Kapitel 33

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„Herr Makarow, hören Sie mir zu?" Verbissen starrte ich auf die Wanduhr, welche über dem Schreibtisch des Direktors hing. „Herr Makarow!" Er schlug mit der Faust auf den Tisch, was mich zusammenzucken ließ. „Ja?" Fragte ich und blickte zu ihm auf. „Hören Sie mir überhaupt zu?" Zerknirscht senkte ich den Kopf. „Ich habe Sie gefragt, wie es Ihnen bis jetzt geht. Sie scheinen sich ja ganz gut zu machen." Zaghaft nickte ich. „Das Semester habe ich ohne größere Probleme positiv abschließen können." Meinte er und zum ersten Mal sah ich den älteren Herren, welcher sonst immer einen so strengen Ausdruck hatte schmunzeln. „Das freut mich sehr zu hören. Um ehrlich zu sein, hätte ich im Leben nicht gedacht, dass sie so weit kommen, aber Sie machen das sehr gut. Weiter so." Ich schenkte ihm ein Lächeln. Seine Worte waren schmeichelhaft, aber ohne Elias hätte ich es nie so weit gebracht und mit dem stand ich auf Kriegsfuß, was wohl bedeutete, dass ich das zweite Halbjahr abhaken und entweder wiederholen oder abbrechen müsste, doch das alles wusste er ja nicht, da er immer noch dachte, dass wir jede Woche brav gemeinsam büffelten. „Vielen Dank." Meinte ich, ehe ich sein Büro verließ.

Als ich aus dem Arbeitszimmer hinaus, auf den langen Flur stolperte, drängten sich die Leute links und rechts an mir vorbei. Anscheinend war die letzte Stunde gerade zu ende. Gerade, nachdem ich mir endlich zu meinem Spind hatte durchschieben hatte können, fühlte ich wie mich jemand an der Schulter antippte. „Hey!" Lisa grinste mir frech entgegen und bleckte ihre weißen Zähne. „Was gibts?" Fragte ich und schenkte ihr ein freundliche lächeln, ehe ich mich wieder meinen Büchern widmete. „Naja, also die Prüfungen sind ja jetzt rum und... also du... du hast mir was versprochen." Stimmt, da war ja was. „Bist du am Samstag auch auf der Feier?" Fragte sie, ehe eine Antwort abzuwarten. Ich nickte. „Super! Dann können wir ja zusammen gehen!" Quiekte sie fröhlich. „Gern." Meinte ich bloß. Gerade als sie abrauschen wollte ergriff ich erneut das Wort. „Übrigens, hast du am Sonntag zeit?" Sie drehte sich zu mir um. „Klar, wieso?" „Hast du vielleicht Lust einen Kaffee trinken zu gehen?"

Ihre Augen weiteten sich etwas, ehe sie erneut ein glückliches Geräusch von sich gab und mir einen sanften Kuss auf die Wange drückte. „Ich hol dich um 14 Uhr ab." Meinte ich schmunzelnd. War das jetzt gemein? Sie machte sich nun bestimmt Hoffnungen und das, obwohl ich in jemand anders verliebt war. Aber bei dem hatte ich meine Chance sowieso verspielt und ich konnte ja nicht den Rest meines Lebens damit verbringen Ellie hinterher zu heulen. Ob ich Lisa wohl auch so vertrauen könnte wie ihm? Ich hatte ihm von meiner Familie erzählt... Selbst nachdem wir uns zerstritten hatten, hat er dicht gehalten und mich weder bei der Polizei verpfiffen, noch vor den anderen über mich hergezogen.

Den Rest des Tages, war ich geistig nicht wirklich anwesend. Die Stunden, welche ich mit Elias gemeinsam hatten, waren die schlimmsten. Immer wieder klebte mein Blick wie von selbst an ihm und, dass er mich heute noch viel giftiger ansah als sonst, machte das alles nur noch schwieriger. Nach der Schule verschwand ich so schnell ich konnte zur Arbeit. Ich fühlte mich dort um einiges wohler. Mit Oscar verstand ich mich nach wie vor super und dort gab es keinen Ellie, die mir ständig vor der Nase herum tänzelte. Nicht mehr... Ich hatte ihn schließlich verscheucht. Immer noch fühlte ich mich bei dem Gedanken mies, aber ich brauchte das Geld und somit den Job.

Vielleicht sollte ich Oscar fragen, ob er mich Vollzeit einstellen würde. Mir der Schule war das natürlich nicht vereinbar, aber ohne Elias Hilfe hatte ich eh keine Chance mehr das nächste Semester zu bestehen und jemand wie ich, war einfach kein Typ fürs Abitur. Mit einem Mal, kam ich mir schrecklich dumm vor. Selbst wenn ich es schaffen würde, so hätte ich mit meinen Vorstrafen auf dem Arbeitsmarkt eh keine Chance. Zwar hatte ich das erste Semester geschafft, aber nicht alleine und nur, weil ich den geraden Weg gehen wollte, bedeutete das noch lange nicht, dass ich deswegen gleich unrealistisch werden sollte. Plötzlich erschien mir der Gedanke die Schule abzubrechen sinnvoll. Erneut abzubrechen... Wieder hätte ich etwas nicht durchgezogen, aber war ich die letzten Monate nicht auch hingegangen um in Elias Augen mehr wert zu sein? Das waren definitiv die falschen Beweggründe. 

Den ganzen Nachmittag grübelte ich vor mich hin, bis ich abends endlich wieder in meiner Wohnung ankam. Ich streifte mir die Schuhe von den Füßen, warf meine Jacke achtlos auf die Ablage neben der Tür und ließ meine Blick durchs Wohnzimmer und die Küche schweifen, ehe ich mich auf den Weg ins Schlafzimmer machte. Ob ich jemals wieder jemanden finden würde, der diesen Ort so lebendig und energiegeladen wirken lassen könnte? Diese Frage hatte ich mir die letzten Wochen und Monate oft gestellt, aber mit diesen trüben Gedanken musste nun endlich Schluss sein. Es war offensichtlich, dass ich Ellie immer noch nicht egal war. Er hatte sich selbst verraten, aber solange er sich nicht durchringen konnte, mir wenigstens zuzuhören, blieb mir nichts anderes übrig als in die Zukunft zu blicken. Lisa war doch nett und sah gut aus. Bestimmt würde ich ihr irgendwann genauso vertrauen können, wie ihm. Mit diesem Entschluss schlief ich ein.

Am nächsten Morgen wachte ich erst um elf Uhr auf. Den restlichen Vormittag verbrachte ich damit auf der Couch herum zu gammeln und mit der Gruppe auszumachen, wann wir uns wo treffen würden. Um 18 Uhr sollten wir alle bei Miriam antanzen und am Weg würden wir Lisa abholen. Etwas zu spät begann ich mich fertig zu machen und versuchte gehetzt meinen Bus noch zu erwischen. Dicht an dicht mit anderen Fahrgästen gequetscht überstand ich die halbe Stunde, welche ich zu Miriam brauchte und entschloss mich dazu, den Anschlussbus einfach fahren zu lassen und die letzten zehn Minuten zur Fuß zu gehen.

