Abwarten

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Philipp atmete kurz scharf ein, als Breuer ihn nach der Versorgung aufs Bett stiess. „Keine Mätzchen, klar? Wir haben Waffen!"

„Ist mir komischerweise nicht entgangen", brummte Philipp in seinen Dreitagebart und richtete sich in eine sitzende Position auf. Breuer hatte die Jeans oberhalb des Knies abgeschnitten gehabt und das Knie richtig gut verbunden.

„Scheint, als hätten Sie Ahnung darin", wendete sich Philipp an Breuer, die sich zu ihrem Freund an den Tisch gesetzt hatte und nun ihre Flasche Bier öffnete. „Meinst du wirklich, ich falle auf so einen dämlichen Versuch rein, etwas von mir Preis zu geben?", keifte Breuer verachtend und gönnte sich einen Schluck des alkoholischen Getränkes. „Nicht nur ein Hitzkopf, sondern auch noch ein Klugscheisser", lachte Kessler verachtend und Philipp rollte innerlich mit den Augen.

„Jedenfalls ein Klugscheisser, der seine kleine Freundin über alles liebt. Süss oder? Wie es bei uns angefangen hatte", lächelte Breuer und tippte Kessler auf die Nasenspitze. Dieser, kniff die Augen zusammen und zog eine Schnute.

„Ich glaub, ich kotz gleich", flüsterte Philipp zu sich selbst und sah dann, wie Kessler Philipps Handy hervor kramte, dass er an sich genommen hatte. „Ach, Gesichtserkennung, was ein Vorteil!", grinste er und stand auf, bevor er auf Philipp zuging und das Handy ihm entgegenstreckte. Philipp, wendete sofort seinen Blick ab und schrie auf, als Kessler ihm eine saftige Ohrfeige verpasste. „Gesicht!", brüllte Kessler ihn an und Philipp atmete tief durch. Er drehte seinen Kopf wieder in Richtung des Gerätes und mit einem Ping, wurde das Entriegeln lautstark bekannt gegeben.

„Die hatten immer wieder nach einem Michael gerufen, nachdem wir uns entfernt hatten", begann Breuer und zeigte auf das Handy, nachdem Kessler sich wieder zu ihr gesetzt hatte, „schau mal, ob so jemand in den Kontaktdaten ist."

Kessler tat wie ihm befohlen und lächelte dann zufrieden. „Michael Naseband (Chef). Normalerweise mag ich penible Typen nicht, aber nun, bin ich dir dankbar", grinste er Philipp entgegen und prostete ihm mit der Bierflasche zu.

„Dann lass uns zuerst die Forderungen aufschreiben, damit wir vorbereitet sind. Das Telefonieren wirst du dann übernehmen, du bist schliesslich der Bedrohliche", säuselte Breuer und Kessler zwinkerte ihr zu.

Philipp zuckte kurz auf, als ihn etwas in die Hand stach und als er einen kurzen Blick nach hinten riskierte, erblickte er einen hervorstehenden Nagel. Während Kessler und Breuer begannen, auf einem Blatt Papier sich Notizen machten, rutschte Philipp langsam zu dem Nagel und begann, seine Fessel gegen das alte, rostige Metall zu reiben.

Dabei, schnitt sich aber das Plastik des Kabelbinders in seine Haut und Philipp spürte, wie immer wieder ein kleiner Teil seines Balges aufgeschürft wurde. Seine Handgelenke fühlten sich taub und feuerheiss zu gleich an und Philipp musste die Lippen zusammenpressen, um nicht das Gesicht zu verziehen.

Doch er wollte nur weg. Weg, von diesem Gängster-Pärchen-Wannabe und deren überkitschigem Getue zueinander.

Ausserdem klammerte sich die Sorgen um seine Kollegen immer mehr um sein Herz. Henry, der Jüngste, war schliesslich niedergeschossen worden. Das hatte er gesehen, bevor Kesslers Ellbogen sein Auge getroffen hatte. Und Johanna war ebenfalls verletzt gewesen. Er hoffte tief im Inneren, dass Henry am Leben war und ihm geholfen werden konnte. Auch wie Johanna.

