Der Zweite Akt

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Der Zweite Akt

Ich ging also nach draußen auf die Terasse, wo sich irgendwann alle Raucher versammelten, wegen der vollkommen überzogenen Brandschutzbedingungen in dem Hotel. Unzählige Leute verwickelten mich in irgendwelche Gespräche. Vorzugsweise über die Geschäfte. Wie die Geschäfte laufen, was die Geschäfte machen, ob es gut steht mit den Geschäften... Es war das meist gesagte Wort an diesem Abend, obwohl wir ja eigentlich auf einer Hochzeit waren. Da sollte man meinen, es wäre so etwas wie Liebe, oder Ehe, oder, oder, oder.

Aber selbst hier war der Großteil der High Society nur auf eins bedacht.

Nun ja, mir konnte es egal sein, denn man musste nur wissen, wie man den ganzen Scheiß Leuten entging. Ich wählte die einfachste Methode aus. Flucht. Ich nahm die alte Steintreppe, die an den Balkon angelassen war und setzte mich unten auf die Stufen, von wo aus man einen wunderbaren Überblick über den gesamten Garten hatte, der von einigen kleinen Laternen ausgeleuchtet wurde.

Es sah wirklich hübsch aus. Aber das war mir eigentlich auch vollkommen egal. Was mich hier interessierte war die Ruhe. Und das ich eine Kippe nach der anderen rauchen konnte. Und natürlich das mich so eine nette Kellnerin mit der Zeit entdeckte und mir immer ein neues Bier brachte, sobald meins alle war.

Und mir stand wieder die Nacht bei Leos Hochzeit vor Augen. Oder besser gesagt, die Nächte. Als ich nach dem Junggesellenabschied auf mein Zimmer ging, stand Haley da. Mit einer offenen Flasche Sekt ín der Hand, aus der sie einen Schluck nahm. Ohne Glas, ohne alles. Dann wischte sie sich mit den Arm über den Mund und sah mich aus verheulten und roten Augen an. Die Haare unordentlich. Das Kleid saß nicht richtig. Ich hab stillschweigend die Tür aufgeschlossen und dann sind wir beide in mein Zimmer gegangen.

"Ich weiß nicht, warum ich mich gerade so aufführe. Ich freue mich für Leo. Wirklich. Er hat es verdient glücklich zu sein und er liebt seine Frau." Sie schnievte lautstark und wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht. Dann strich sie sich ungeduldig die Haare aus dem Gesicht. "Sie ist schwanger. Wusstest du das? Sie ist schwanger und Leo wird bald Vater und... Oh Gott... Fin... Als sie es mir erzählt hat... Ich hab kein Wort rausgebracht. Ich habe wirklich versucht mich zu freuen, aber es ging einfach nicht. Ich hab die ganze Zeit dran gedacht, wie ich... Mist."

"Wie du was?" Fragte ich nach, denn ich hatte keinerlei Ahnung gehabt, was gerade in Haleys Kopf vorging, oder worüber sie redete. Die Neuigkeiten das Leos baldige Frau schwanger war, hatte ich so vorher auch noch nicht gehört, aber naja.

"Ich war schwanger." Murmelte sie dann leise. "Auf dem College... Da gab es einen Typen, Jason und es war ein Unfall. Wirklich. Aber ich war... schwanger." Haley ging unruhig auf und ab. "Er wollte das Kind nicht. Aber das war mir egal. Ich... Du kennst mich." Sie blieb ruckartig stehen und sah mich verzweifelt an.

Ja, ich kannte sie. Haley war einfach zu beschissen sensibel für diese Welt und wenn sie schwanger wäre, dann würde sie es unter keinen Umständen übers Herz bringen eine Abtreibung durchführen zu lassen, egal was der Kerl gewollt hatte und wenn sie deshalb sagte, sie war schwanger gewesen, also, die Vergangenheitsform benutzte, dann hieß das, dass sie das Kind verloren hatte.

"Ich war schwanger." Sie ließ sich aufs Bett fallen und sah mich flehend an. "Sag was. Es war wirklich ein Unfall, Fin."

Und was sagte man darauf? Was wollte sie von mir hören? Das es mir leidtat? "Es ist okay, wenn du dich deswegen nicht für Leo freuen kannst. Das ist menschlich, Hales."

"Ist es das?" Fragte sie nach und schloss die Augen, als würde sie diese ganze Welt einfach nicht länger ertragen können.

Ich war immer noch total überfordert. Schlimmer wurde es noch, als ich sah, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. "Ja, das ist es." Was machte ich, beschissener Gentleman zu dem mich meine Mutter erzogen hatte? Ich ging natürlich rüber und nahm sie in den Arm, während sie sich ausheulte und immer mehr erzählte, von ihrem Schmerz, ihrer Angst, wie weh es ihr tat, dieser Verlust. Dann führte eins zum anderen und wir hatten Sex.

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