Epilog I

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1995; 10 Jahre später irgendwo in Norditalien.

Es war ein lauer Sommerabend und Elio saß wie so oft, wenn er bei seinen Eltern zu Besuch war, an Olivers Lieblingsstelle. Es war jener Moment des Tages, kurz bevor es zu dämmern beginnt, wenn die von der Sonne des Tages erhitzen Körper, zur Ruhe kommen und die kühle Brise des Abends entgegensehnen. Es duftete nach frischem Rosmarin und der leichte Windzug wehte den Geruch von gegrilltem Fisch zu ihm herüber. Vereinzelt hörte er ein Lachen und das Klirren von Gläsern sowie Fetzen von Musik, die das Zirpen der Zikaden übertönten.

Elio betrachtete den Zettel, den er vor kurzem in einem seiner alten Bücher gefunden hatte. Ganz hinten hatte er in E.M. Forsters Maurice gelegen. Auch wenn das Papier schon sehr dünn geworden war, konnte man die Schrift noch sehr deutlich erkennen. Elio schaute auf die Uhr. Vier Stunden noch bis Mitternacht. Er faltet den Zettel und steckte ihn in die Brusttasche seines Hemdes, legte seinen Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel. Olivers Himmel. Wie sehr er das alles liebte. Es gab jedoch etwas was er noch mehr liebte, als die viel zu raren Tage in Crema. Den Mann, dessen Kommen, das Schnacken seiner schlechtsitzenden Espadrilles ankündigten und der Elio mit seiner tiefen Stimme aus seinen Gedanken riss.

„Elio, bist du hier?", flüsterte dieser.
„Ja hier drüber, wo denn sonst?", antwortete Elio ebenfalls flüsternd. Elio war ganz alleine, in diesem Teil des Gartens und eigentlich bestand keine Notwendigkeit zu flüstern, außer diesem besonderen Moment, im Einklang mit der Natur, seinen Tribut zu zollen.

Er hörte die Schritte näherkommen und spürte dann die kräftigen Arme, die sich von hinten um seinen Oberkörper schlangen und ihn hielten.
„Was machst du hier draußen ganz alleine?", fragte der große blonde Mann.
„Nachdenken und in Erinnerungen schwelgen!"
„Welche Erinnerungen?"
„Die aus dem Sommer 1983."
Elio lächelte bei jeder Erinnerung an Oliver. Er erinnerte sich an alles, er hatte nichts vergessen und würde es auch nie vergessen. Jede Einzelheit, hatte er in seinem Herzen bewahrt, hatte die Erinnerung konserviert, auf einen Sockel tief in seinem Inneren gestellt.

„War es ein guter Sommer?", fragte der Andere und gab Elio einen sanften Kuss auf den Nacken.
„Elio wandte sich dem leicht gebräunten Mann zu. Er trug sein Hemd soweit aufgeknöpft, dass man sein Brusthaar und die Kette mit dem Davidstern sehen konnte. Elio nahm den Anhänger in die Hand und betrachtete ihn eine Weile bevor er weitersprach.
„Es war der Beste."
„Ach, ich fand die Sommer danach auch ziemlich... erfrischend."
Der blonde Mann lachte Elio mit seinem strahlend weißen Lächeln an, bevor er einen sanften Kuss auf dessen Lippen hauchte.
„Stimmt", sagte Elio und grinste.

„Gar nicht mal schlecht, gar nicht übel."19

Zwischen immer und nie  - Call me by your name Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt