine Kollegen haben sich doch von ihrer Wut leiten lassen! Heisst aber, dass du ihnen wirklich anscheinend was bedeutest...und sie hat nicht geschrieen. Man schreit vor Schmerzen, man hat Angst! Der Tod ist leise, nicht das sterben!", philosophierte Kessler und Philipp, versuchte es nochmals, sich auf seinen Armen abzustützen. Was ihn dieses Mal auch gelang, trotzt des heftigen Zitterns und des beinah unerträglichen Schwindels.

„Kessler...das ist sicherlich...nicht...der Fall", stammelte Philipp hervor und blickte Kessler direkt in die Augen. „Ich lege da für meine Kollegen die Hand ins Feuer...ich..."

„SCHNAUZE", unterbrach Kessler ihn und Philipp zuckte unfreiwillig zusammen. „Ich hätte deine Kollegin einfach abknallen sollen, nachdem der Kleine getroffen wurde. Dann wärst du bei ihnen geblieben und wir hätten einen anderen Weg gefunden. Du hast alles zunichte gemacht! Musstest den grossen Held spielen! Würde deine Kollegin das auch für dich tun? Würde sie auch so weit gehen?"

„Kessler...ich..."

„...ANTWORTE!", wurde Philipp wieder unterbrochen und dieser konnte sich nicht mehr aufrecht erhalten und fiel wieder seitlich auf die Matratze.

Seine Stimme gab nichts mehr her. Alles in ihm schrie nach Erlösung und er konnte nicht mehr richtig reagieren.

„Zu schwach um zu antworten. Das würde sie niemals für dich tun! Denn wo ist sie? Nirgends! Sie alle kümmern sich nur darum, meine Freundin zu töten, statt ihren Kollegen zu retten. Niemand macht eine Ausnahme für dich! Es ist eigentlich..."

Philipp erschrak aus seiner aufkommenden Trance, als das Klirren einer Scheibe zu hören war und Kessler mit einen lauten Schrei zu Boden ging.

„NILS PACK IHN!", hörte Philipp eine bekannte Stimme und dann das bekannte Piepen eines Funkgeräts. „Robert, alles ist sauber! Komm sofort runter!"

Mit Müh und Not, schaffte es Philipp wieder seine Augen zu öffnen und er sah, wie ein bekanntes Gesicht vor seinem Blickwinkel erschien. Und ohne es zu wollen, musste er lächeln.

„Ich wusste...du würdest kommen...", murmelte er schwach und seufzte erleichtert, als sich eine kalte Hand auf seine feuerheisse Stirn legte.

„Man...Phips...du bist einfach nur irre...", flüsterte Joschi, nachdem sie sich neben das Bett gekniet hatte und auf Philipps verbundenes Knie blickte. „Ach du Scheisse...", ächzte sie erschrocken und nahm Philipps Gesicht sanft in ihre Hände, „...du hältst mir hier durch okay? Ich habe nicht die Muckis, um dir minutenlang eine Herzmassage zu geben. Und wenn Robert es tut, wird er dir den Brustkorb durchdrücken, dass ist dir bewusst oder?", sagte sie mit einem aufmunternden Lächeln und Philipp nickte.

„Oh Gott, Philipp", hörte er nun Roberts Stimme und sah, wie Joschi hochblickte. „Er muss sofort in den RTW. Kriegst du das hin?", fragte sie und Robert nickte sofort. „Klar. Hilfst du mir ein wenig, Kumpel?", sagte er dann sanft zu Philipp, nachdem Joschi ihm Platz gemacht hatte.

Mit letzte Kraft, legte Philipp seine Arme um Roberts Hals und unterdrückte jegliche Laute des Schmerzes, als Robert ihn hochhob.

„Ich will einfach nur hier raus...", flüsterte Philipp und konnte im Augenwinkel sehen, wie Nils, Kessler die Handschellen anlegte. 

K11 - Bonnie & ClydeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt