Der vierzehnte Akt + Epilog

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Ich fühlte mich wie der pseudo-männliche Charakter in einer dieser übertrieben tränenreichen Hollywoodverfilmungen für Frauen, die eigentlich nur den Zweck besaßen, uns normale Männer richtig schlecht aussehen zu lassen. Mal ehrlich, welcher Kerl streute schon so viele Rosenblätter aus, dass man meinen könnte, der Teppich wäre rot, nicht weiß? Welcher Typ zündete schon hunderte von Kerzen in einem Zimmer an, nur um für romantische Stimmung zu sorgen? Welcher Mann setzte sich mit einer Gitarre hin, wartete angespannt eine halbe Stunde in dieser Position, bis seine Traumfrau denn endlich mal nach Hause – oder das zu Hause seines besten Freundes – kam, um sie dann zu überraschen? Und welcher Schwanzträger auf diesem Planeten schaffte es in dieser Zeit, die eigentlich über sein ganzes Leben entschied, ruhig und gelassen zu bleiben, immer brav nickend auf Tys nervige Kommentare zu reagieren, ohne dabei irgendjemanden umzubringen? Am liebsten wäre ich im Moment Mitch, die ja die Lizenz hatte, alle möglichen Dinge nach Ty zu werfen, damit er die Fresse hielt.

„Bleib ganz cool, Alter. Du schaffst das schon. Alles wird gut, du wirst schon sehen. Leg einfach dein ganzes Herz darein, dann muss es ja klappen. Am besten du...“

Ich unterbrach ihn, denn langsam hatte ich die Schnauze voll. Hier ging es nicht darum, beim Baseball den Ball zu treffen, hier ging es um mein Leben und er redete mit mir, wie es ein Trainer in der LittleLeague tun würde. Vollarsch. „Halt bloß deine Fresse, ansonsten schwöre ich dir, dass ich deiner Tochter zu ihrem dreizehnten Geburtstag eine Schachtel Kondome schenkte.“ Er war ruhig, genauso wie es Nathan, Leo und Ian auch ganz plötzlich waren. Während der letzten Stunde war so viel passiert. Ty hatte einen Anruf von Mitch bekommen, die gesagt hatte, dass sie und auch Haley bald hier auftauchen würden, was uns alle unter enormen Zeitdruck gesetzte hatte, um überhaupt irgendwas auf die Beine zu stellen. Auf meine Frage hin, warum Haley denn hierher kommen würde, wo sie doch ihren Jungesellinnenabschied hatte, stammelte Ty irgendwas von wegen ihr ginge es schlecht und sie wäre krank. Na toll.

Diese Idee stammte größtenteils von Leo, zumindest die Rosen und Kerzen. Wir hatten alle Tankstellen im Umkreis von 10 Meilen abgeklappert und einfach alles gekauft, was wenigstens halbwegs wie eine Rose aussah. Tankstellenblumen konnte man ja oftmals gar nicht ansehen, was sie eigentlich sein sollten. Außerdem mussten die Rosenbüsche von Tys Nachbarn dran glauben. Und auch alle Teelichter die Mitch über die Jahre angehäuft hatte.

Nun hatten wir zumindest eine brauchbare Kulisse, doch ich war mir immer noch nicht wirklich sicher gewesen, wie das funktionieren sollte, bis Nathan einen seiner wenigen wirklich genialen Momente hatte. Leo hatte gefragt: „Und was willst du ihr dann sagen, wenn sie erstmal hier ist? Ich mein, ist ja kein Geheimnis, dass du nicht wirklich gut über so was reden kannst.“

Bevor ich auch nur ein Wort darauf erwidern konnte – mir wäre ohnehin nichts dazu eingefallen – sprang Nathan auch schon ein. „Er wird doch nicht reden.“ Er schüttelte den Kopf, als wäre dies die dümmste Idee die er jemals gehört hatte. „Du wirst doch etwas singen, oder nicht Fin?“

„Ja.“ Stimmte ich sicher zu, als wäre es meine Idee gewesen. „Natürlich werde ich was singen. Reden kann ja schließlich jeder.“ Nathan zwinkerte mir zu, als wüsste er ganz genau, dass es mir vorher nicht in den Sinn gekommen war, dass ich auch etwas singen könnte.

Nun war alles vorbereitet gewesen, ich hatte meine Gitarre geholt und mich auf ein Sofa im Wohnzimmer platziert. Das ganze Licht war schon ausgeschaltet, alles war nur noch wegen dem Kerzenschein erkennbar. Ty und die anderen hatten sich in den Durchgang zur Küche gestellt und wir warteten angespannt, denn Mitch hatte vor drei Minuten geschrieben, dass sie in fünf da sein würden.

Die Songauswahl war eigentlich das einfachste für mich gewesen, denn auf dieser ganzen Welt gab es nur ein einziges Lied, nur eins, was wirklich in diese Situation passte. Aber das trug nicht dazu bei mich aufzumuntern. Mal ehrlich, wer ist denn glücklich darüber seinen Lieblingsschokoriegel dabei zu haben, wenn die Welt untergeht? Niemand. Weil was bringt einem Schokolade, wenn man sowieso stirbt? Man kann jetzt mit dem Argument kommen, dass es ja ganz schön wäre noch einen letzten Biss von etwas zu nehmen, dass man wirklich liebt, bevor man abdankt. Aber würde es einen nicht noch viel trauriger machen, wenn man wüsste, dass es das letzte Mal war?

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