„Mh, ja... Ja klar... Ja versteh ich... Ja trotzdem vielen Dank." Ich legte den Hörer aus der Hand und vergrub mein Gesicht in den Händen. Das war jetzt schon die achte Jobabsage, welche ich an diesem Abend erhielt. Natürlich hatte niemand Bock, auf einem Ex-Knacki, der noch dazu in einem Ausbildungskontext stand und nur halbtags arbeiten konnte. Ich verzweifelte immer mehr. Wenn das so weiter ging, würde ich meine Wohnung verlieren und was dann? Sollte ich wieder obdachlos werden und hier und da bei Freunde unterkommen, oder gar auf der Straße schlafen? Bei Paul zu pennen wäre eine Möglichkeit, aber garantiert keine Dauerlösung, da seine Wohnung dafür viel zu klein war. Irgendwann sah ich nur noch einen Ausweg. Ich schlüpfte in meine Turnschuhe, schnappte meinen Rucksack und zog mir eine Jacke über. Dann verließ ich meine Wohnung und fuhr ungefähr eine halbe Stunde mit der Bahn, ehe ich bei meinem Ziel angekommen war. Ich drückte die Klingel des Gebäudes und wartete. „Ja?" Hörte ich eine Männerstimme. „Ja, Hallo, Archer? Ich bins, Dima. Mach auf." Kurze Zeit später vernahm ich das Surren der schweren Tür und drückte sie auf.
„Dima, was willst du? Du hast Nerven dich hier her zu trauen." Ich stand vor seiner Tür am Gang. „Archer, ich weiß, das klingt jetzt blöd, aber ich will wieder einsteigen." Sein Blick sagte mir, dass er mir jede Sekunde in die Fresse hauen würde, doch das tat er nicht. Er machte einen Schritt beiseite und ließ mich in die kleine, heruntergekommene Wohnung. Im Wohnzimmer auf dem Sofa gammelte seine bessere Hälfte. „Hey Dima, was machst du hier?" „Hey Rodger." Grüßte ich ihn knapp. „Willst du mich eigentlich verarschen, Dima? Du weißt, dass ich dich jeder Zeit abstechen könnte. Warum zur Hölle willst du plötzlich wieder einsteigen?" Ich verdrehte die Augen. „Ja, das weiß ich und du weißt, dass ich mehr Kohle in einem Monat reingespült hab, als ihr zwei Versager in einem Jahr. Was meine Gründe dafür sind, kann dir scheiß egal sein, ihr braucht mich, weil deine zweite Gehirnhälfte und du sogar zu dumm sind um überhaupt richtig abzuwiegen."
Langsam und bedrohlich kam er auf mich zu. „Was hast du gerade gesagt? Du kommst hier in meine Wohnung, willst meine Hilfe und denkst mir beleidigen zu können?" Beschwichtigend hob ich die Hände. „Du hast Recht, es tut mir leid. Hör mal Archer, ich bin nicht hier um zu streiten, okay? Kommen wir ins Geschäft oder nicht?" Er schien sich wieder etwas beruhigt zu haben. „Wie viel brauchst du?" Ich zuckte bloß mit den Schultern. „Keine Ahnung, ein paar Gramm sollten für den Anfang reichen. Den Rest streck ich dann selber." Er verschwand kurz in einem der hinteren Zimmer, ehe er mit ein paar Tütchen zurück kam. „Reicht das?" Ich nickte. „Mh, für den Anfang." Ich drückte ihm ein paar Scheine in die Hand. „Das ist alles war ich noch hab, du kriegst den Rest, wenn ich das Geld hab." Er setzte wieder eine finstere Miene auf. „Wehe wenn nicht." Ich wollte mich gerade umdrehen und gehen, als Rodger mich aufhielt. „Ach Dima, wie gehts deinem neuen Freund? Hängst du nicht neuerdings dauernd mit dem Rotschopf herum? Echt niedlich der Kleine. Ist der überhaupt schon volljährig?" Ich ballte die Fäuste und konnte fühlen wie mir das Blut in den Kopf schoss.
„Noch ein Wort über Ellie und ich brech dir den Kiefer!" Archer stellte sich zwischen uns und hielt mich zurück. „Rodger, halt dein Maul und Dima du verpisst dich jetzt. Bis nächsten Mittwoch krieg ich mein Geld." Ich drehte mich um und rauschte immer noch bebend vor Wut aus der Wohnung. Auf der Straße dauerte es einige Sekunden, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Ich durfte bloß keinen unnötigen Stress anfangen, denn wenn mich die Polizei jetzt aufhielt, war ich richtig am Arsch. Am Weg zur Bahn, schaute ich permanent gestresst über die Schulter und stellte schmerzhaft fest, wie sehr ich mich an das „normale" Leben, ohne die ständigen Angst erwischt zu werden, gewöhnt hatte. Nervös rauchte ich eine Zigarette nach der anderen. Zurück in meiner Wohnung, verstaute ich das weiße Pulver in einem meiner Küchenschränke und legte mich schlafen. Besser gesagt, versuchte ich es. Ich hatte ein verdammt schlechtes Gewissen und fühlte mich wie der größte Versager. Wieso verdammt nochmal, hatte ich mich wieder dahin zurück treiben lassen, wo ich nie wieder hin wollte?
