1984; irgendwo tief in Elios Träumen, war Zeit nur eine Illusion.
Elio wurde von Olivers Ellbogen in seinen Rippen geweckt. Er freute sich diebisch, denn es war sein Verdienst, dass Oliver noch neben ihm lag. Er hatte ihn in der Nacht mit einem gestöhnten „Elio, Elio, Elio", in dessen Ohr geweckt und ihn so von einer zweiten Runde überzeugen können. Nun war Oliver offensichtlich zu erschöpft, um vor ihm das Bett zu verlassen. Elio konnte sich nicht erinnern, dass er jemals neben Oliver aufgewacht war, als dieser noch schlief. Immer war Oliver vor ihm wach gewesen. Er betrachtete Olivers entspanntest Gesicht. Wenn es war, wie Shakespeare einst geschrieben hatte,
Schlafende und Tote sind nur Gemälde13
dann war für Elio Oliver das Schönste von allen.
Er fuhr mit den Fingern über dessen Gesicht und dann gab er ihm einen Kuss auf seine leicht geöffneten Lippen, als Oliver langsam die Augen öffnete und Elio anlächelte. Doch je mehr Oliver im Hier und Jetzt ankam, desto mehr verschwand sein Lächeln.
„Elio, wir haben heute Montag."
„Ja, ich weiß", entgegnete Elio gleichgültig und fuhr Oliver durch die Haare.
„Du musst zum College."
„Nein, muss ich nicht. Ich bin krank."
Elio ließ sich theatralisch auf den Rücken fallen.
„So, so. Krank also. Ich kann mir vorstellen, was das für eine Krankheit ist", neckte ihn Oliver, dann stürzte er sich auf Elio und kitzelte diesen durch. Elio versuchte sich zu wehren, aber er hatte nicht die geringste Chance.
„Nichtsdestotrotz muss ich, aber schon ein wenig arbeiten", sagte Oliver nachdem er von Elio abgelassen hatte.
„Nicht dein Ernst?"
„Die Aufsätze korrigieren sich halt nicht von selbst."
Er gab Elio einen schnellen Kuss auf den Mund, bevor er über ihn aus dem Bett stieg und seine Kleidung vom Boden auflas.
„Nein warte."
Elio sprang aus dem Bett, ging zur Kommode, zog die letzte Schublade auf, nahm dann das blaue Flatterhemd heraus und reichte es Oliver.
„Trag das heute."
„Oh mein Gott Elio! Du hast es noch?"
„Ich habe alle deine Sachen noch."
Oliver nahm das Hemd ans Gesicht und roch daran.
„Riecht das gut. Nach Italien und nach dir."
Aber nicht nach dir. Dein Geruch und die Erinnerungen werden das Einzige sein, was mir in 15 Stunden von dir bleiben wird, dachte Elio.
„Mach du doch Frühstück und ich gehe schnell duschen. Je eher ich anfange, desto eher bin ich fertig."Oliver ging mit dem Flatterhemd und seiner restlichen Kleidung ins Bad, während Elio sich anzog und sich dann in der Küche nach etwas Essbarem umsah.
Sein Blick fiel auf das Brot und das Messer und für einen kurzen Moment ziepte der Schnitt in seinem Finger.
„Oliver?", rief Elio rüber zum Bad.
„Ja."
„Mal eine rein hypothetische Frage. Wenn ich mir jetzt beim Brotschneiden den Finger abschneiden würde, würdest du dann deine Aufsätze liegen lassen und dich um mich kümmern?"
Es kam nur ein vorwurfsvolles „Elio" aus dem Badezimmer zurück.
Ein Versuch war es wert gewesen, fand Elio. Er hätte die Schmerzen in Kauf genommen. Oliver hätte schon gewusst sie zu lindern. Aber vielleicht war es auch von Vorteil für seine Pianistenkarriere, alle Gliedmaßen zu behalten.Auf den Moment als Oliver aus dem Badezimmer trat, war Elio nicht vorbereitet. Oliver in dem blauen Flatterhemd. Es war wie damals, bei dessen Ankunft in Italien. Als sähe er ihn zum ersten Mal. Als wäre er noch ein großes Geheimnis, wie ein ihm unbekanntes Klavierstück, nur dass ihm die Melodie seit jeher bekannt und nur für ihn bestimmt war. Elio ging auf ihn zu und nahm Olivers Hände in seine und küsste ihn. Dann merkte er, dass sich Oliver aus dem Kuss lösen wollte, aber Elio zog ihn wieder an sich ran.
„Elio bitte lass das. Ich kenne mich, wenn wir jetzt nicht aufhören, komme ich heute zu gar nichts mehr."
Widerwillig ließ Elio ihn gehen und machte sich ein Müsli, welches er stehend an der Küchentheke aß. Anschließend nahm er einen Joghurt aus dem Kühlschrank, ging ins Arbeitszimmer und stellte Oliver den Joghurt auf den Tisch.
„Du verwöhnst mich", sagte Oliver sarkastisch.
„Gewöhn dich nicht daran", sagte Elio mit trauriger Miene, aber dies blieb Oliver verborgen, da sein Blick auf die Aufsätze vor ihm geheftet war.
Nach einer Weile, blickte er dann aber doch auf, da Elio immer noch mit dem Rücken an den Schreibtisch gelehnt neben ihm stand.
„Willst du da jetzt die ganze Zeit stehen bleiben?"
„Ich möchte in deiner Nähe sein."
„Das schmeichelt mir wirklich sehr, aber ich kann mich so nicht konzentrieren."
„Stört es dich, wenn ich etwas auf der Gitarre spiele?"
„Nein, das fände ich sehr schön."
Elio nahm sich seine Gitarre und stimmte sie. Er hatte Ewigkeiten nicht gespielt. Er setzte sich im Schneidersitz auf das Bett, den Rücken an der Wand angelehnt und begann leise zu spielen.
„Was ist das für ein Lied?", fragte Oliver nach einer Weile.
„1984 von David Bowie, aber ich habe es ein bisschen abgewandelt."
Elio konnte Oliver, durch dessen Hinterkopf lächeln sehen.
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Zwischen immer und nie - Call me by your name
Fanfiction„Immer war unsere Zeit begrenzt. Dabei wollte ich doch ein ganzes Leben mit dir." Nachdem Elio und seine Eltern von Olivers Hochzeit erfahren haben, beschließt Elio sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und Oliver zurückzugewinnen. Er wird Ol...