Etwas abgehetzt kam ich 15 Minuten zu spät an und sah die anderen, welche bereits ungeduldig in der Einfahrt im Auto warteten. „Dima, wir haben fünf Mal versucht dich anzurufen!" Meckerte Ronny mich an, als ich die Tür des Rücksitzes hinter mir zuschlug. Miriam fuhr direkt los, jedoch nicht ohne nachzusetzen. „Ja man, Lisa wartet schon auf uns!" Ich brummte bloß. „Sorry, war viel los. Wo fahren wir überhaupt hin?" Erst jetzt bemerkte ich, dass ich gar keine Ahnung hatte auf wessen Feier wir da überhaupt eingeladen waren. Als ich zugesagt hatte, war es mir schlicht weg egal, Hauptsache ich bekam etwas Ablenkung, aber mittlerweile machte sich Neugierde in mir breit. Miriam und Ronny lachten amüsiert auf und auch Paul musste grinsen. „Das weißt du garnicht? Man, du bist mal wieder verpeilt. Wir sind heute Abend bei Bianca." Bianca? War das nicht die Schlampe, welche Anfang des Jahres gemeint hatte mich maßregeln zu müssen? Ich verkniff mir jedoch einen schnippischen Kommentar.

Die Fahrt verging schnell, wir gabelten Lisa unterwegs auf und standen keine 20 Minuten später vor der Tür der Gastgeberin. Die Mädels fielen einander sofort herzlich um den Hals wohingegen, vor allem Ronny und ich, eher zurückhaltend waren, doch zu meiner Überraschung war sie deutlich netter als in der Schule. Sie schenkte uns ein kurzes Lächeln, ehe sie uns zu ihrem Wohnzimmer führte, in welchem bereits überall kleine Grüppchen an Leuten verteilt standen, welche sich unterhielten. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen und auch ich lockerte mich langsam ein wenig auf, bis ich stockte. Wer stand da mal wieder in der Mitte der Menschenmenge, eng umschlungen mit seiner Neuen? Elias. Na super, das hatte mir gerade noch gefehlt. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, da er viele Leute kannte und die meisten ihn mochten, allerdings hatte ich wirklich keine Lust darauf, dass er mir den ganzen Abend vor der Nase herumtanzen würde.

Paul schien die Situation schnell erfasst zu haben, denn er lehnte sich zu mir und raunte mir ins Ohr: „Lass dich nicht provozieren. Ignorier ihn einfach und hab deinen Spaß." Ich nickte, schaffte es jedoch nicht sofort meine Augen abzuwenden. Erst als Lisa meine Trance unterbrach sah ich zu ihr hinunter. „Möchtest du vielleicht tanzen?" Ihre Wangen färbten sich rötlich und sie schaffte es kaum meinem Blick standzuhalten. Niedlich war sie allemal, also gluckste ich leise auf und zog sie ohne zu antworten, grinsend etwas näher zu der Box, welche zum Musik machen aufgestellt war. Erst als ich meine Hände an ihre schmale Taille legte und mich ihr näherte, traute auch sie sich ihre Arme um meinen Hals zu legen. Einen kurzen Moment dachte ich an Ellie, welcher anfangs auch immer so verklemmt war. Ob sie wohl auch so dermaßen alle Hemmungen verlieren konnte? Doch ich verbot mir den Gedanken an ihn schnell wieder und versuchte den Moment zu genießen.

Langsam lehnte ich meinen Kopf zu ihrem Ohr hinunter. „Du hast wahnsinnig schöne Haare, weißt du das?" Fragte ich, während ich meine Finger durch ihre braunen, langen Strähnen fahren lies. „Findest du?" Ihre Stimme klang dünn und verunsichert, aber sie wirkte dennoch glücklich. „Mh, finde ich." Murmelte ich und schaute tief in ihre mandelförmigen Augen. Ihr Gesicht war wirklich schön. Mit vollen, geschwungenen Lippen und zarten Zügen. „Dima, ich... ich finde dich wirklich toll." Zum Ende hin wurde sie immer leiser, doch ich verstand jedes Wort. „Du bist irgendwie so anders." Ihr schüchternes Lächeln verlieh ihr einen strahlenden Ausdruck. „Ich finde dich auch toll." Das war nicht gelogen. Lisa war toll. Sie war hübsch, roch gut und konnte echt lustig sein. Dennoch rechnete ich mit ihrer Antwort nicht, denn anstatt etwas zu entgegnen legte sie ihre weichen Lippen auf meine.

I'm addicted to you | Boy X BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt