Kapitel 15

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POV Paula Martinson:

Ich hatte eben noch mit Tabea gesprochen. Wir waren uns nicht sicher, wie wir mit der Situation umgehen sollten. Keines der Kinder sah vernachlässigt aus. Aber beide wurden meiner Meinung nach vernachlässigt von ihren Eltern, bzw. ihrer Mutter. Über den Vater wussten wir noch nichts. Aber es könnte eben sein, dass die Ältere den Job der Eltern übernommen hat und sich um alles kümmert, immerhin ist sie schon 16 und ich denke, auch wenn sie absolut nicht dafür verantwortlich ist und es definitiv kein Leben für ein Kind ist, könnte man in diesem Alter es inzwischen managen. Tabea stimmte mir da zu und auch Schwester Birgitt meinte, ein komisches Gefühl bei der Sache zu haben. Wir hatten uns dazu entschlossen, der älteren Schwester etwas entlocken zu versuchen. Das übernahm ich, da ich sie inzwischen am längsten kenne und irgendwie das Gefühl habe, dass sie mir irgendwo schon vertraut. Es aber nicht zu lassen will.
Gerade als ich zu ihr wollte, fand ich sie nicht mehr. Ich fragte Tabea, ob sie etwas wüsste, doch auch sie wusste nichts. Eine Schwester meinte, dass Amaya raus gerannt wäre und ihre Mutter vorweg. Ich ging also auch raus und schaute mich auf allen möglichen Stationen um. In der Klinik schienen sie nicht zu sein. Mir viel ein, dass die Mutter ziemlich nach Rauch roch, also wenn wir Glück hatten, dann würde ich sie draußen vor der Klinik am Südring mit einer Zigarette treffen. Vielleicht war Amaya auch bei ihr. Und einmal meinte das Schicksal es gut mit uns allen und ich fand sie tatsächlich dort.
Amaya schien auf ihre Mutter einzureden, ich stand zu weit weg, um zu hören, um was es ging. Ihre Mutter schien mir nun noch komischer als vorhin. Vor allem, als sie mir plötzlich zu winkte und lachte. Amaya schien mich erst nicht zu bemerken. Plötzlich drehte sie sich um und für eine Millisekunde sah ihr Gesicht verzweifelt aus. Man sah für einen kurzen Moment, wie sehr sie zu leiden schien, unter was auch immer. Doch dann fing sie sich wieder und lächelte aufgesetzt. Ich lief zu den beiden hin. Auf meine Aussage, dass ich sie gesucht hatte, reagierte nur Amaya. Ihre Mutter schien etwas arg neben der Spur zu stehen, das war vorher noch nicht so gewesen.
A:"Wir mussten kurz frische Luft schnappen und ähhh jetzt wollten wir gerade wieder rein und kurz auf die Toilette gehen."
Meinte sie schnell, als wenn sie es auswendig gelernt hätte.
P:"Ach so okay, alles gut bei Ihnen?"
Fragte ich sie Mutter kurz.
A:"Mom..."
M:"Hmmm?"
A:"Ob alles bei dir okay ist, hat die Ärztin gefragt."
M:"Ja, ja, alles super toll."
Sie lächelte komisch und starrte in die Luft. Ich ging vorerst nicht darauf ein.
A:"Komm Mom, wir gehen wieder rein."
P:"Soll ich mitkommen? Ich kann euch zeigen, wo die Toiletten sind."
Erst wollte setzte sie an, den Kopf zu schütteln, doch dann schien sie es sich anders zu überlegen und nickte leicht.
A:"Danke, aber nur, wenn es keine Umstände macht."
P:"Aber nicht doch, komm."
Ihre Mutter schien überhaupt nicht beteiligt an dem Leben generell zu sein. Sie schien irgendwo zu schweben, den Zustand kennt man meistens nur von Menschen, die betrunken oder auf Drogen sind. Und ich hoffte wirklich, dass keins von beidem der Fall wäre, wobei ich tatsächlich eine leichte Fahne riechen konnte, als Amaya die Hand ihrer Mutter griff und mir nach lief.
Ich fragte mich, wann der grausame Zeitpunkt wäre, den schlimmsten Anruf zu tun, den es für einen Arzt neben dem Anruf bei Angehörigen eines Verstorbenen gibt: Der Anruf beim Jugendamt.

Responsibility - Verantwortung kann brechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt