1985; irgendwo in einer Großstadt atmete Elio schwer aus, während der Atem eines Anderen, Tage vorher für immer erloschen war.
Elio nahm den Brief, den er soeben fertig geschrieben hatte in die Hand, um ihn noch einmal zu lesen. Es sollte der letzte Brief an Oliver werden, denn er hatte Etienne versprochen die Vergangenheit ruhen zu lassen.
Lieber Oliver,
so viele Wochen habe ich nun nichts von dir gehört. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dass wir das letzte Mal geredet haben, dass letzte Mal zusammen gelacht haben. Aber ich bin dankbar dafür, dass uns unsere letzten Male alle nicht bewusst waren. Hätten wir gewusst, dass es das letzte Mal ist, dass wir uns lieben, das letzte Mal, dass wir uns küssen, dann wäre es nicht das gewesen, was es war. Wir waren vollkommen in diesen Momenten und die Erinnerung daran, wird mir nie jemand nehmen können, genauso wenig wie dir.
Nach dem Semester werde ich nach Italien reisen und ich frage mich, ob du merken wirst, dass ich nicht mehr hier bin. Dort warten viele Erinnerung auf mich und ich wünschte ich könnte in ihnen mit dir zusammen schwelgen. Aber eigentlich bist du überall.
Ich sehe dich selbst an Orten, bei denen ich gar nicht wusste, dass du dort gewesen bist. Ich sehe dich in Gedichten und Geschichten und blickte ich in den Momenten, in denen ich am verletzlichsten bin in den Spiegel, so sähe ich dich in mir selbst.
Auch wenn ich dir gesagt habe, dass ich dich nie bitten werde dich für mich zu entscheiden, so sei dir gewiss, dass das mein größter Wunsch ist.
Bis du deine Entscheidung getroffen hast, warte ich weiter auf dich „Zwischen immer und nie" in tiefer LiebeElio
Elio hätte dies ebenso gut in sein Tagebuch schreiben können, da er keinen der vielen Briefe je abgeschickt hatte.
Einmal hatte er auch an Rebekka schreiben wollen, um ihr zu ihrem Sieg zu gratulieren. Doch dann hatte er den Brief schon nach dem ersten Satz zerrissen, als ihm bewusstwurde, dass sie genau so verloren hatte, wie Oliver und er. Sie hatte verloren, weil sie ihr Leben mit einem Mann verbringen würde, der sie nicht aufrichtig liebte. Oliver hatte verloren, weil er alle Menschen die ihm nahe standen belog und am meisten sich selbst. Elio hatte Oliver verloren und er würde mit einem gebrochenen Herzen leben müssen, aber wenigstens war sein Leben keine Lüge, so wie das von Oliver. Ein Leben das er gewählt hatte, aber das niemals sein eigenes seien würde.
Er packte den Brief in einen Umschlag, stellte ihn zu den anderen und wollte gerade zur Tür hinaus, als das Telefon schellte.
„Elio Perlman", nahm Elio das Telefonat entgegen und er hörte ein schweres atmen,
am anderen Ende der Leitung.
„Oliver?"
„Hier ist Rebekka! Hallo Elio", drang Rebekkas Stimme durch den Hörer.
Elio hatte keine Lust auf ein Gespräch mit ihr, obwohl ihn der Grund ihres Anrufes
schon sehr interessierte.
„Hallo Rebekka! Du, ich bin auf dem Sprung."
„Elio, wir müssen reden", sagte sie und klang dabei unheimlich müde und erschöpft.
„Geht es Oliver gut?", platze es aus Elio heraus.
„Ob es ihm gut geht? Elio, liest du keine Zeitung?"Elio wurde schlecht. Er ließ sich auf die Couch fallen und sah die Schlagzeile vor
seinem geistigen Auge „Junger gutaussehender Mann stirbt bei Verkehrsunfall".
Dann sah er sich einen Pfirsichbaum auf Olivers Grab pflanzen.
„Olivers Vater hatte einen tödlichen Herzinfarkt. Natürlich geht es Oliver nicht gut."Elio entfuhr vor Erleichterung eine Mischung aus schluchzen und lachen.
Elio, lachst du?", fragte Rebekka ungläubig.
„Nein, ich bin nur erleichtert, dass es Oliver gut geht."
Welch Ironie des Schicksals! Der anerkannte Herzchirurg stirbt an einem
Herzinfarkt, dachte Elio. Dabei war er sich eigentlich sicher gewesen, dass Olivers
Vater gar kein Herz hatte.
„Elio, hörst du mir zu? Es geht ihm nicht gut und deshalb wirst du auch zu der
Beerdigung am Sonntag kommen."
„Du Rebekka, dass tut mir ja alles sehr leid, aber es ist keine gute Idee wenn ich
komme."
„Oliver braucht dich jetzt! Ich will mich in euren Streit auch gar nicht einmischen,
obwohl ich es auch nicht verstehe, wie du bei deinem Talent dein Studium so
vernachlässigen kannst."

DU LIEST GERADE
Zwischen immer und nie - Call me by your name
Fanfiction„Immer war unsere Zeit begrenzt. Dabei wollte ich doch ein ganzes Leben mit dir." Nachdem Elio und seine Eltern von Olivers Hochzeit erfahren haben, beschließt Elio sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und Oliver zurückzugewinnen. Er wird Ol...