Am nächsten Morgen wachte ich zu einer Nachricht von Ellie auf. „Heute nach der Schule bei dir. Bereite deine Sachen vor." Ein unangenehmes Gefühl machte sich in meinem Magen breit, ich hatte jedoch nicht viel Zeit darüber nachzudenken und mir bereits am Weg nachhause den ersten Termin ausgemacht hatte. Schon kurze Zeit später, klingelte es an der Tür. Ich schnappte mir das bereits abgewogene und mit Milchpulver Gestreckte Tütchen voll der Droge und öffnete. Es dauerte nur wenige Sekunden, ich es übergeben hatte und der Kerl mir das Geld in die Hand gedrückt hatte. Er war kein klischeehafter, obdachloser Drogenabhängiger, wie man ihn sich vorstellte. Solche Menschen hatten früher auch zu meinen Stammkunden gehört, doch dieser Typ war jung und sah aus, als hätte er Geld. Noch fünf weitere Menschen bediente ich an diesem Abend, ehe ich mich in mein Bett verzog. Irgendwann blinkte mein Handy auf. „Heute bei Paul? Miriam und ich sind da." Es war Ronny, doch ich drückte die Nachricht weg und wickelte mich in meine Decke. In diesem Moment hasste ich mich selbst so sehr. Nie wieder wollte ich wieder solche Dinge tun und das alles passierte noch dazu, nachdem ich endlich meine ersten schulische Erfolge einfahren konnte. Ich vergrub mich in meinem Zimmer und verließ es nicht bis zum nächsten Morgen.
Auch am Tag danach, konnte ich mich nur schwer aufraffen. Am liebsten wäre ich liegen geblieben, aber wenn ich jetzt aufgab, würde ich in alte Muster zurückfallen und früher oder später wieder im Knast enden, also rappelte ich mich auf und putzte meine Zähne. Dann zog ich mich an, warf meine Jacke über und verließ die Wohnung. Es war bereits Mitte Jänner und ich fröstelte leicht. Die Schule verging quälend langsam und zu allem Überfluss ließen Miriam und Ronny mich nicht in Ruhe und löcherten mich mit Fragen, ob alles okay sei. Ich wusste, dass die beiden es nur gut meinten, aber an diesem Tag, wäre ich wirklich lieber allein gewesen. Nachdem die letzte Stunde endlich um war und ich so schnell wie möglich nachhause wollte, hielt mit Elias am Gang auf. „Hey! Wo willst du denn so schnell hin? Ich fahr dich heim, wir lernen heute doch wieder gemeinsam!" Er lächelte sanft und ich konnte es einfach nicht verhindern, dass sich auch meine Stimmung hob. Zum ersten Mal an diesem Tag schmunzelte ich.
Wir liefen nebeneinander her zu seinem Auto und ich musste mich zusammenreißen, nicht nach seiner Hand zu greifen. In seinem Auto angekommen, fuhr er ein Mal um die nächste Ecke, ehe er anhielt. Verwirrt sah ich ihn an, doch dann beugte er sich zu mir und drückte mir einen liebevollen Kuss auf die Lippen. „Hey." Ich grinste. „Was war das?" „Meine richtige Begrüßung." Ich ließ es mir nicht nehmen ihn nochmal zu mir zu ziehen und ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Er war einfach viel zu niedlich. Dann fuhr er los. Niemand von uns sagte die restlich Fahrt ein Wort und auch, als wir zu meiner Wohnung gingen schwiegen wir. Erst nachdem die Tür hinter uns ins Schloss fiel, schmiegte er sich an mich. „Ich hab dich vermisst." Nuschelte er in mein Shirt. In diesem Moment vergaß ich meine missliche Lage komplett und war einfach nur unendlich glücklich. „Ich dich auch." Gab ich wahrheitsgemäß zu.
Er stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte mir seinen Kopf entgegen. Amüsiert beobachtete ich ihn dabei, wie er versuchte meine Lippen zu erreichen, doch er war zu klein. Ich kam ihm ein kleines Stückchen entgegen, nur um kurz bevor er unsere Münder verbinden konnten, meinen Kopf wieder zurückzuziehen. Frustriert sah er mich an. Noch zwei weitere Male wiederholte ich diese Gemeinheit, ehe er sich von mir löste und sich schmollend ins Wohnzimmer verzog. Ich lachte leise, während ich ihm folgte und kuschelte mich zu ihm auf die Couch, doch er drückte mich weg. „Dann halt nicht, wenn du so ein Arsch bist."
Ich schnappte ihn und zog ihn rittlings auf meinen Schoß. Er wollte protestieren, doch ich war stärker. „Sei nicht sauer, Ellie, ich wollte dich doch nur ein bisschen verarschen." Meinte ich und zog eine Schnute. Jetzt grinste er wieder. Er näherte sich mir langsam nur um dieses Mal selbst im letzten Moment den Kopf zurückzuziehen und mir entgegen zu feixen. „Komm her, du Zicke." Meinte ich schmunzelnd und zog ihn an seinem Hinterkopf zu mir, sodass er dieses Mal nicht entkommen konnte.
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I'm addicted to you | Boy X Boy
Любовные романыFrisch aus dem Gefängnis raus, wird der junge Ex-Dealer, Dima, vor die Wahl gestellt was er mit seinem Leben anfangen will. Schnell ist für ihn klar; er will sein Abitur nachholen. Das stellt sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht, da er...