Philipp hatte einfach nicht gewollt, dass sie nochmals durch die Hölle einer Geisel gehen musste. Schliesslich war sie bei der letzten Erfahrung damit beinahe verstorben.

Als Philipp bemerkte, wie die Fessel nachliess, drückte er seine Hände weiterhin zusammen um die Illusion aufrecht zu erhalten. Er presste seinen Körper gegen die Hände und blieb dann in der Position verharren. Alles was er nun brauchte, war der richtige Augenblick, der noch nicht da war. Schliesslich lagen die Waffen Beider auf dem Tisch und waren sofort griffbereit. Eine falsche Bewegung und Philipp würde dies sofort mit dem Leben bezahlen. Ausserdem musste er sein Knie beachten. Klar, würde ein Adrenalinschub die Schmerzen für eine kurze Zeit stillen, doch umso heftiger würden diese dann auch wieder zurückkehren.

„Gut. Dann, ruf' sie mal an, Baby", sagte Breuer und Kessler wählte die Nummer und wartete ab. „Naseband, ich habe da etwas, was Sie glaube ich wieder zurückhaben wollen", begann Kessler und winkte Philipp mit einem verächtlichen Grinsen zu, „Sie haben unseren schönen Plan kaputt gemacht und nun müssen Sie uns halt im Gegenzug das geben, was wir wollen. 250'000 Euro und einen schnellen Fluchtwagen. Ausserdem freies Geleit bis über die Grenze. Ich denke, Ihr Kollege, wird ihnen das schon wert sein oder?"

Kessler wartete ab und nickte dann zufrieden. „Gut. Sie haben drei Stunden. Danach werde ich Sie wieder kontaktieren. Und versuchen Sie gar nicht, das Handy Ihres Kollegen zu orten. Wir haben alle Funktionen diesbezüglich ausgeschaltet und sollten wir doch etwas bemerken, wird es der Kleine bereuen. Die Stirn ist ja gross genug, um sie noch mit einem mittigen Loch zu schmücken!"

„MICHA! LASS DICH NICHT AUF DIE IDIOTEN EIN!", schrie Philipp lautstark und wich zurück, als Breuer auf ihn zu gerannt kam und ihm nun auch mit der flachen Hand auf die Wange schlug. Durch diese Bewegung, kippte Philipp zur Seite.

„Du mieses...", zischte Breuer, als sie sah, dass die Fesseln geöffnet waren, doch kam nicht weiter. Philipp versetzte ihr einen Tritt in den Magen, richtete sich eiligst auf und rannte zur Türe. Er schaffte es, die Türe öffnen und hinter sich zuzuschlagen, bevor ein Schuss durch das Holz drang und im Dunkeln verschwand.

„Dieser Mistkerl will abhauen!", hörte er Breuer knirschen und sofort, setzte sich Philipp in Bewegung und ignorierte jeglichen Schmerz, der durch sein Kniegelenk ging. So schnell ihn seine Beine tragen konnten, rannte er in die Tiefen des Waldes, der hinter der Hütte sich fortsetzte.

Die eiskalte Luft brannte in seinen Lungenflügeln, doch Philipp kämpfte gegen diese Erscheinungen an. Er versuchte, das Tempo sogar noch zu steigern, was aber dazu, führte, dass er eine abstehende Wurzel übersah und ausgerechnet der Fuss des verletzten Beins hängen blieb. Ein furchtbarer Schmerz ging durch sein Knie, dessen Gelenk er glaubte zu knacken hören. Sein ganzes Knie fühlte sich an, als würde es explodieren und mit einem grellen Schrei, fiel Philipp zu Boden.

„Scheisse...nein...", wimmerte Philipp und versuchte sich auf zu richten, doch dann hörte er ein Klacken und spürte, wie sich etwas gegen seinen Hinterkopf presste.

„Netter Versuch", hörte Philipp Kessler, keuchen und bevor er antworten konnte, schlug etwas gegen seinen Hinterkopf und Philipp verlor das Bewusstsein. 

K11 - Bonnie & ClydeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt