Nur Mut!

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Evelyn:

Ich atme tief durch. Einmal. "Geh endlich los!", drängt die nervtötende Stimme in meinem Kopf. Nun stehe ich seit einigen Minuten vor dem Schulgebäude und weigere mich es zu betreten. Ich vermisse ihn jetzt schon. Sein Musikunterricht. Sein verständnisvolles Gesicht. Seine Anwesenheit. Er ist nicht mehr da. Ich schniefe kurz und verdrehe, genervt von mir selbst, die Augen. Samu ist schließlich nicht gestorben! Kein Grund in Tränen auszubrechen. Der Abschied von ihm war schlimm genug...  Entschlossen, mit gestrafften Schultern und einer unergründlichen Miene, betrete ich endlich die Schule. Wie ungewohnt es hier ist. Was zwei Monate ausmachen können.. Mein Blick streift durch die vollen Gänge. Der Direktor wird die übliche Eröffnungsrede halten und allen einen guten Start ins neue Schuljahr wünschen. 12 Klasse. Die Zeit vergeht schnell. Sehr schnell. Ich halte Ausschau nach Olivia und Elyas. Doch bis jetzt kann ich sie nirgends entdecken. Mehr oder weniger uninteressant sind die Gespräche der Anderen. Wer hat mit wem rumgemacht?, welche neuen Jungs gibt es an der Schule?, und so weiter und so fort. Die typischen Dinge eben. "Evelyn." Als ich meinen Namen höre werde ich unruhig. Voller Vorfreude drehe ich mich um, bereit Olivia endlich in die Arme zu schließen. Enttäuschung macht sich breit. Sie ist nicht da. Stattdessen funkelt mich Ella angriffslustig aus ihren stechenden Augen an. "Na, wen haben wir denn da? Das Schwanger-Sein steht dir aber gut, du bist noch fetter als sonst!" Anschließend hält sie sich beschämt und äußerst hinterlistig die Hand vor den Mund, als wäre ihr gerade eben erst aufgefallen, dass sie mich zutiefst verletzt hat. Ohne zu zögern sprudeln die Worte aus meinem Mund: "Woher weißt du davon?" Mein erster Gedanke gilt Samu. Zugleich verwerfe ich ihn wieder. Was für eine absurde Idee! Warum sollte er es erzählen? Dafür kann ich keinen Grund finden. Verunsichert sehe ich Ella an und warte auf eine gemeine Antwort. "Nun ja, deine 'Freundin' Olivia scheint sehr gesprächig zu sein. Du kennst sie ja. Die alte Quatschtante." Verächtlich bleibt das letzte Wort in der Luft hängen. Darum konnte ich sie nirgendwo finden! Das einzige was sie jetzt wohl plagt ist ein schlechtes Gewissen! Zurecht. Wie konnte sie nur?! "Es hat sich herumgesprochen, dass du das Kind verloren hast. Mein herzliches Beileid." Leider klingt auch dieser Satz nicht bedauernswert oder mitfühlend, sondern kalt wie Eis. Es jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken. Mittlerweile haben wir die Aufmerksamkeit der einzelnen Schüler auf uns gezogen und auch Sofia und Emma sind dazugestoßen um unserer Auseinandersetzung gespannt zu lauschen. Ich antworte nicht mehr und beiße mir fest auf die Lippe.

Warum höre ich mir das überhaupt an? "Mich würde nur mal interessieren wer der Vater ist..", murmelt jemand aus der Menge. "Genau, wer ist der Vater?" Ella grinst höhnisch. Ich weiß, dass sie es weiß. Schon immer. Selbst sie konnte erkennen was Samu für mich empfand. Das war kein Lehrer- Schüler Verhältnis. Es war mehr.

"Findest du es nicht komisch, dass Herr Haber urplötzlich die Schule wechselte?" Ein gespanntes Raunen geht durchs Publikum. Sogar die dümmsten verstehen, was Ella gerade für einen ungeheuerlichen Verdacht geäußert hat. Alle schauen auf mich. "Herr Haber kann selbst entscheiden was er tut und wenn er die Schule wechselt ist das seine Sache. Mit mir hat das rein gar nichts zu tun." Mein Protest klingt piepsig und absolut nicht glaubwürdig. Das ist mir bewusst. Dennoch beharre ich darauf und sehe weiterhin trotzig in die Runde. Emma runzelt die Stirn. Sofia kaut auf ihren Fingernägeln. Ich werde hier und jetzt auffliegen. Es ist mir klar. Es ist vorbei. "Samu Haber." Ella lässt sich das Wort genüsslich auf der Zunge zergehen. "Der Traum jedes Mädchen." Sie hat es geplant. Ihren großen Auftritt. "Scheinbar auch dein Traum. Träumen ist ja schön und gut, doch die Wirklichkeit ist besser. Du wolltest mehr von ihm, dass machte sich bereits am ersten Tag bemerkbar." Erneut legt Ella eine kleine Pause ein, als erwarte sie, dass ich mich in irgendeiner Weise gegen sie wehre. Doch ich kann nur gebannt zuhören und schlucken. "Ich habe euch mehrmals beobachtet. Händchenhalten, kleine zarte Küsse und verliebte Blicke. Und das jeden verdammten Tag. Ihr wart so unvorsichtig.." Wieder lacht sie leise. Als wäre es lustig. "Du hast ihn bezahlt. Anders kann ich mir das nicht erklären. Was will ein gestandener Mann mit einem jungen, hässlichen Mädchen?" Wieder tritt ein Ausdruck der Schadenfreude auf ihr Gesicht. "Ich weiß nicht ob du es weißt, aber Samu hatte sich geschworen keine Beziehungen mehr einzugehen. Zumindest vorerst nicht. Also warum ausgerechnet du? Sieh dich an.. " Ich fühle mich wie auf dem Präsentierteller. In vielen Köpfen scheint es zu rotieren, einige sehen mich ungläubig an. "Denn du, Evelyn Engel, bist eine dreckige Hure!"

TEACH ME / Samu Haber FF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt