Kapitel 27

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Als ich aufwachte, war das Bett leer. War er nachhause gefahren? Ich stand auf und suchte meine ganze Wohnung ab, doch konnte ihn nirgendwo finden. Gerade als ich die Suche aufgegeben hatte und ihn anrufen wollte, sah ich, dass die Tür zum Balkon ein Stückchen offen stand. Ich trat heraus und sah ihn, mit einer Tasse Kaffee auf einem der beiden Klappstühle sitzen. Er trug eine dicke Jogginghose und seinen Mantel, da es mittlerweile eigentlich viel zu kalt war, um draußen zu sitzen. „Morgen" Meinte er und lächelte mich an. Ich ließ mich neben ihm nieder und steckte mir eine Zigarette an. „Haben wir heute was vor?" Fragte ich. „Muss nachher kurz heim, nach dem Haus sehen, kommst du mit?" Ich grinste breit. „Mh, klar, dieses Mal kann mich wenigstens niemand rausschmeißen." Etwas beschämt sah er zur Seite. „Tut mir leid." Doch ich winkte bloß ab. „Keine Sorge, ich weiß doch, dass deine Eltern ein bisschen seltsam sind." Er trank seinen Kaffee fertig und ich rauchte meine Zigarette aus, ehe wir uns auf den Weg machten.

Im Auto schnappte ich mir das Auxkabel und machte meine Mukke an. Er war mäßig begeistert. „Dima, dreh das ab." Stöhnte er entnervt auf, als ich gerade dabei war den Fanpost Disstrack von Kollegah mit zu rappen. „Stell dich mal nicht so an. Ich denke du magst Musik. Dann beschwer dich nicht, das ist Weltkulturerbe." Er verdrehte bloß die Augen, schmunzelte aber, während wir gerade durch das Tor seiner Einfahrt fuhren. Ich war bloß das zweite Mal hier, fühlte mich aber dennoch ein wenig unwohl, als wir durch die Garage sein Haus betraten. Ich wusste, dass niemand außer uns beiden hier war, aber dennoch fühlte ich mich irgendwie unwillkommen und fehl am Platz. Wenn wir früher irgendwo eingebrochen waren, hatten wir uns auch meist große, luxuriöse Häuser ausgesucht, aber damals war es spannend und aufregend. Es hatte sich fast wie eine Mission angefühlt, aber jetzt wo ich auf legalem Wege hier war, kam ich mir vor wie der Elefant im Porzellanladen.

„Fühl dich wie zuhause." Meinte er, während er die Tür zum Wohnbereich aufstieß. Das tat ich nicht, doch ich schwieg. Wieder einmal wurde mir klar, aus was für unterschiedlichen Welten wir kam und irgendwie tat die Erkenntnis diesmal ein bisschen weh. Nicht, dass sie neu war, aber als ich das erste Mal hier war, hatte ich eher auf ihn herab geblickt. Damals konnte ich es als die Diskrepanz zwischen einem reichen Muttersöhnchen, welches noch keinen Tag in seinem Leben arbeiten musste und einem einem Menschen, der wusste, wie es war in der Früh aufzuwachen und nicht zu wissen, wo man ab Abend einschlafen würde, abtun. Aber mit einem Mal fühlte es sich an, als würde eine Schlucht zwischen uns aufklaffen. Es war ein seltsam daran zu denken, dass ich ihn später wieder mit, in meine kleine Plattenbauwohnung nehmen würde.

„Ich geh nochmal eben kurz rauf, und schau ob oben auch alles okay ist, dann können wir wieder gehen." Meinte er und ließ mich stehen. Etwas verunsichert sah ich mich um. Wieder fiel mir der Flügel neben der Kücheninsel ins Auge. Ich schlich darum herum und öffnete den Deckel, nur um auf die ein oder andere Taste zu drücken und zu hören, wie die hellen Töne durch den Raum klangen. „Hast du Spaß?" Hörte ich Elias amüsierte Stimme hinter mir und fuhr herum. „Erschreck mich doch nicht so!" Schimpfte ich, während ich auf ihn zu kam und meine Arme um ihn legte. „Ellieeee?" Er schmunzelte. „Was willst du?" „Spiel mir nochmal was vor! Bitte!" Ich setzte meinen besten Dackelblick auf, welcher ihm jedoch nur ein Lachen entlockte. Doch diesmal sträubte er sich nicht. Mit einem schlichten: „Ist gut", nahm er auf der schwarz gepolsterten Klavierbank platz und ließ seine Fingerknöchel knacken, ehe die ersten Töne erklangen. Gespannt hörte ich zu und nahm während des gesamten Stückes meine Augen nicht von ihm. „Du bist besser geworden." Stellte ich fest, als er das Lied beendete. „Richtig gut sogar!" Seine Wangen färbten sich rötlich und er blickte zur Seite. „Ja, eh... ich habe... wieder angefangen zu spielen seit du, dass letzte Mal hier warst. Du hast gesagt, dass es dir gefallen hat, also dachte ich, dass ich vielleicht... also... dass ich vielleicht doch wieder... beginnen sollte." Gegen Ende wurde er immer leiser, doch ich verstand jedes Wort. Gott war der Kerl süß! „Ich weiß, dass ich immer noch nicht wirklich gut bin aber..." „Du bist sau gut!" Fiel ich ihm ins Wort. „Du hast wirklich talent." Er lachte auf. „Naja, für dich vielleicht. Glaub mir, jeder andere fände es ziemlich schlecht." Ich kam näher und küsste seinen Haaransatz. „Dann spiel halt nur noch für mich." Meinte ich augenzwinkernd.

„Dima, fahren wir nachhause? Ich hab hunger." Meine Augen weiteten sich. „Was hast du gerade gesagt?" Verdutzt sah er mich an. „Ob wir nachhause fahren?" Nachhause... Ich konnte es einfach nicht lassen ihn nochmal in eine Umarmung zu ziehen und strahle vermutlich gerade übers ganze Gesicht. „Hab ich was komisches gesagt?" Fragte er, während wir zurück zur Garage spazierten. „Nein, nein. Ich bin nur wirklich glücklich." Er schien es nicht weiter zu hinterfragen und öffnete mit einem Schulterzucken die Fahrertür.

Bevor wir zu mir fuhren, machten wir bei einem Supermarkt halt um alles fürs Abendessen einzukaufen. Er hatte vor irgendeinen Nudelauflauf zu kochen und da ich keine Ahnung hatte, was man dafür so brauchen könnte, schlenderte ich durch die Süßigkeitenregale und warf Chips und Schokolade in den Einkaufswagen. Nachdem wir fertig waren und endlich wieder zurück in meiner Wohnung, machte er sich direkt daran das Essen vorzubereiten und erteilte mir die Aufgabe Gemüse klein zu schneiden. Es war lustiger als gedacht, auch wenn ich vermutlich deutlich mehr Spaß hatte als er, da ich hauptsächlich damit beschäftigt war kleingeschnittene Zucchini Stücke nach ihm zu werfen.

Erst nachdem er mir das dritte: „Mit essen spielt man nicht!", oder „Du bist doch erwachsen! Verhalt dich auch so!", entgegen pfefferte unterließ ich es, grinste aber immer noch vor mir hin. Während der Auflauf im Ofen vor sich hin backte, deckten wir gemeinsam den Tisch. Das Essen schmeckte, wie immer eigentlich, wenn er kochte, köstlich und ich genoss jeden Bissen. „Boa Ellie, willst du nicht Vollzeit bei mir als Koch anfangen?" Fragte ich pappsatt, nachdem ich meinen Teller geleert hatte. „Ich überleg es mir. Schaden würde es dir bestimmt nicht, sonst isst du ja wieder den ganzen Tag nur Fastfood." Ich grinste ihn frech an. „Stimmt, wir ziehen beide unsere Vorteile daraus. Ich krieg jeden Tag köstliches Essen und du eine angemessene Entlohnung, auch wenn ich dich vermutlich... anders bezahlen müsste." Auch er schmunzelte süffisant zurück. „Solang du mich dafür hier wohnen lässt, ist mir das recht."

„Wir sollten den Abwasch machen." Meinte er, nachdem wir fünf Minuten am Tisch saßen und das Essen sacken ließen. Entnervt stöhnte ich auf. „Ist gut, ich geh vorher schnell aufs Klo, dann helf' ich dir. Der Geschirrspüler ist, glaub ich, voll. Den müssen wir ausräumen." Er nickte und begab sich in die Küche, während ich auf der Toilette verschwand und hören konnte, wie er damit begann Teller herum zu räumen. An das gemeinsame Leben könnte ich mich gewöhnen. Nachdem ich mir die Hände gewaschen- oder sie kurz unter laufendes Wasser gehalten- hatte, ging ich zurück in die Küche um ihm zu helfen. Ich griff nach ein paar Tellern und begann sie in einem der Küchenschränke zu verstauen, wobei Ellie mir im Weg stand. „Hast du Wurzeln geschlagen? Geh mal zur Seite, ich muss hier durch." Er regte sich immer noch nicht. „Herr Rainbach, hören Sie schlecht? Ich müsste hier mal bitte eben durch." Langsam, ganz langsam, drehte er sich zu mir um und hatte irgendwas zwischen den Fingern.

„Dima, was ist das?" Fragte er tonlos. Ich erstarrte regelrecht. Er hielt eines der Päckchen mit Kokain in der Hand.

I'm addicted to you | Boy X BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt