Kapitel 24

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„Paul war der erste Mensch der mir zugehört hat. Er war der erste der mich verstanden hat, da er auch aus schwierigen Verhältnissen kommt. Seine Mutter hatte die Familie einige Jahre zuvor verlassen und ist mit einem Anderen durchgebrannt. Sein Vater ist danach in ein Tief gefallen, hat zu trinken angefangen und so. Wir sind schnell Freunde geworden. Er war bereits 16 und hat mal hier, mal da gewohnt, da er es zuhause nicht mehr ausgehalten hat. Durch ihn hab ich dann auch meine ehemaligen Clique kennen gelernt. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Freunde.

Wir haben jeden Tag, bis spät in die Nacht gefeiert, reiche Idioten abgezogen, sind in fette Häuser eingebrochen und haben Drogen verkauft. Irgendwann mit 16 bin ich dann endgültig von der Schule geflogen, da ich dem Idioten, der mich nicht leiden konnte endlich die Stirn geboten habe. Ich habe ihn so dermaßen verprügelt, dass er ins Krankenhaus musste, auf eine Anzeige hat er aber Gott sei Dank verzichtete, sonst wäre ich vermutlich schon viel früher in den Knast gekommen. Irgendwann hatten wir einfach Pech. Ich weiß bis heute nicht, wie uns die Bullen auf die Schliche gekommen sind, aber ich hab zu der Zeit bei einem Kollegen gepennt und mitten in der Nacht haben sie ne Razzia gemacht. Haben damals mehrere Kilo Gras, Kokain und illegale Schusswaffen gefunden. Wir beide sind vor Gericht gekommen und verknackt worden. Da ich gerade mal 18 war, bin ich mit einem Jahr Jugendknast davongekommen, aber er war bereits 23. Er sitzt heute noch ein."

Elias sah mich ungläubig an. „Dima, das... das ist..." „Lass es Ellie, du musst dazu nichts sagen. Es ist eben passiert. Ich kann nichts tun außer nach vorne zu blicken." „Aber das kannst du doch so nicht sagen!" Er fuhr hoch und ich sah ihn verwirrt an. „Deine Mutter gibt dir die Schuld daran, dass dein Vater im Krieg gestorben ist? Was ist das denn für ein Scheiß? Es steht mir vielleicht nicht zu eine Meinung darüber zu haben, aber die Frau kann mich am Arsch lecken!" Amüsiert über seinen Wutausbruch beobachtete ich ihn. „Was ist das denn für ein Miststück? Die weiß garnicht was du eigentlich alles bist!" Ich grinste ihn an. „Ein Verbrecher?"

Er setzte sich wieder neben mich, nahm meine Hände und sah mich an. „Du weißt garnicht was für eine Wirkung du auf andere hast, oder?" Verwirrt schüttelte ich den Kopf. „Dima, du bist der liebste und herzlichste Mensch den ich je kennen gelernt habe. Du bist wahnsinnig stark. Du kämpfst für deine Freunde und für das was dir wichtig ist, auch wenn dein Gegner stärker ist als du." Spielte er auf die Situation mit Archer an? „Du hast ein Löwenherz, du bist ehrlich und klug." Ich lachte auf. „Jetzt wirst du kitschig." Doch er blieb absolut ernst.

„Ich habe das damals ernst gemeint. Ich hab dich dafür respektiert, dass du dich zu Ronny gesetzt hast. Auch Miriam hast du nicht einfach alleine sitzen lassen, nachdem ich sie verlassen habe und das, obwohl wir euch nur einen Tag zuvor beleidigt haben. Du hättest jedes Recht gehabt, dich in deinem Stolz verletzt zu fühlen. Jeder andere Mensch hätte sie nach so etwas stehen lassen, aber du nicht. Du bist zu ihr gegangen. Du bist kein dummer Drogendealer, hast du dich mal sprechen gehört? Du bist schlagfertiger, als ich es jemals sein könnte und ich verbringe mein ganzes Leben schon damit nur zu lernen." Etwas überfordert von all den Komplimenten wusste ich nicht so ganz was ich sagen sollte, doch er schien noch nicht fertig zu sein.

„Du hast nichts davon verdient. Zur Hölle mit deiner Mutter, du hast Eltern verdient die dich gut behandeln. Du hast verdient bedingungslos geliebt zu werden!" Ich zuckte bloß mit den Schultern. „Hatte nie wirklich ein Bedürfnis danach, kenne es ja nicht anders." Langsam schien er sich wieder ein wenig beruhigt zu haben. „Willst du denn garnicht wissen, wer dein Vater war?" „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mich nicht interessiert aber der Mann war indirekt Schuld daran, warum meine Mutter mir immer wieder den Tod gewünscht hat."

Entgeistert starrte er mich an. „Sie hat was?" „Manchmal, da hat sie mir gesagt, dass sie sich wünschen würde, dass ich an seiner Stelle erschossen worden wäre. Oder, dass sie mich abgetrieben hätte und-." Ich stockte und sah ihn an. „Ellie?" Ich nahm seinen Kopf zwischen meine Hände. „Ellie, was ist mit dir?" Fragte ich alarmiert. Dicke Tränen kullerten über sein Gesicht und er sah mich so verdammt schmerzerfüllt an. „Dima, es tut mir leid, ich weiß sie ist deine Mutter, aber ich hoffe diese Schlampe verreckt. Wie kann sie so etwas sagen? Du bist... du bist alles was man sich wünschen kann. Egal ob in einem Sohn, einem Freund oder einem Partner." „Naja, ich bin ja nicht gerade ein vorzeige Sohn, wie du." „Du wärst doch überhaupt nie kriminell geworden, wenn sie dich nicht so verdammt scheiße behandelt hätte!" Mittlerweile schrie er. 

„Du bist in diese Welt hineingeboren! Du hattest doch keine Wahl, weil sich sonst niemand für dich interessiert hat! Aber du hast das nicht verdient... du... du..." Er schluchzte auf und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Es tut mir leid, ich weiß, dass ich eigentlich gar kein Recht darauf habe zu weinen, mich macht das alles nur so wütend. Wie kann sie nur?" Ich hatte die Situation noch immer nicht ganz erfasst.

Das war das erste Mal in meinem Leben, dass jemand für mich weinte. Einfach nur, weil ich meine Geschichte erzählt hatte. Ohne nachzudenken zog ich ihn in meine Arme und wir fielen nach hinten auf das Sofa. Er sah mich wieder an und ich wischte seine Tränen mit meinem Ärmel weg. „Lass uns nicht mehr darüber nachdenken, okay? Es ist Vergangenheit." Meinte ich und gab ihm einen zärtlichen Kuss. „Du hast recht. Es ist Vergangenheit. Ich bin jetzt da und wertschätze dich. Ich werd dich gut behandeln, dass schwöre ich dir!" Ich schmunzelte. „Das klingt, als würden wir heiraten." Auch er musste wieder lächeln. "Vielleicht fände ich das garnicht so schlecht."

Lange Zeit lagen wir einfach so da, er auf mir und genossen die Wärme des anderen. „Du riechst so gut." Stellte er fest, und meine Mundwinkel zuckten nach oben. „Du nicht, du stinkst, gehen wir gemeinsam duschen? Dann kann ich dich schön einseifen" Ich zwinkerte ihm zu. In der nächsten Sekunde hatte ich ein Kissen im Gesicht. „Boah Dima du Arsch!" Doch ich lachte nur. „Ich mach doch nur Witze. Du riechst immer gut. Trotzdem würde ich gerne mit dir duschen gehen." Meinte ich süffisant grinsend. Das ließ er sich natürlich nicht zwei Mal sagen.

Den restlichen Tag verbrachten wir damit uns in meinem Zimmer oder auf dem Sofa zu verschanzen, zu kuscheln, zu vögeln und essen zu bestellen. Auf kochen hatte er heute wohl zur Abwechslung mal keine Lust. Ich genoss jede Sekunde mit ihm. Wir schauten einen Film nach dem anderen gemeinsam, bis es draußen dunkel wurde. „Ich muss jetzt los." Stellte er fest. „Du bleibst nicht hier?" Stellte ich überrascht und enttäuscht fest, doch er schüttelte den Kopf. „Hatte in letzter Zeit Streit zuhause, weil ich immer weg bin, aber meine Eltern fahren bald für ein paar Wochen weg, da kann ich so viel hier sein wie ich will." Er grinste breit.

„Wohl eher wie ich will." Meinte ich und schmunzelte. „Was wenn ich dich rausschmeiße?" Er zog eine Schnute. „Dann bleib ich halt zuhause, du Arsch!" Schmollte er, während er sich die Schuhe anzog. Als er fertig war, gab ich ihm einen Kuss. „Ich mach doch nur Spaß. Du weißt, dass ich dich jede Sekunde hier behalten würde, wenn ich könnte." Nuschelte ich gegen seinen Mund. Wir konnten uns nur schwer voneinander lösen, doch irgendwann machte er sich auf den Weg und ließ mich dümmlich grinsen zurück.

Was stellt der Typ bloß an mit mir?

I'm addicted to you | Boy X BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt