TEACH ME / Samu Haber FF

Verloren

Evelyn:

Juni, Juli.. Es ist unglaublich wie schnell die Zeit ins Land geht, obwohl sie sich andererseits hinzieht wie Kaugummi. Wie verbringe ich meine freie Zeit.. ohne ihn? Ich bin geradezu überfordert, so lange Ferien gibt es Deutschland natürlich nicht, darum müssen meine Freunde inklusive Lea schon seit ein paar Tagen wieder die Schulbank drücken. Sie gäben alles um mit mir tauschen zu können.. doch ganz ehrlich: Ob ich hier oder in der Schule rumhänge macht irgendwie auch keinen Unterschied. Mein Vorsorgetermin ist gut verlaufen, es gibt keine Probleme, alles ist im grünen Bereich. Unserem Baby geht es gut. Wie gerne hätte ich Samu an meiner Seite gehabt. Ich kann mir sein glückliches Gesicht gut vorstellen. Er würde mir kleine Küsse auf die Wange hauchen und über meine Hand streichen. So sehr ich das Kind auch erst verabscheute, die Mutterinstinkte kann man einfach nicht abschalten. Und mittlerweile will ich das auch gar nicht mehr. Eine leise Sehnsucht überkommt mich und ich seufze leise. Dabei fällt mein Blick auf das gemeinsame Bild, welches bei der Geburtstagsparty entstanden ist. Wir sehen einfach soo.. unglaublich süß aus. Korigiere: Er sieht unglaublich süß aus.

Unser Kontakt hat sich auf wenige, unbedeutende SMS's beschränkt, was ich äußerst schade finde. Er scheint sein Leben wieder in vollen Zügen zu genießen, berichtet oft von Sanna, seiner Schwester. Auch über den Bruder, zu dem der Kontakt fast vollständig abgebrochen war, erzählte er oft. Wie gut sie sich wieder verständen... Manchmal schickte er auch Bilder, aber ein 'Ich liebe dich' und/oder 'Ich vermisse dich' suchte ich vergeblich in seinen Schwärmereien. Erneut aufseufzend fange ich an ein wenig aufzuräumen. Wer putzt schon gern..? Na ja, ich hasse es eigentlich wie die Pest, doch was kann man sonst den ganzen Tag machen? Dreimal dumm rumstehen und blöd gucken ist nicht gerade das Richtige, da schlafe ich nach einer Weile ein. Als ich gerade dabei bin die Kommode im Flur abzustauben ( die hat es wirklich dringend nötig! ) klingelt es an der Tür. Ich nehme an, dass es der Postbote ist, doch Pustekuchen.

"Kann ich reinkommen?"

"Warum? Lea ist nicht da.. das dürftest du auch wissen, wenn du sie kennen würdest", erwidere ich schnippisch, gar nicht darauf bedacht ihn reinzulassen.

Paul kratzt sich verärgert am Kopf und sieht an mir vorbei ins Wohnzimmer. "Was machst du denn überhaupt den ganzen Tag hier so allein? Dein toller Liebhaber ist ja nicht da." Er lallt ein wenig und seine Worte kommen undeutig mit einiger Verspätung. "Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte! Schlaf deinen Rausch aus.. du stinkst wirklich entsetzlich." Ich rümpfe die Nase. Seit ich schwanger bin erfreue ich mich über einen hervorragenen Geruchsinn.. na ja.. welcher nicht immer positiv sein muss. "Sag mir erst..hicks.. wo ich diese Idiotin.. hicks.. finde.."

"Wie bitte?!" Ich schlage die Tür zu, sodass es scheppert. Lea lässt sich immer auf die falschen Leute ein! Was das angeht ist sie einfach zu gutgläubig. Dieser Typ hat doch nur drei Buchstaben im Kopf.. Mein Herz klopft etwas zu schnell und unkontrolliert. Ich sollte mich wirklich weniger aufregen. Langsam rutsche ich an der Tür hinunter und finde mich kurz darauf auf dem Boden wieder. Schnaufend lausche ich meinem Atem und bemerke wie ich nach einigen Minuten ruhiger werde. Diese Art, die Paul ständig an den Tag legt.. ist einfach nur abstoßend. Nachher werde ich ein ernstes Wörtchen mit Lea sprechen müssen. Klar ist scheinbar auch, dass, wenn Paul keine Drogen nimmt, er zumindest Probleme mit alkoholhaltigen Getränken hat. Es ist nicht das erste Mal, dass es mir auffällt.. sein Atem roch defenitiv schon öfter nach diesem Zeugs. Er ist und bleibt ein Nichtsnutz. Hier bestätigt sich das Vorurteil wieder.. Ohne Schulabschluss kann das eben nicht's geben. Paul scheint keine Ahnung zu haben, was er mit seinem Leben anfangen soll. Wahrscheinlich gerät er dadurch jetzt auf die schiefe Bahn.

Hastig laufe ich zur Toilette und schließe mich ein. Warum auch immer, ich bin allein im Haus. Doch auf einmal überkommt mich eine unsagbar große Angst. Schon höre ich eilige Schritte. Hastig fährt mein Kopf zur Seite und fixiert das Schlüsselloch. Hat Lea in ihrem Leichtsinn etwa ihren Zweitschlüssel vergeben? An Paul?